Wir erleben im Klinikum Würzburg Mitte das krasse Gegenteil von dem, was im Moment gesellschaftlich diskutiert wird: Mit 48 Patienten, verteilt über beide Standorte, hatten wir am Donnerstag einen zwischenzeitlich neuen Höchststand an Covid-19-Patienten erreicht, am Freitag waren es nun 45 Patienten. Schon in den vergangenen Nachtdiensten war es schwer, Betten für die aufzunehmenden Patienten verfügbar zu machen. Auch für die mit den sonstigen Notfällen.
Im regionalen Austausch mit allen Versorgern wird klar: Die umliegenden Krankenhäuser machen derzeit die gleiche Erfahrung – und das im Vorfeld zum geplanten Wegfall aller Maßnahmen am 20. März. Die Zahl der Covid-Patienten nimmt stark zu. Sie sind nicht intensivpflichtig, aber sie müssen eine Krankenhausbehandlung in Anspruch nehmen.

Wir haben außerdem nach wie vor extreme Mühe, Plätze für ältere Patienten zu finden, die eine Anschlusspflegeversorgung brauchen. Weil in einigen Pflegeeinrichtungen durch Personalausfälle und eigene Covid-Fälle die Kapazitäten knapp sind. Zudem müssen wir Patienten mit anderen Gründen für eine stationäre Behandlung oft etwas früher entlassen, als uns allen lieb ist, um die Versorgung von Notfallpatienten mit und ohne Covid sicherzustellen.
Jeden Tag sind wir gezwungen, Patienten um Verständnis zu bitten, dass ihr Termin für geplante Untersuchungen oder Eingriffe ein weiteres Mal verschoben werden muss. Da geht es manchmal um Abklärungen, die planbar sind, aber doch eine gewisse Dringlichkeit haben. Das betrifft alle internistischen und operativen Fachabteilungen.
Situation wird sich weiter verschärfen - Versorgung von anderen Erkrankten gefährdet
Bei Tumorverdacht ist auch der Zeitfaktor durchaus bedeutsam – die deutsche Krebsgesellschaft hat mehrfach vor solchen Situationen gewarnt. Sowohl klinikintern als auch im regionalen Austausch und dem Miteinander aller umliegenden Versorger sehe ich große Anstrengungen und eine exzellente Zusammenarbeit. Dennoch wird sich bei nun erneut steigenden Fallzahlen die Situation weiter verschärfen.
Mit großer Verwunderung nehmen die in der Patientenversorgung aktiv Beteiligten öffentliche Verlautbarungen wahr, dass "die Situation in den Kliniken derzeit entspannt" sei. Unsere Wahrnehmung weicht hiervon deutlich ab.
Wenn jetzt durch eine Öffnung die Infektionszahlen weiter nach oben gehen, selbst wenn das Erkrankungen sind, die nicht zum Tode führen, ist dadurch die Versorgung von anderen Kranken gefährdet. Jeder von uns kann die überall gegenwärtige Coronamüdigkeit nachvollziehen, von einer Normalisierung der Gesundheitsversorgung bewegen wir uns derzeit aber eher weg.
Liebe Leserinnen und Leser, zum Abschluss unserer Tagebuch-Serie mit Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor des Klinikums Würzburg Mitte, haben Sie die Gelegenheit, dem Lungenspezialisten und Corona-Experten Fragen zu stellen. Was möchten Sie über den Klinikalltag oder die Behandlung von Covid-19 gerne wissen? Schreiben Sie uns bis Montag, 14. März, an folgende E-Mail-Adresse: redaktion.themenmanagement@mainpost.de
Die letzte Folge des Corona-Tagebuchs von Dr. Matthias Held erscheint am Samstag, 19. März. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch