Helle Aufregung herrschte am Dienstagmittag auf der A6 zwischen der Anschlussstelle Roth und dem Autobahnkreuz Nürnberg-Süd. Nach einem Auffahrunfall, bei dem ein Lkw-Fahrer starb und etliche Gaffer mit Smartphones und Tablets ungeniert auf die Unfallstelle hielten und filmten, platzte dem Leiter der Verkehrspolizei Feucht, Stefan Pfeiffer, der Kragen: Auf einem Video, das sich im Netz verbreitete wie ein Lauffeuer, sieht man, wie der erboste Beamte LKW-Fahrer zusammenbrüllt und Gaffer reihenweise auffordert, auszusteigen und mit ihm die Leiche des Unfallopfers anzuschauen.
"Wo kommen Sie her? Steigen Sie aus und ich zeig Ihnen was. Wollen Sie den Toten sehen?" Pfeiffer läuft mit ihm zum zertrümmerten LKW und liest dem Gaffer dabei weiter auf Englisch die Leviten. "Kommen Sie mit. Da liegt er, wollen Sie ihn sehen?" Der Fahrer verneint. "Warum machen Sie dann Fotos? Schämen sollten Sie sich!"
Die Aktion des Polizisten erinnert eine andere spektakuläre Gafferabwehr-Aktion im November 2017, als Feuerwehrmann Rudolf Heimann aus dem unterfränkischen Waldaschaff vorbeifahrende Gaffer einfach mit Wasser bespritzte. Heimann empfand die Situation mit den Gaffern genau wie jetzt Stefan Pfeiffer nach einem Unfall auf der A3 bei Rohrbrunn mit zwei Toten und einem später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegenden dritten Opfers so unerträglich, dass er sich spontan zu der Maßnahme entschloss. In den Sozialen Netzwerken wurde der Feuermann zum Star, sogar ein Lied wurde mit ihm produziert: "Gaff' nicht!"
Viel Lob für resoluten Polizisten
Doch solch drastisches Vorgehen von Rettungskräften und Polizisten birgt strafrechtliche Risiken für die, die sie ausführen. In Heimanns Fall ging alles gut. Seine Gafferabwehr wurde als unüberlegt eingestuft, aber rechtlich nicht verfolgt.
Wie es nun im Fall eines Beamten aussieht, der Fahrer anschreit – und sie einem womöglich traumatischen Erlebnis aussetzt, indem er sie direkt mit dem Anblick eines Unfallopfers konfrontiert, bleibt abzuwarten. In den Sozialen Netzwerken wird der Mann der Verkehrspolizei Feucht jedenfalls kräftig gefeiert für sein Verhalten: "Hochachtung vor diesem Mann", "Klasse", so einige der Kommentare bei Facebook.
Das Video sei nicht geplant gewesen
Stefan Pfeiffer selbst war am Mittwoch nicht zu erreichen. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken in Nürnberg sagte, "sonst könne er heute nichts mehr anderes tun als mit Journalisten zu telefonieren. Hier klingelt es ständig". Der Verkehrspolizist habe den Gaffern lediglich einen Spiegel vorhalten wollen, aber nie tatsächlich vorgehabt, einen Unbeteiligten zur Leiche zu führen, so die Leiterin der Pressestelle, Elke Schönwald. Das Video sei nicht geplant gewesen. Die Blaulicht-Reporter von "News5" seien bei dem Unfall ohnehin vor Ort gewesen und hätten die Kamera dann laufen lassen.
Kollegen des Polizeipräsidiums Unterfranken wollten die Aktion nicht bewerten. Die Priorität nach Unfällen, so Sprecher Michael Zimmer, liege für Polizeibeamte aber immer zunächst auf der Einsatzbewältigung. "Wir sichern die Gefahrenstelle ab und kümmern uns um die Unfallopfer. Natürlich haben wir die Gaffer im Fokus, doch das kann von unserer Seite aus naturgemäß nicht sofort nach unserem Eintreffen erfolgen. Aber natürlich werden sie von uns später zur Verantwortung gezogen." Eine Statistik über Anzeigen gegen Gaffer führt das Polizeipräsidium nicht.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schrieb auf Facebook: "Das Verhalten vieler Gaffer ist unverschämt und unverantwortlich. Ich freue mich, dass der Polizeikollege das einigen Gaffern auch mal emotional nahe gebracht hat." Bereits 2017 hatte Herrmann angekündigt, Helfer und Opfer besser vor neugierigen Blicken schützen zu wollen. So sollen vermehrt mobile Sichtschutzwände eingesetzt werden.
Gaffern droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe, wenn sie Unfallretter behindern. Wer erwischt wird, wie er bei einem Unfall filmt oder Fotos macht, muss mit einem Bußgeld von 128,50 Euro rechnen.
Verkehrspolizist Stefan Pfeiffer verteidigte sein Handeln noch vor laufender Kamera am Unfallort: "Es ist erschreckend, wie wenig Empfinden die Leute haben. Wir hatten einige, denen wir gesagt haben, wenn sie wollen, dann können sie herangehen. Und das wollten sie nicht. Man merkt, dass den Leuten dann bewusst wird, wie tragisch das Ereignis ist und dass das kein Spaß ist."