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Würzburg: Drohanrufe bei Anwalt: Würzburger Staatsanwaltschaft stellt Ermittlung gegen mutmaßlich Rechtsextremen ein

Würzburg

Drohanrufe bei Anwalt: Würzburger Staatsanwaltschaft stellt Ermittlung gegen mutmaßlich Rechtsextremen ein

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    Vor Gericht: Alexander M. soll Verfasser der NSU-2.0-Drohschreiben gewesen sein. Ob er auch den Würzburger Anwalt Chan-jo Jun bedroht hat, bleibt juristisch ungeklärt. Beim Prozessauftakt in Frankfurt machte der Angeklagte obszöne Gesten.
    Vor Gericht: Alexander M. soll Verfasser der NSU-2.0-Drohschreiben gewesen sein. Ob er auch den Würzburger Anwalt Chan-jo Jun bedroht hat, bleibt juristisch ungeklärt. Beim Prozessauftakt in Frankfurt machte der Angeklagte obszöne Gesten. Foto: Arne Dedert, dpa

    Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat ihre Ermittlungen gegen Alexander M. wegen des Verdachts der Bedrohung von Anwalt Chan-jo Jun und seiner Familie eingestellt. Der 54-Jährige aus Berlin steht derzeit in Frankfurt vor Gericht. Die dortige Staatsanwaltschaft beschuldigt M., Verfasser der rechtsextremen NSU-2.0-Drohbriefe zu sein, die mehrere Dutzend Menschen, in der Mehrzahl Frauen, monatelang in Atem hielten.

    Die Liste der Vorwürfe gegen den Angeklagten ist lang

    Angeklagt sind in Frankfurt 67 Fälle der Beleidigung, versuchte Nötigung, Bedrohung, die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, das Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.

    Auch wenn der Angeklagte die Taten bestreitet, gehen die Ermittler davon aus, ihn überführen zu können. In der Folge könnte das Landgericht Frankfurt Alexander M. dann zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilen.

    Genau diese Perspektive ist es, die die Würzburger Staatsanwaltschaft jetzt dazu bewogen hat, ihre zunächst wiederaufgenommenen Ermittlungen von 2017 und 2018 nicht weiterzuverfolgen. In ihrer Stellungnahme dazu verweist sie auf die Strafprozessordnung: Diese sehe nämlich eine Einstellung von Ermittlungen ausdrücklich für den Fall vor, dass die in einem Verfahren zu erwartende Strafe "nicht erheblich" ins Gewicht fällt. Angesichts der Schwere der Vorwürfe im Frankfurter Prozess kommt der mutmaßlichen Bedrohung in Würzburg also nach Ansicht der hiesigen Justiz keine größere Relevanz zu.

    Rassistische Beleidigungen am Telefon

    Die Umstände der Bedrohung des Würzburger Anwalts werden damit nicht rechtssicher aufgeklärt. Wie mehrfach berichtet, soll der 54-Jährige im Februar 2017 Jun und seine Familie am Telefon mit dem Tod bedroht haben. Zu diesem Zeitpunkt vertrat der Anwalt vor dem Landgericht Würzburg den syrischen Flüchtling Anas Modamani gegen den Internet-Riesen Facebook. Am ersten Prozesstag gingen in seiner Kanzlei drei Anrufe ein, in denen ein Unbekannter Jun nicht nur rassistisch beleidigte, sondern ihm auch den Tod androhte, falls er das Mandat nicht umgehend niederlege.

    Große Sorge bereitete dem Rechtsanwalt, dass der Mann davon sprach, Juns Privatadresse zu kennen. Schließlich seien, so Zeugen, Nazi-Parolen wie "Deutschland den Deutschen" und "Sieg Heil" zu hören gewesen. Er habe Angst gehabt, sagt der Anwalt rückblickend. Zwischenzeitlich sei er mit der Familie ins Ausland abgetaucht, die Vertretung Modamanis in weiteren Gerichtsinstanzen habe er seinerzeit wegen der Gefahrenlage abgelehnt.

    Als mutmaßlichen Anrufer identifizierte die Staatsanwaltschaft Würzburg in den folgenden Monaten den Berliner Alexander M. und klagte ihn schließlich wegen Nötigung und Bedrohung an. Zum Prozess kam es nicht, weil das Amtsgericht Würzburg die Beweislage als zu dünn erachtete. Es sei nicht sicher zu belegen, dass die Drohanrufe vom Telefonanschluss des Verdächtigen stammten, hieß es. Eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos.

    Nur wenige Tage nach der Verfahrenseinstellung im Juli 2018 in Würzburg soll M. dann der Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz das erste von zahllosen Drohschreiben verschickt haben - versehen mit der Unterschrift "NSU 2.0", eine Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund".

    Jun setzt auf hohe Gefängnisstrafe in Frankfurt

    Ob eine andere Entscheidung der Würzburger Justiz im Sommer 2018 die Drohschreiben verhindert hätte, auch diese Frage bleibt nun unbeantwortet. Mit der Einstellung des Würzburger Verfahrens könne er leben, sagt Jun auf Nachfrage. Er sei nicht traurig, wenn ihm eine Begegnung mit Alexander M. vor Gericht erspart bleibe. Wichtig sei ihm, dass die Strafe der Frankfurter Richter für die Bedrohungen "sehr hoch ausfällt". Die Bedrohungen, wie er und die Adressaten der Schreiben sie erhalten hätten, seien kein Kavaliersdelikt, so Jun. Sie gingen den Betroffenen an die Substanz. Dies müsse in einem Urteil deutlich werden.

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