Als Rebellen sehen Marion und Tilman Eberhardt sich eigentlich nicht. Und doch befinden die beiden sich jetzt im offenen Konflikt mit der Würzburger Frauenlandgenossenschaft. Die will das historische Haus an der Ecke zur Seinsheimstraße abreißen, in dem das Ehepaar wohnt, und hatte ihm zum 31. Januar gekündigt. Die Schlüsselübergabe hatten die Eheleute in der vergangenen Woche verweigert. Nur einen Tag später machten sich Bauarbeiter der Genossenschaft an der Balkonanlage unterhalb der Wohnung der Eberhardts zu schaffen.
Die Genossenschaft spricht auf Anfrage von "Sicherungsmaßnahmen" und will sich nicht ausführlich zur Angelegenheit äußern. "Die Genossenschaft macht, was sie will", sagt Marion Eberhardt und berichtet frustriert von dem Konflikt, der seinen Ursprung im Mai vergangenen Jahres genommen hatte. Wegen einer angeblich angedachten "energetischen Sanierung" hatte die Frauenlandgenossenschaft damals unvermittelt der gesamten Hausgemeinschaft des Mehrfamilienhauses gekündigt.

Dann hatte es sich die Genossenschaft nochmal ganz anders überlegt und angekündigt, dass in den 1920er Jahren gebaute Mehrfamilienhaus aus wirtschaftlichen Gründen komplett abzureißen.
Marion Eberhardt aus Würzburg: "Wir waren nie auf Krawall gebürstet"
Zwar habe die Genossenschaft ihr und ihrem Mann im Anschluss Wohnungsangebote gemacht, sagt Marion Eberhardt. Die Wohnungen seien jedoch entweder zu klein oder plötzlich nicht mehr verfügbar gewesen, wenn die Eberhardts Interesse gezeigt hätten. "Wir waren nie auf Krawall gebürstet und waren immer gerne in der Genossenschaft", sagt die 56-Jährige. Wegen des Vorgehens der Genossenschaft hätten sie und ihr Mann sich dann jedoch anwaltliche Unterstützung gesucht.

"Das Verhalten der Genossenschaft ist sonderbar", sagt der Würzburger Rechtsanwalt Clemens Kessler, der die Eberhardts vertritt. Die von der Genossenschaft ursprünglich ausgesprochene Kündigung sei aus seiner Sicht unwirksam: "Für eine rechtskräftige Kündigung muss der Vermieter mehr darlegen, als nur den Willen zur Sanierung zu bekunden", so Kessler. Doch die angekündigte Sanierung sei inzwischen ja vom Tisch. Der Räumungsanspruch bestehe daher nicht, weswegen seine Mandanten weiterhin rechtmäßig in der Wohnung lebten.

Nachdem die Eheleute ihn beauftragt hatten, hätten an der Fassade unterhalb von deren Wohnung plötzlich lautstarke Bauarbeiten begonnen, berichtet Kessler weiter. Tatsächlich hatte die Genossenschaft dort historischen Stuck entfernen lassen und dies mit "Gefahrenabwehr" begründet.
Würzburger Rechtsanwalt vermutet "kalte Entmietungsmaßnahmen"
"Die Maßnahme wurde nicht rechtzeitig angekündigt", sagt Kessler. Auch die nun erfolgte Maßnahme am Balkon – einen Tag nach der verweigerten Schlüsselübergabe – wurde laut Kessler nicht mit ausreichend Vorlauf angekündigt. "Für mich sieht das stark nach kalten Entmietungsmaßnahmen aus", sagt der Rechtsanwalt.
Die Genossenschaft hingegen schreibt auf Anfrage: "Es handelt sich um Überprüfungsarbeiten, die grundsätzlich nicht angekündigt werden müssen. Im Zuge dessen mussten Sicherungsmaßnahmen am Putz durchgeführt werden." Ein teilweiser Abriss des Balkons, wie von den Eberhardts unterstellt, habe nicht stattgefunden. Doch wie geht es nun weiter?

"Wir werden gerichtlich feststellen lassen, dass das Mietverhältnis weiter besteht", sagt Clemens Kessler. Zudem werde er im Auftrag der Eberhardts eine Unterlassungsklage gegen die aus deren Sicht unzulässige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einreichen. Doch welche Möglichkeiten zur Beilegung gibt es? "Wir stehen der ursprünglich angekündigten Sanierung nicht im Weg", sagt Marion Eberhardt. Die Frauenlandgenossenschaft hingegen will sich zur Frage nicht äußern.