Quadratisch, praktisch, gut“ ist out. Angesagt sind dagegen Burgen und Dschungelcamps, Abenteuerschiffe und Kletterlandschaften: Wer mit seinem Kind einen Spielplatz besucht, gerät im besten Fall selbst wieder in Spiel-und Entdeckerlaune. „Der Spielplatz von heute ist groß, attraktiv und umfangreich – und die Themen, die realisiert werden, oft abenteuerlich“, sagt Tilo Eichinger. Als Geschäftsführer der Firma Eibe aus Röttingen (Lkr. Würzburg) weiß der 43-Jährige, wovon er spricht – gehört sein Unternehmen doch zu den globalen Playern auf dem Markt der Spielplatzausstatter.
Wer in der Region mit Kindern unterwegs ist, ist bestimmt schon mit Eibe in Berührung gekommen: So stammen einige der beliebtesten Spielplätze im Landkreis vom Spielgerätehersteller aus dem Taubertal: zum Beispiel der Aktiv-Spielplatz an der Mainlände in Veitshöchheim, der Wasserspielplatz auf dem Gelände der ehemaligen Würzburger Landesgartenschau sowie die Röttinger Spielscheune.
Zu den Zielgruppen von Eibe zählen Kindergärten, Städte und Gemeinden sowie alles, was sich unter dem Begriff „Freizeitindustrie“ zusammenfassen lässt – wie Campingplätze, Shopping Malls, Freizeitparks. Die Legoland-Gruppe etwa gehört seit vielen Jahren zu den Kunden des Röttinger Unternehmens Eibe und ließ bereits Parks in Günzburg, Windsor und Malaysia ausstatten.
Die Wurzeln des traditionsreichen Familienunternehmens liegen weit in der Vergangenheit. „Bereits seit über 500 Jahren gab es den Handwerksbetrieb Eichinger in Röttingen“, erzählt Eichinger. Die Firma Eibe wiederum hatte ihre Geburtsstunde Ende der 60er Jahre – nachdem Tilo Eichingers Vater Hartmut die elterliche Zimmerei übernommen und begonnen hatte, mit Kino- und Inneneinrichtungen sowie mit Hallendächern zu experimentieren.
Ein besonderes Anliegen des Vaters sei es außerdem gewesen, dass Kinder sich sportlich betätigen können, so Eichinger, der vor seinem BWL-Studium eine Schreinerlehre absolviert hat. Zusammen mit einem Freund, Günter Behnert, kam damals die Idee auf, Kindersport zum Geschäftsmodell zu machen. So wurden die „Hartmut Eichinger Werke“ zu „Eibe“ – ein Firmenname, der 1972 samt Logo angemeldet wurde und sich aus den ersten Silben der Nachnamen der beiden Geschäftspartner zusammensetzt. Aus der Ur-Idee des Sport- und Bewegungsgedankens für Kinder entwickelten sich die Ausstattung öffentlicher Spielplätze sowie Einrichtungen für Kindergärten als Hauptgeschäftsbereiche der Firma. Das Grundkonzept: Alle Geräte und Systeme sollen so konzipiert sein, dass Kinder dazu animiert werden, sich zu bewegen.

Neben den wichtigsten zwei Standbeinen der Firma ergänzen Sportartikel – darunter Fitness-Geräte für die ältere Generation – und Spielwaren die Produktpalette. Etwa 80 Prozent der Produkte werden laut Eichinger in Europa verkauft, 20 Prozent gehen nach Asien und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Das deutsche Bildungssystem sei „brutal anerkannt“, so Eichinger, „da wird weltweit viel abgekuckt." Da man gerade in Schwellen- und Industrieländern Bildung als Schlüssel zu allem erkannt hätte, würde dort viel in diesen Bereich investiert – wovon auch Eibe profitiere.
Und so gehen die Produkte in die ganze Welt: ob komplette Konzepte für Spielplätze in und um London, Rutschen und Hängebrücken für einen Freizeitpark in Marokko oder eine Schaukel für einen Stadtpark in Neukaledonien, einer Inselgruppe im südlichen Pazifik. Das weltweite Vertriebsnetz von Eibe umfasst neben Niederlassungen in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Großbritannien auch sogenannte Distributoren – regionale Händler vor Ort, über die die Lieferung und Montage der Produkte abgewickelt wird. „Jedes Land hat andere Vorschriften und Normen, was Spielplätze angeht“, erläutert Eichinger. So dürfe zum Beispiel nach Korea eine bestimmte Holzart nicht geliefert werden, obwohl sie qualitativ sehr hochwertig sei. Diese Normen muss man kennen, ebenso wie die Vorlieben und Gepflogenheiten der einzelnen Länder.
Wenn es ums Design eines Spielplatzes geht, lieben laut Eichinger Asiaten und Briten knallige Farben; Deutsche dagegen mögen es naturnah, schlicht und gedeckt. Beim aktuell angesagten „Naturstil“ werden meist unbehandelte Hölzer wild zusammengebaut – wie etwa bei der Kleinkind-Spielanlage „Winja“. „Hier ist vieles Handarbeit“, erklärt Eichinger beim Gang durch die Produktionshalle.
Weltweit unterschiedlich bewertet wird bei Spielplätzen und -geräten das Thema Sicherheit. In Asien und speziell in Korea sei man extrem sicherheitsorientiert, so Eichinger. Bewegliche Teile an Spielgeräten rufen bei asiatischen Prüfern Sorgenfalten auf der Stirn hervor. Ein Sicherheitsnetz dagegen ist gern gesehen. In Deutschland geht der Trend zu mehr zugelassenem Risiko. „Wenn sich ein Kind nie den Finger einklemmt oder das Knie aufschlägt, ist das schlecht“, ist Eichinger überzeugt. „Schmerzerfahrung ist wichtig, wir Menschen brauchen das.“
Die Erkenntnis, dass Risikoerfahrung und -einschätzung ein wichtiger Lernprozess ist, hat sich hierzulande auch in der Spielebranche durchgesetzt. Die Folge: Abweichungen von der europäischen Spielplatz-Norm, die die sicherheitstechnischen Anforderungen an Spielplätze festlegt, sind inzwischen möglich – zum Beispiel, wenn die baulichen Vorgaben eines Kunden eine Konstruktion strikt nach der Norm nicht zulassen. Im Vorfeld gibt es ein sogenanntes „Risk Assessment“, bei dem man prüft, ob ein Risiko an einem bestimmten Punkt in Kauf zu nehmen ist.
Die Ansprüche an einen Spielplatz mögen gewachsen sein – die Grundbedürfnisse von Kindern aber sind gleich geblieben: „Fliegen, balancieren, rotieren; Rollenspiele und Körpererfahrung“, zählt Eichinger auf. Das spiegelt sich auch in den Eibe-Klassikern wieder: Die Schaukel „Adler“ und die Seilbahn „Montana“ sind so etwas wie das Billy-Regal der Spielplatzbranche und seit Jahrzehnten bei Kindern in der ganzen Welt beliebt.
Wie steht es um die Zukunft der Branche? „Wir haben es mit gegenläufigen Trends zu tun“, so Eichinger. „Aktuelle Entwicklungen wie der Zustrom von Flüchtlingen, darunter viele Kinder, sowie der Ausbau der Kleinkind-Betreuung erweisen sich als gut; die Tatsache, dass generell weniger Kinder geboren werden und es somit weniger Kunden gibt, natürlich als weniger gut.“ Insgesamt rechnet Eichinger mit einer „starken Belebung“ der Branche – nicht zuletzt, weil der Trend europa- und deutschlandweit durch die unsichere Weltlage zum Inland-Tourismus geht.
Dass die Philosophie von Eibe aufzugehen scheint, zeigen zahlreiche Preise, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren eingeheimst hat: Unter anderem wurde 2010 der „Große Preis des Mittelstandes“ der Oskar-Patzelt-Stiftung an das Unternehmen verliehen; Eichinger wiederum war wiederholt Finalist für den Titel „Entrepreneur des Jahres“ der Unternehmensgruppe Ernst & Young.
Pädagogisch wertvoll und mit hohem Spielwert, sicher, robust und nachhaltig – mit Produkten, die all diese Prinzipien erfüllen sollen, hat sich Eibe einen Ruf als Qualitätshersteller im der Branche erwirtschaftet. Qualität hat ihren Preis: Die Spanne reicht von 15 000 Euro für einen Kleinkind-Spielplatz in einer Krippe bis zu einer Million Euro für ein individuelles Themen-Komplettpaket für einen Freizeitpark.
Auch aufsehenerregende Projekte wie ein elf Meter hohes und 20 Tonnen schweres trojanisches Pferd – eine Holzkonstruktion, die Eibe 2014 in China passend zum „Jahr des Pferdes“ anbot – gehören zum Repertoire des Familienunternehmens. Für ausgefallene Projekte wird auch improvisiert: Ein Kindergarten in Sibirien sollte komplett mit Eibe-Möbeln ausgestattet werden. Da sich der Bau des Gebäudes verzögerte und die Lagerkapazitäten in Röttingen nicht ausreichten, baute man auf dem Firmengelände kurzfristig ein Bierzelt für die Möbel auf.
Röttingen als Standort sei „nicht verkehrt“, so Eichinger. Trotzdem bestehe die Überlegung, ob man sich mit bestimmten Abteilungen nicht näher an den Kunden heranbewegen müsse. „Unsere Niederlassung in Dresden etwa könnte man als Spezialisten für City-Kunden ausbauen.“ Schließlich brauche man stets auch den Input und das Feedback der Kunden: „Will man zum Beispiel einen Pausenhof ausstatten, sollte man sich darüber bewusst sein, dass ein Pausenhof in Berlin anders aussieht als einer in Röttingen“, sagt Eichinger.
Und was ist der persönliche Favorit des Geschäftsführers auf einem Spielplatz? „Die Seilbahn“, sagt Eichinger und lacht. „Die hätte ich früher stundenlang fahren können.“