Für rund 162 000 Menschen im Landkreis Würzburg trägt Thomas Eberth (CSU) seit einem Jahr die Verantwortung. Und eigentlich hatte er vor, sich in allen Landkreis-Gemeinden vorzustellen. Doch dann kam Corona und hat alles verändert.
Was bedeutet das für das Amt, das der 45-Jährige aus der Sicht eines Bürgermeisters wahrgenommen hat? Mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen musste er umgehen, und gab es außer Corona noch andere Themen auf seiner Agenda? Ein Gespräch über ein Jahr, das viel verändert hat, auch bei Thomas Eberth.
Frage: Sie tragen jetzt Bart.
Thomas Eberth: Nachdem es oben immer weniger wird, kam die Frage auf, wächst denn unten noch was. Und da ich die meiste Zeit eine Maske trage, fällt der Vollbart gerade nicht so auf. Also eine gute Zeit, um ihn wachsen zu lassen. Ob er bleibt oder nicht, entscheidet aber letztlich dann doch meine Frau.
Ein Jahr sind Sie jetzt Landrat. Äußerlich haben Sie sich verändert, auch innerlich?
Eberth: Ich hoffe, noch nicht so stark. Aber natürlich ist es so, dass die Aufgabenvielfalt, die Entscheidungskompetenz und die Entscheidungsgeschwindigkeit schon eine Taktung höher ist. Aber das war ich als Bürgermeister schon gewohnt.
Und losgelöst von den Aufgaben des Amtes?
Eberth: Nein. Ich bemerke keine Veränderung, weiß aber auch nicht, wie es andere empfinden. Denn im Moment treffe ich ja außerhalb des Landratsamtes kaum jemanden, der mir das spiegeln könnte. Grundsätzlich glaube ich aber, dass uns Corona alle in gewisser Art und Weise verändert: Diese Herzlichkeit, das Aufeinander zugehen, sich zulächeln, auch mal böse gucken – das fehlt im Moment doch sehr.
Sind Sie denn schon an Ihre Grenzen gestoßen?
Eberth: An Grenzen stößt man immer, egal ob als Bürgermeister oder am ersten Tag als Landrat. Weil es immer etwas gibt, das sich schon allein wegen gesetzlicher Vorgaben nicht regeln lässt. So war es schon auch tragisch, dem einen oder anderen Paar zu sagen, die Hochzeit kann so nicht stattfinden, weil es Corona nicht zulässt. Und damit muss ich als Landrat umgehen können.

Lassen wir mal die Corona-Pandemie beiseite: Was waren denn im ersten Jahr Ihrer Amtszeit die größten Herausforderungen?
Eberth: Ich hätte tatsächlich auch Corona als die größte Herausforderung weggelassen. Die für mich spannendsten Momente waren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Führungskräfte im Amt kennenzulernen, um einen Eindruck zu bekommen.
Eine Herausforderung war das aber nicht.
Eberth: Doch. Denn in Gebilden wie dem Landratsamt mit mehr als 700 Beschäftigten und dem Kommunalunternehmen mit seinem Eigenleben die Struktur zu erkennen, war schon eine Herausforderung. Allein schon sich die Namen der Kolleginnen und Kollegen merken zu können, noch dazu mit Maske, ist keine einfache Aufgabe. Denn es gehört schon auch zur Führung dazu, die Kolleginnen und Kollegen bestmöglich kennenzulernen.
Und politisch gesehen?
Eberth: Da gab es viele. Aber keine, die mich jetzt extrem zum Grübeln gebracht hat.
Gab es schon mal den Punkt, an dem Sie sich gewünscht hätten, wieder Bürgermeister in Kürnach zu sein?
Eberth: Nein.
Das klingt sehr überzeugt. Warum nicht?
Eberth: Weil mir schon bei meiner Kandidatur sehr bewusst war, was es heißt, Landrat zu sein. Dass nämlich die Entscheidungsgeschwindigkeit höher ist und mehr Kompetenzen gefordert werden. Und wie es ist, als Landrat auch unter Menschen zu sein, durfte ich ja leider noch nicht erfahren, weil Feste und Veranstaltungen nicht stattfinden. Dafür bin ich aber auch mal um 20 Uhr zuhause bei der Familie und kann mit ihr am Sonntag zum Wandern gehen. Als Bürgermeister konnte ich das nicht.
Als der Streit in der Landkreis-Feuerwehr hochkochte, wären Sie da nicht lieber wieder Bürgermeister gewesen? In Kürnach wäre das nicht passiert, oder?
Eberth: In jeder Feuerwehr, egal ob groß oder klein, menschelt es. Es gibt keine Feuerwehr, die emotionslos agiert. Auch bei der Kürnacher Feuerwehr war es nicht immer einfach – und auch dort gab es Konflikte. Aber nicht in dieser Dimension und sie kamen nicht an die Öffentlichkeit. Auch hier war nicht alles Gold was glänzt und darum war es richtig, dass ich Landrat wurde, um so einen Konflikt zu begleiten.
Aber es wird Ihnen ja vorgeworfen, dass sie genau das nicht tun. Und alles nun eskaliert, weil sie es haben schleifen lassen.
Eberth: Das sehe ich überhaupt nicht so. Manchmal ist es wichtig, entspannt und ruhig an etwas heranzugehen. Egal, was man tut, irgendeine Gruppe, ob Befürworter oder Gegner, hätte sich nicht befrieden lassen. Weil diese Auseinandersetzung sehr emotional ist und auch menschliche und freundschaftliche Aspekte hat, bin ich überzeugt, dass ein harter Schnitt der falsche Weg gewesen wäre. Aber unabhängig davon weiß ich, dass unsere 112 Feuerwehren hervorragend funktionieren und ich dem Kreistag am 10. Mai das Feuerwehrkonzept vorstellen will.
Nach dem Rücktritt des Kreisbrandrates wissen Sie aber nicht, mit welchem Feuerwehrchef Sie dieses Konzept umsetzen können. Ein riskanter Schritt?
Eberth: Nein, ist es nicht. Der Feuerwehrbedarfsplan kommt von den Feuerwehren und wurde von allen anhand der unterschiedlichen Gefährdungslagen erarbeitet. Und ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Konzept, wie auch die Atemschutzwerkstatt und die Erweiterung des Feuerwehrzentrums wichtige und nötige Schritte für die Zukunft der Feuerwehren sind. Dabei spielt es keine Rolle, wer Kreisbrandrat wird.

An anderer Stelle waren Sie ziemlich erfolgreich: Den Neubau am Landratsamt haben Sie durchbekommen. Sie setzen damit aber auch einen anderen Kurs und gehen weg von der Null-Schulden-Politik Ihres Vorgängers. Ein Ausrutscher?
Eberth: Nein, auf keinen Fall. Wenn wir in der heutigen Zeit sinnvolle Investitionen tätigen, müssen die finanziellen Möglichkeiten geprüft werden. Und im Anbau ans Landratsamt sehe ich auch die Chance, Strukturen im Amt zu überdenken und Veränderungen als Verwaltung anzustreben. Diese stehen natürlich im Kontext der Digitalisierung, eines attraktiven Arbeitgebers und im Sinne eines guten und eines gesundheitsfördernden Arbeitsklimas. Dass dies über eine Kreditaufnahme und nicht zu Lasten der Kommunen finanziert wird, ist für mich selbstverständlich.
Ist ein solcher Neubau in Zeiten von Homeoffice überhaupt noch nötig?
Eberth: Unbedingt. Homeoffice und mobiles Arbeiten sind eine Chance. Es kommt aber auch darauf an, Räume so zu gestalten, dass mobiles Arbeiten überhaupt ermöglicht wird. Oder, dass Schreibtische geteilt werden können, dass Besprechungsräume für den Austausch und für das kreative Arbeiten vorhanden sind. Das funktioniert im Homeoffice nicht. Und wir werden trotz der Digitalisierung niemals ein bürgerloses Amt werden, vor allem nicht in den sozialen Bereichen.
Dennoch fällt auf, dass im Landratsamt viele Büros gerade jetzt in der Corona-Pandemie voll besetzt sind. Da entsteht der Eindruck, Homeoffice ist nicht so Ihr Ding.
Eberth: Mittlerweile arbeiten 20 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice.

Das ist nicht viel.
Eberth: Für eine Behörde mit derart vielen intensiven Kundenkontakten ist das eine sehr gute Quote. Wenn die Arbeit ordnungsgemäß erledigt ist und es der Arbeitsvorgang erlaubt, bin ich tatsächlich ein Fan von Homeoffice. Aber nicht an fünf Tagen in der Woche, weil ich meine, dass der Austausch mit den Kollegen darunter extrem leidet. Es gibt auch viele Mitarbeiter, die gar nicht ins Homeoffice wollen, weil sie die Kommunikation mit ihrem Team für Entscheidungen brauchen. Beispielsweise im Jugendamt, wenn es um wichtige Fragen, wie die Inobhutnahme eines Kindes geht.
Gibt es denn noch weitere Projekte, für die Sie sich eine Kreditaufnahme vorstellen können?
Eberth: Da der Landkreis im Moment keine Zinsen zahlt, ist eine Kreditaufnahme kein Tabuthema. Ich könnte mir vorstellen, dass für die dringende Modernisierung der Förderschulen, auch ein Darlehen erforderlich ist, weil sich mit Blick auf die Baubranche alles verteuern sollte. Und da soll es dann an zwei Millionen, die sich der Landkreis vom Kapitalmarkt holen muss, nicht scheitern. Im investiven Bereich scheue ich Schulden nicht.
Ganz ohne Corona kommen wir in diesem Gespräch doch nicht aus. Welche Projekte sind denn deswegen liegengeblieben?
Eberth: Politische Projekte blieben deswegen nicht auf der Strecke. Aber leider kam es nicht dazu, dass ich alle Beschäftigten intensiv kennenlernen konnte oder mich mit den Bürgermeistern intensiv austauschen konnte.
Ich habe hier noch Ihren Bierdeckel. Wie alle anderen Landrats-Kandidaten sollten Sie auf der Rückseite Ihre wichtigsten politischen Forderungen zusammenfassen. Wissen Sie noch, was Sie geschrieben haben?
Eberth: So genau jetzt nicht mehr. Ich hoffe nur Gutes.

Sich um die Menschen kümmern ... das ist ja gerade ein bisschen schwierig, wenn kein Feuerwehr-, kein Musikfest, keine Kirchweih stattfindet. Wie sehr fehlt Ihnen als Politiker der Kontakt zu den Bürgern?
Eberth: Sich um die Menschen kümmern – das geht auch digital über alle möglichen Kanäle ganz gut. Was aber fehlt, ist das direkte Gespräch mit den Landkreisbürgern.
Und welche Freiheit fehlt Ihnen persönlich am meisten?
Eberth: Sehr bedauerlich finde ich – und diese Regel verstehe ich auch nicht – dass sich befreundete Ehepaare nicht treffen können. Mit Freunden ins Gespräch zu kommen, das fehlt schon. Oder mal einen Schafkopf zu klopfen. Und ich gestehe, so ein Bierzelt wäre schon auch mal wieder schön.
Ist Ihr Vollbart vielleicht auch ein Ausdruck Ihrer Sehnsucht nach Freiheit?
Eberth: Der Bart ist einfach ein Versuch. Auch um zu sehen, wie sich ein Gesicht verändern kann und ob die wenigen Haare am Kopf durch den Vollbart im Gesicht kompensiert werden können. Persönliche Freiheit im Sinne von, wir gehen jetzt mal wieder aufs Segelschiff, verbinde ich damit nicht – auch wenn der Bart zu einem Seebären gut passen würde.