Es begann mit der Feier eines 18. Geburtstags im vergangenen Jahr im Sommer in der Evangelischen Studierendengemeinde. Das Geburtstagskind stammte aus einer äthiopischen Familie, die in Würzburg lebt. Viele äthiopischen Gäste kamen, um mitzufeiern. „Das war so schön, dass wir dachten, wir könnten doch auch unser Neujahrsfest gemeinsam feiern“, erzählt Wondu Wolka Wogasso. Gesagt, getan. Die Feier wurde ein großer Erfolg. Nun findet sie zum zweiten Mal statt: an diesem Samstag, 10. September.
Standen im letzten Jahr nur wenige Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung, wurde die Feier diesmal gründlich geplant. Auch gibt es nun eine Initiative, bei der alle Vorbereitungsfäden zusammenlaufen: die Deutsch-Äthiopische Freundschafts- und Integrationsgesellschaft. Die Mitglieder hatten sich 2015 kurz nach dem ersten Silvesterfest zusammengefunden und sind gerade dabei, einen Verein mit Satzung zu gründen. Dem wird als Schriftführer der 42-jährige Wondu Wolka Wogasso, der aus dem Süden Äthiopiens stammt, angehören. Insgesamt elf Äthiopier, die aus unterschiedlichen Regionen des Landes kommen, engagieren sich derzeit als Vorstände in spe für die Freundschaftsinitiative.
In Äthiopien, berichtet Wondu Wolka Wogasso, der Industriemechaniker ist, gebe es eine eigene Zeitrechnung. Der äthiopische Kalender hinke dem unserem sieben Jahre und etwa acht Monate hinterher. Äthiopier schreiben aktuell also das Jahr 2008. Wenn es in Würzburg am 11. September 7 Uhr morgens schlägt, beginnt für sie das Jahr 2009. Es steht im Zeichen Johannes des Täufers. An ihn wird bei „Kdus Yohannes“, wie das Fest auch heißt, erinnert, weil er als Symbolfigur für den Übergang vom alten zum neuen Testament gilt.
Die weltliche Feier zum neuen Jahr, das am Sonntag mit einem Gottesdienst zelebriert wird, findet bereits am Vorabend des Jahreswechsels statt. Los geht es also am Samstag um 17 Uhr im Don Bosco-Bildungszentrum, ein festes Ende gibt es nicht. Neben Äthiopiern christlich-orthodoxen, evangelischen und muslimischen Glaubens sind alle Würzburger Bürger willkommen.
Das Neujahrsfest zu feiern, ist für Äthiopier keine konfliktfreie Sache. Pure Ausgelassenheit wäre fehl am Platz, sagt Wogasso. Dafür sei die politische Situation in Äthiopien zu katastrophal: „Wir werden eine Schweigeminute einlegen für alle Menschen, die bei den jüngsten Unruhen ihr Leben verloren haben.“ Aus diesem Grund wird es heuer auch keine Musik geben und es wird nicht getanzt. Aber nicht nur deshalb wird das Fest etwas ruhiger. Es soll auch kein Feuerwerk geben. Dafür viel Geld auszugeben, wäre für die oft armen Familien in Äthiopien unverständlich, so Wogasso: „Jeder von uns, dem das möglich ist, schickt Geld nach Hause, um Eltern oder Geschwister zu unterstützen.“ Dankbar sind die Äthiopier, dass sie die Don Bosco-Räume umsonst nutzen dürfen.
Aber natürlich soll es kein trauriges Fest werden. Für Freude werden äthiopische Spezialitäten sorgen. Auf keinen Fall darf das Rindfleischgericht Kitfo fehlen. Auch wäre ein Neujahrsfest ohne das Fladenbrot „Injera“ undenkbar. „Injera“ gibt es in Äthiopien zu nahezu jedem Essen, erklärt Wogasso: „Und zumindest in ländlichen Gebieten ist es heute nach wie vor so, dass eine Frau, die heiraten will, unbedingt imstande sein muss, Injera herzustellen."
Zum Fleisch werden verschiedene Soßen gereicht. Typisch ist die Rote Soße „Key Wot“, die aus Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten besteht. „Alicha“ nennt sich die traditionelle Gelbe Soße. Sie ist mit Kurkuma gewürzt und nicht allzu scharf.
Das Essen schließt mit einer Kaffeezeremonie ab. Kaffee, sagt Wogasso, hat in Äthiopien eine große Bedeutung. Schließlich wird die südwestäthiopische Region Kaffa als Ursprungsland des Kaffees angesehen.