Hinter den heruntergelassenen Rollos in der Pleicherkirchgasse schlummert etwas Besonders: Eine Metzgerei aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, bestens erhalten und komplett. Die Ladeneinrichtung, die Maria Kuhn in ihrem Haus aufbewahrt, gehört eigentlich ins Museum. Am besten ins neue Staatsmuseum für Bayerische Geschichte, das der Freistaat bis 2018 errichten will.
Würzburg hat sich um das 25-Millionen-Euro Projekt beworben und die Main-Post unterstützt das mit einer Leseraktion: Die Würzburger sind aufgerufen, in den nächsten Wochen Erinnerungen zu präsentieren und zu erzählen.
Denn im Konzept des neuen Museums mit Schwerpunkt auf dem 20. Jahrhundert spielen die Bürger eine entscheidende Rolle. Wie 2009 bei der Landesausstellung „Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“ sollen dort Zeitzeugen zu Wort kommen.
Erinnerungsstücke
Dass es in Würzburg besonders viele historisch interessierte Bürger gibt, wollen wir mit Hilfe unserer Leser in den nächsten Wochen bis zur Entscheidung der Jury in München zeigen: In Beiträgen über Erinnerungen und Erinnerungsstücke.
„Wir freuen uns, wenn die Bürger unsere Bewerbung unterstützten“, sagt Kulturreferent Muchtar Al Ghusain zur Aktion der Main-Post. 24 Städte bewerben sich um das Museum. Ende des Jahres soll die Entscheidung fallen.
Die Stärken Würzburg liegen in der Verbindung von Tradition und Moderne, seinen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen und dem geplanten Standort Mozart-Areal. Zwischen Hof- und Maxstraße läge das neue Museum zentral und gleichzeitig in historischer Umgebung. „Die ganze Region steht hinter der Bewerbung“, nennt Al Ghusain einen weiteren Vorteil der Stadt.
Ein anderer Pluspunkt Würzburgs sind seine historisch interessierten Bürger und ihre Schätze, wie zum Beispiel die Metzgerei Kuhn in der Pleicherkirchgasse 14.
„Das Fleisch wurde jeden Morgen mit dem Handwagen vom Schlachthaus abgeholt“, erzählt die 77-jährige Maria Kuhn, die in der Pleich als Maja bekannt ist. Denn ein Kühlhaus gab es nicht. Das Haus am Kirchplatz ist nicht viel jünger als sein Nachbar: das 1521 gebaute Handwerkerhaus, der Sitz des Verschönerungsvereins.
Hinter der schwarz-weiß gekachelten Metzgertheke stand Maja Kuhn aber nie. Der Laden wurde von ihren Schwiegereltern betrieben und bereits in den 50er Jahren geschlossen. Genutzt wird er seitdem nur noch als Abstellraum.
Vom vergangenen Leben in der Pleich weiß sie aber viel. In der Gerbergasse 1934 geboren, ging sie in die Pleicher Schule, dann arbeitete sie in der Polsterei ihrer Eltern, heiratete in einen Tante-Emma-Laden in die Pleicherkirchgasse hinein. „Weit gekommen bin ich nicht,“ scherzt sie.
„Doch, nach dem Angriff lebten wir bis 48 am Mönchberg. Was haben wir da unsere Pleich vermisst.“ Denn in den engen Gassen zwischen Juliusspital und Röntgenring gab es alles: Schreiner, Schneider, Bäcker, Metzger ....
Und Freudenmädchen. „Die waren eigentlich ganz nett“, erzählt Maja Kuhn von den Nachbarinnen in der Nummer 1. Zum Beispiel die Frau, die für ihren Hund „Prinz“ immer frisches Hähnchen eingekauft hat.
Immer rosig waren die vergangenen Zeiten nicht. Denn das Leben bestand aus viel, viel Arbeit. Die kleine Maja schleppte die Wäsche der sechsköpfigen Familie ans Waschschiff an den Main. Später nähte sie im Zehn-Mann-Betrieb ihres Vaters schwere Verdunkelungsvorhänge fürs Krankenhaus. „Da tun mir heute noch die Finger weh, wenn ich dran denke.“ Im Tante-Emma-Laden stand sie bis nachts, am Sonntag wurden im Garten in der Dürrbachau die Quecken gehackt.
Hungern musste sie nach dem Krieg nicht. Aber an den Geschmack eines Stücks Wurst, das ihr der Opa zugesteckt hatte, erinnert sie sich noch heute. „Auf das Essen an einer Kommunion haben wir uns einen ganzen Monat lang gefreut.“
Ansonsten gab es zweimal die Woche Mehlspeisen und am Samstag Suppenfleisch. „Das haben wir mit Marken gekauft.“ Mit diesen stand sie in der Nachkriegszeit auch in der Metzgerei „Kuhn“ in der Pleicherkirchgasse, deren Ladeneinrichtung heute ins Museum gehört.
Für die Serie „Das Bayerische Staatsmuseum gehört nach Würzburg“ sucht die Redaktion Leser, die etwas zeigen und erzählen möchten. Bitte melden: Main-Post, Lokalredaktion Würzburg, Berner Straße 2, 97084 Würzburg,
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