Hoch über dem Maintal sein vorübergehendes Domizil in einem alten Bahnhof aufzuschlagen und dabei die ganze Nostalgie des Hauses aus den vergangenen Jahren auf sich einwirken zu lassen, das hat einen bestimmten Reiz. Das dachte sich 2016 auch Wolfgang Hrapia vom nahegelegenen ehemaligen Betriebswohnhaus und machte sich an die Umbauarbeiten. Seine Schiwegermutter hat in den 80er Jahren den Bahnhof vom Künstler Kleinlein, der das Haus als Atelier für Mal- und Tontechnik genutzt hatte, gekauft. 2013 hat seine Frau Heike die Bahnstation geerbt.

In seinem Buch "Die Mainschleife und ihre Eisenbahnen" schreibt Wolfgang Schramm: Die Station Eisenheim wurde im Zuge des Neubaus der Eisenbahnstrecke Seligenstadt- Volkach von der damaligen Königlich-Bayerischen Staats-Eisenbahn nach langen Diskussionen in den angrenzenden Dörfern Prosselsheim, Eisenheim, Escherndorf, Vogelsburg, Astheim und Volkach mit positivem Ausgang für den Bahnbau ab 1906 gebaut und am 14. Februar 1909 feierlich eröffnet.
Bahn fuhr früher fast im Stundentakt durch Eisenheim
Von Beginn an bis Ende der dreißiger Jahre wurde die zehn Kilometer lange Bahnstrecke von Seligenstadt bis Volkach tagsüber fast im Stundentakt genutzt. Im Personenverkehr, besonders an den Sonntagen, wurde gerne in der Station Eisenheim Halt gemacht, um in dem sehr beliebten Weiler Kaltenhausen in der dortigen Brauerei Hochrein einzukehren. Aber auch im Lastverkehr mit Produkten aus der Region wie Obst zur Obsthalle in Volkach und von da in ganz Deutschland wurde die Bahn genutzt. Im Gegenzug kamen zum Beispiel Kohle und Baumaterialien nach Untereisenheim zum Baustoffhändler Kilian Herold.

Aus Kostengründen wurde die Strecke am 28. Mai 1994 mit dem Einbau einer Gleissperre offiziell stillgelegt. Ein rühriger Personenkreis wollte dies nicht hinnehmen und gründete im März 2001 die Interessengemeinschaft Mainschleifenbahn, aus dem später der gleichnamige Förderverein entstand, der zusammen mit den anliegenden Orten Prosselsheim, Eisenheim, Escherndorf und Volkach sowie den Landkreisen Kitzingen und Würzburg bis heute aktiv um die Wiederbelebung der Bahn kämpft.
Die Echtheit des Eisenheimer Bahnhofs nicht zerstören
Der Verein bekam im Januar 2002 von der DB einen Pachtvertrag über 25 Jahre für die Streckennutzung. Heute wird die Strecke Seligenstadt Volkach in Eigenregie vom Förderverein Mainschleifenbahn an den Wochenenden vom 1. Mai bis zum 15. Oktober 2023 immer sonn- und feiertags mit einem festen Fahrplan mit einem Schienenbus befahren.
Dies alles muss man wissen, um die Bahnstation Untereisenheim zu verstehen. Denn das Haus war kein Wohnhaus, sondern eher eine auf die Bedürfnisse hin zugeschnittene Funktionshalle mit Warendurchgangsraum, Fahrkartenschalter und kleinem Aufenthaltsraum. Der heutige Hausbesitzer Wolfgang Hrapia wollte diesen Charakter nicht zerstören und alle Funktionsteile sollten weiter an ihrem Platz bleiben, um so die Echtheit und damit die Besonderheit eines solchen Ferienhauses zu erleben.

Stand früher die Station Untereisenheim frei ohne Baum und Buschwerk auf dem Hügel, so ist heute das stille Kleinod mit Bäumen und Büschen komplett zugewachsen, sodass das Haus auf den ersten Blick nur versteckt wahrzunehmen ist und von der Straße her als solches nicht zu sehen ist. Auch heutige Bahnfahrer können nur für einen kurzen Augenblick das Haus mit der großen Stationstafel Untereisenheim erkennen.
Vergitterte Fenster und ein großes Loch im Boden
Fährt man als Besucherin oder Besucher von der Staatsstraße Kürnach - Volkach kommend den Hügel hinauf und sieht die beiden Andreaskreuze vor dem Bahnübergang, so liegt rechts das Haus und ein etwas verwittertes Schild weist auf die Ferienwohnung hin. Dann beim weiteren Zugehen prangert in großen Lettern das ehemalige Stationsschild Untereisenheim an der Giebelwand dem Besucher oder der Besucherin entgegen.
Bei der Umgestaltung des Bahnhofs zur Ferienwohnung erzählt Wolfgang Hrapia, dass er die Ladeschiebetüren und die Dielen im Wohnbereich, die früher als Lagerzwischenraum dienten, so beließ, wie sie waren. Aber es war eine echte "Schufterei", die Dielen, die krumm und schräg und vernagelt sind, einigermaßen sauber zu bekommen. Auch die vergitterten Fenster zum Schutz gegen Diebstahl hat er original belassen, denn früher war in dem Raum nicht nur wertvolle Ladung, sondern auch in der Ecke die Fahrkarten-Ausgabe.

In der Mitte des Wohnraums ist ein 100 mal 60 Zentimeter großes Loch im Fußboden. Hier stand früher zum Wiegen der Ware eine Waage. Heute ist die Waage ausgebaut und eine Vase mit hauseigenen Blumen schmückt den Raum. Lange hat Hrapia überlegt, das Haus winterfest zu machen. Doch schnell hat er sich von diesem Gedanken befreit, denn durch diese Baumaßnahme wären die Wände stärker geworden und die Fenster wären in dieser Dicke fast verschwunden. Außerdem hätte er den Fußboden isolieren müssen, was den faszinierenden Lagercharakter total zerstört hätte. Durch diesen Kompromiss ist das Haus in den Wintermonaten vom 20. November bis 1. März geschlossen.
Die Gäste erkunden das schöne Maintal oft mit dem Fahrrad
Der Hauseingang ist auf der Südseite. Den großen Küchen- und Wohnbereich erreicht man über eine kleine Treppe. Vom Wohnbereich kommt man über die ehemalige Schiebetür in den Außenbereich mit einer kleinen Terrasse, die vom Hausherrn mit vielen herrlichen Blumen geschmückt ist. Der Schlafraum hat auch vergittere Fenster, denn das war das Dienstzimmer, in dem Bargeld und Fahrkarten gelagert waren. Im ehemaligen Wartebereich hat der Hausherr eine komfortable Dusche mit Toilettenanlage eingebaut. Das Haus hat einen über Kabel zugeführten Stromanschluss und einen Kommunikationsanschluss für Telefon und Internet.

Nach drei Jahren Umbauzeit zogen 2019 seine ersten Mieter, ein Paar aus Holland, ein. Sie merkten an, dass das Haus "Im Eingangsbereich des Paradieses" liege. Seither ist das Haus durchgehend belegt. Die meisten Gäste kommen aus Großstädten mit einem gehobenen Einkommen und wollen hier einfach mal ausspannen. Oft bringen sie ihr eigenes Fahrrad mit und erkunden die Gegend rund um das schöne Maintal, so der Hausherr. Das Haus hat Platz für vier Erwachsene und zwei Kinder.




