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Würzburg: Eltern flohen als "Boat People" aus Vietnam, er wurde Forscher: Maik Luu ist 29 und jetzt Medizin-Professor in Würzburg

Würzburg

Eltern flohen als "Boat People" aus Vietnam, er wurde Forscher: Maik Luu ist 29 und jetzt Medizin-Professor in Würzburg

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    Ist seit Mai 2023 Juniorprofessor in der Würzburger Universitätsmedizin: Maik Luu. Der 29-Jährige forscht über das Mikrobiom im Darm und seine Auswirkungen bei Krebs.
    Ist seit Mai 2023 Juniorprofessor in der Würzburger Universitätsmedizin: Maik Luu. Der 29-Jährige forscht über das Mikrobiom im Darm und seine Auswirkungen bei Krebs. Foto: Patty Varasano

    Es gibt Karrieren, die sind vorgezeichnet – durch das Elternhaus, Bildung, finanzielle Mittel. Und dann gibt es so ungewöhnliche Senkrechtstarter wie Maik Luu: Mit erst 29 Jahren ist der Humanbiologe jetzt Juniorprofessor in der Würzburger Universitätsmedizin. Was Luus Weg besonders macht: Seine Eltern waren als "Boat People" 1980 mit der Cap Anamur aus dem kriegsgebeutelten Vietnam nach Deutschland gekommen, "mit nichts als dem Hemd am Leib".

    Hinter dem Erfolg stecken harte Arbeit und Disziplin

    Supertalent, Wunderkind, Überflieger? Nichts dergleichen, sagt Maik Luu. Er habe zwar ein gutes Verständnis für biochemische Prozesse und könne sich Dinge bildlich gut vorstellen. "Aber mir wurde nichts geschenkt." Er habe sich alles hart erarbeitet, mit Disziplin, Willen und hohem Zeitaufwand. Es gab Phasen in den vergangenen zehn Jahren, da kam er mit vier bis fünf Stunden Schlaf aus. Credo des Forschers: "Viel investieren, und einen Teil der Chancen bestmöglich verwerten."

    So kann er jetzt bereits eine bemerkenswert hohe Zahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen vorweisen. Und weil er an der Universität Marburg schon während des Bachelor-Studiums ausgezeichnete Leistungen ablieferte und Laborerfahrung sammelte, erhielt er die Erlaubnis, direkt im Anschluss zu promovieren. Mit 25 hatte Luu den Doktortitel. Seit zwei Jahren forscht er jetzt an der Uniklink Würzburg im Team von Prof. Michael Hudecek zur Immuntherapie bei Krebs – und hat sich auch hier schnell Respekt verschafft.

    Die Tenure-Track-Professur für Translationale Medizin ist ein vorläufiger Höhepunkt: Damit ist der Humanbiologe für sechs Jahre "Prof auf Probe" – mit der guten Aussicht auf eine unbefristete Stelle. Diese Sicherheit tue gut, sagt Luu. Zehn Jahre habe er dafür richtig "geackert". Und engagierte sich in Marburg trotz allem auch noch im Tierheim.

    Steht jetzt weniger im Labor, stattdessen bei Vorlesungen im Hörsaal: Maik Luu, Juniorprofessor für Translationale Medizin an der Uni Würzburg.
    Steht jetzt weniger im Labor, stattdessen bei Vorlesungen im Hörsaal: Maik Luu, Juniorprofessor für Translationale Medizin an der Uni Würzburg. Foto: Patty Varasano

    Vor wenigen Tagen hielt Luu seine erste Vorlesung im Würzburger Hörsaal. Man könnte ihn mit seinem kecken Haarschnitt auch für jünger als 29 halten – und ja, ein Teil der Studierenden sei etwas verwirrt gewesen: Das ist der Professor? Doch sie müssen schnell gemerkt haben, dass der Mann am Mikro etwas auf dem Kasten hat. Das Feedback zur Vorlesung sei jedenfalls überaus positiv ausgefallen, freut sich Luu. Er sprach über sein Spezialthema: den Einfluss des Mikrobioms im Darm auf die Entstehung, Entwicklung und Bekämpfung von Krebs.

    Junger Professor überrascht die Medizin-Studierenden

    Schon altersbedingt sei er den Studierenden näher, sagt Luu: "Ich kann mich in sie hineinversetzen und Dinge vielleicht besser rüberbringen." Er selbst wolle nicht respektiert werden, weil er Professor sei – "sondern für das, was ich mache und wie ich mit Menschen umgehe."

    Seine Eltern, die Bootsflüchtlinge aus Vietnam? Sie seien stolz, dass ihre beiden Söhne in Deutschland erfolgreich durchs Leben gehen und ein gesichertes Auskommen haben, sagt der 29-Jährige. Bei ihrer Flucht war seine Mutter hochschwanger. Luus Bruder, 13 Jahre älter, arbeitet als leitender Sozialpädagoge und Therapeut in Hamburg. 

    Stolz auf den Doktortitel: Maik Luu (3. v.l.) anlässlich seiner Promotion im Jahr 2019 mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder.
    Stolz auf den Doktortitel: Maik Luu (3. v.l.) anlässlich seiner Promotion im Jahr 2019 mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder. Foto: Fotohaus Brigitte Averdung-Häfner

    Materiell konnten die Eltern ihren Kindern nicht viel mitgeben. Sie schlugen sich in Deutschland erst als Erntehelfer durch und betrieben später ein asiatisches Restaurant und eine Schneiderei. "Sie waren dankbar, dass sie mit offenen Armen in Deutschland aufgenommen wurden und die Chance bekamen, sich eine Existenz aufzubauen."

    Was Maik Luu von seinen Eltern mitgenommen hat? "Demut und Dankbarkeit". Und das Bewusstsein, dass man für alles hart arbeiten müsse – "nichts fällt einem in den Schoß". Und auch einen Auftrag gaben die Eltern den Söhnen mit: "Gebt immer Euer Bestes und leistet Euren Beitrag für die Gesellschaft."

    "Gebt immer Euer Bestes und leistet Euren Beitrag für die Gesellschaft"

    Botschaft von Maik Luus Eltern an ihre beiden Söhne

    Ein großes Glück seien die Nachbarn im rheinischen Eschweiler bei Aachen gewesen, wo er aufgewachsen ist: Die Webers halfen der vietnamesischen Familie von Beginn an. "Sie waren für uns wie Oma und Opa, sie hatten uns gewissermaßen adoptiert", erinnert sich der 29-Jährige an das ältere Ehepaar.

    Früh lernte Maik Luu aber auch deutsche Schattenseiten kennen. Rassismus – für ihn als Kind mit asiatischem Aussehen ein ständiger Begleiter. "Man wurde gemobbt oder landete auch mal in der Mülltonne."

    Hüpfburg-Eklat brachte bundesweite Aufmerksamkeit und rassistische Angriffe

    Und dann der Juni 2012: Maik Luu hatte eine Klasse übersprungen, mit 18 gerade sein Abitur gemacht und fragte als Jahrgangssprecher bei einer Verleihfirma um eine günstige Hüpfburg für den Abi-Scherz an.

    Statt der Hüpfburg erhielt der 18-Jährige eine krasse Abfuhr. Die Abiturienten wurden als Schnorrer und zukünftige Arbeitslose beleidigt. Ein Eklat, den Luu öffentlich machte und der bundesweit Wellen schlug, "Spiegel" und "Stern" berichteten damals über den "Hüpfburg-Krieg von Eschweiler". In den sozialen Medien kochte der Fall hoch – mit unangenehmen Folgen für ihn und seine Familie, erzählt Luu. Es habe wüste rassistische Beschimpfungen und sogar Morddrohungen gegeben. "Das war eine prägende Zeit."

    Inzwischen hat der Forscher dieses Kapitel abgehakt. Im internationalen Uni-Geschäft sei für Rassismus ohnehin kein Platz. Er selbst fühlt sich "sehr eingedeutscht". Freunde sagen: wie  "eine deutsche Kartoffel mit vietnamesischen Wurzeln".

    Medizin-Professor Maik Luu ist auch ausgebildeter Trainer des Deutschen Alpenvereins für Einsteiger-Kletterkurse – hier mit einer Gruppe in Marburg im Februar 2019.
    Medizin-Professor Maik Luu ist auch ausgebildeter Trainer des Deutschen Alpenvereins für Einsteiger-Kletterkurse – hier mit einer Gruppe in Marburg im Februar 2019. Foto: Tobias Ehmer

    Viel wichtiger als seine Herkunft ist Maik Luu, der nur den deutschen Pass hat, sowieso die medizinische Arbeit. Als Juniorprofessor an der Universität kommt ihm jetzt neben der Forschung jede Menge Arbeit zum Beispiel für Lehre und Verwaltung zu.

    Anträge schreiben, Drittmittel einwerben, Videokonferenzen halten: Aktuell bleibt dem 29-Jährigen  wenig Zeit für seine Hobbys. Kochen, Gitarre, Tischtennis – oder Klettern. Maik Luu ist ausgebildeter, ehrenamtlicher Trainer beim Deutschen Alpenverein, in Marburg gab er Einsteigerkurse. Vielleicht trifft man den 29-Jährigen also auch in Würzburg mal an einer Kletterwand. Hoch hinaus will er in jedem Fall.

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