Gebannt verfolgen die Beteiligten im Mordprozess von Wiesenfeld an diesem Freitag im Landgericht Würzburg dieses Video von 2021: Die Aufnahme eines langen Polizeiverhörs in Würzburg dokumentiert den dramatischen Moment, an dem es ernst wurde für den Angeklagten im Mordfall Sabine B..
Stundenlang hatte der Verdächtige den Mordermittlern in der Vernehmung erklärt, er könne sich nach fast 30 Jahren an nichts mehr erinnern. Nicht an die Fakten, die er in neun vorausgegangen Befragungen seit 1993 genannt hatte. Nicht an die zwei Begegnungen mit dem 13-jährigen Mädchen am Tag ihres Todes.
Ermittler zum Verdächtigen im Verhör: "Wir haben Ihre DNA am Tatort gefunden"
Sabine B. war im Dezember 1993 im Stall eines Reiterhofs in Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) vergewaltigt und getötet worden.
In dem Verhör 2021 konfrontiert ein Ermittler den Verdächtigen: "Wir haben Ihre DNA am Tatort gefunden." Er fordert Erklärungen: Hat der Verdächtige, vielleicht mit einem Komplizen, Sabine vergewaltigt, getötet und in der Güllegrube versteckt? "Schmarrn", grollt der Beschuldigte. Erst lebhaft, dann fassungslos: "Ich war das nicht", sagt er. Und: "Das muss ein Irrtum sein."
Seit seiner Festnahme 2021 schweigt der heute 47-Jährige, der sich jetzt wegen Mordes vor Gericht verantworten muss. Die wenigen Worte von ihm auf dem Verhörvideo sind mehr, als er in den bislang acht Verhandlungstagen auf der Anklagebank sagte.
Ein Holzpfahl und neue Beweise der Rechtsmedizin vor Gericht
Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster zeigt den Prozessbeteiligten an diesem Freitag pflichtgemäß den etwa 160 Zentimeter langen Holzpfahl, mit dem das Mädchen malträtiert worden war, nachdem man ihm von hinten die Luft abgedrückt hatte. Da müssen nicht nur die Eltern der Getöteten schlucken, die als Nebenkläger in der nichtöffentlichen Verhandlung dabei sind.
Als dann Bilder von der Obduktion der Leiche gezeigt werden, verlässt Sabines Mutter fluchtartig den Saal. Im Gegensatz zu ihr zeigt der Angeklagte, der eine Reihe vor ihr sitzt, auch jetzt keinerlei Regung.
Rechtsmediziner: "mit hoher Wahrscheinlichkeit" DNA des Angeklagten in Blut am Tatort
Auch neue objektive Befunde belasten inzwischen den Angeklagten: Der Erlanger Rechtsmediziner Peter Betz und Diplom-Biologin Theresa Seider wiesen mit modernen wissenschaftlichen Methoden nicht nur an der Kleidung des Mädchens mehrere Spuren des Angeklagten nach. Auch in einem Blutfleck vom Tatort wurde den Gutachtern zufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit seine DNA gefunden.
"Ich will wirklich wissen, was damals passiert ist. Sie sind der einzige, der uns das sagen kann".
Richter Thomas Schuster zum Angeklagten
Das Mädchen sei nicht erst in der Güllegrube bewusstlos geworden und ertrunken, sagt Betz. Die 13-Jährige sei gestorben, als ihr die Luft abgedrückt und mit dem Pfahl Gewalt angetan wurde. Der Leiter der Erlanger Rechtsmediziner äußert heftige Kritik und spricht von Fehlern in den alten Gutachten der Würzburger Rechtsmedizin.
Die Befunde stützen die These von Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach: Die Anklage geht von Mord zur Vertuschung des sexuellen Übergriffs mit dem Holzpfahl aus.
Anwalt der Eltern und Vorsitzender Richter appellieren an den Angeklagten
Dann wird es an diesem achten Prozesstag am Landgericht emotional: Im Namen von Sabines Eltern appelliert Anwalt Jan Paulsen an den Angeklagten, sein Schweigen zu brechen. Ein Freispruch sei "inzwischen sehr unwahrscheinlich". Neben Mord sei auch das Delikt einer Vergewaltigung mit Todesfolge aus seiner Sicht noch nicht verjährt, sagt Paulsen. Die Familie habe "massives Interesse" daran, endlich zu erfahren, was 1993 auf dem Reiterhof passiert sei.

Und der Vorsitzende Thomas Schuster spricht den Angeklagten direkt an: Entweder er sei unschuldig oder "ein verdammt guter Schauspieler, was ich nicht glaube". Oder aber er habe die Erinnerung verdrängt. "Das halte ich für am wahrscheinlichsten", sagt Schuster. Und drängt: "Ich will wirklich wissen, was damals passiert ist. Sie sind der einzige, der uns das sagen kann".
Der Angeklagte hat nun mehr als eine Woche Zeit zum Überlegen. Der Prozess wird am 10. Oktober fortgesetzt.