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Giebelstadt: Enteignungen und ein tödliches Hubschrauber-Unglück: Wie der Flugplatz Giebelstadt die Gemeinde bis heute prägt

Giebelstadt

Enteignungen und ein tödliches Hubschrauber-Unglück: Wie der Flugplatz Giebelstadt die Gemeinde bis heute prägt

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    Die Menschen standen auf Garagen und säumten die Straßen, um die Parade der Flugabwehrpanzer M163 zu sehen, die 1970 anlässlich der 1150-Jahr-Feier Giebelstadts durch den Ort rollte.
    Die Menschen standen auf Garagen und säumten die Straßen, um die Parade der Flugabwehrpanzer M163 zu sehen, die 1970 anlässlich der 1150-Jahr-Feier Giebelstadts durch den Ort rollte. Foto: Privatsammlung Werner Mantel

    Gerade erst ist sein vierter Band der Flugplatz-Giebelstadt-Reihe erschienen – doch hinter den Kulissen ist Robert Popp schon viel weiter: Band fünf wird gerade Korrektur gelesen, gleichzeitig schreibt der 75-jährige Giebelstädter bereits an Band sechs. Sein Ziel: Im kommenden Jahr im August will er zwei Bücher gleichzeitig herausbringen.

    Der Giebelstädter Hobbyarchivar und Autor Robert Popp hat den vierten Band seiner Flugplatz-Giebelstadt-Reihe herausgebracht - Band fünf und sechs sind schon in Arbeit.
    Der Giebelstädter Hobbyarchivar und Autor Robert Popp hat den vierten Band seiner Flugplatz-Giebelstadt-Reihe herausgebracht - Band fünf und sechs sind schon in Arbeit. Foto: Catharina Hettiger

    Wie die bisherigen drei Bände beschreibt das vierte Buch des Autors in chronologischer Reihenfolge die militärischen und nicht militärischen Ereignisse in Giebelstadt rund um den Flugplatz. "Giebelstadt und sein Flugplatz, 1966 – 1975" heißt das 318-seitige Buch, in dem es unter anderem um die Besitzverhältnisse des Flugplatzes geht, sowie um Besetzungen und Beschlagnahmungen von Land durch das amerikanische Militär in und um Giebelstadt. Auch ein tödliches Hubschrauberunglück auf dem Flugplatz fällt in diese Zeit.

    Enteignungen bedrohten die Existenz von Giebelstädter Landwirten

    Dass Robert Popp für seine Flugplatz-Reihe auf ein so umfangreiches Archiv an Bildern und Texten zurückgreifen kann, liegt an seiner langwierigen und gründlichen Vorarbeit. "Viel Stoff für meine Bücher habe ich aus dem Archiv Giebelstadt", so der Hobby-Archivar. Dort habe er alles nach Infos zum Flugplatz durchforstet, die Sachen "in Pappkartons im Handwägele nach Hause gebracht, sortiert, das Material händisch eingescannt und wieder ins Archiv zurückgebracht".

    In dieser Materialfülle fanden sich auch die Enteignungsbeschlüsse ab Mitte der 60er Jahre, die sechs Landwirte in Giebelstadt betrafen. Beim Lesen der seitenlangen, mit Paragraphen gespickten Texte wird klar, wie sehr diese Beschlüsse die Landwirte in Bedrängnis gebracht und teils auch ihre Existenz bedroht haben mussten. "Es ist nicht zutreffend, (…) daß es sich bei der von mir betriebenen Landwirtschaft um einen auslaufenden Betrieb handelt, denn so wie ich darauf angewiesen bin, neben meinem Herrenfriseurhandwerk meinen landwirtschaftlichen Betrieb aufrechtzuerhalten, um meine Existenz zu sichern, wird es auch mein Sohn sein, wenn er Geschäft und Landwirtschaft übernimmt", versucht sich etwa 1966 ein Giebelstädter Landwirt und Friseur mit einem Widerspruch gegen die Enteignung zu wehren.

    Tausende von Menschen verfolgten 1970 die Feiern zum 1150-jährigen Bestehen Giebelstadts. Im Bild: der US-Musikcorps am Marktplatz (im Hintergrund: MIM-23, ein mobiles Flugabwehrraketensystem).
    Tausende von Menschen verfolgten 1970 die Feiern zum 1150-jährigen Bestehen Giebelstadts. Im Bild: der US-Musikcorps am Marktplatz (im Hintergrund: MIM-23, ein mobiles Flugabwehrraketensystem). Foto: Privatsammlung Karl-Heinz Decker

    Franz-Josef Strauß fädelte den "Giebelstadt-Vertrag" ein

    Auch die besonderen Besitzverhältnisse des Flugplatzes Giebelstadt sind Thema des Buches. Nachdem 1959 die ersten Bundeswehrsoldaten auf dem Flugplatz Giebelstadt eingesetzt worden waren, wurde der Platz 1961 auf Initiative des damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß ins Ressortvermögen der Bundeswehr überführt. Zur gleichen Zeit wurde die Standortverwaltung Giebelstadt gegründet und ein Versorgungsabkommen zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der United States Air Forces in Europa geschlossen. "Somit hat der Flugplatz der Bundeswehr gehört", sagt Popp. Bis 1972 wurde er von US-Armee und Bundeswehr gemeinsam genutzt. 1972 verzichtete die Bundeswehr auf die weitere Nutzung – der Flugplatz wurde aber gemäß dem Abkommen weiterhin gemeinsam betreut. "Dieser sogenannte Giebelstadt-Vertrag war einmalig in der Bundesrepublik Deutschland", so Popp.

    An seinem ersten Buch über den Flugplatz hat der 75-Jährige eineinhalb Jahre gearbeitet – den aktuellen Band hat er in einem Drittel der Zeit geschrieben. Unterstützung bekommt er dabei von vielen Seiten: Während ein Freund ihn bei Fragen rund um den Druck des Buches berät, überprüft ein anderer, ob die Bezeichnungen von Flugzeugen und anderen Maschinen im Buch korrekt sind. Enkelin Vanessa Popp wiederum übersetzt mithilfe einer Übersetzungssoftware englischsprachige Dokumente ins Deutsche. Korrektur liest, ebenfalls ehrenamtlich, eine Bekannte Popps. Und: "Meine Frau hält mir den Rücken fürs Schreiben frei", sagt Popp. Das nimmt viel Zeit ein: Zwischen halb zehn und 19 Uhr sitzt der Giebelstädter am Schreibtisch, oft "sieben Tage die Woche".

    Der Autor und sein Arbeitsplatz: Hier schreibt Robert Popp die Bücher über den Flugplatz Giebelstadt.
    Der Autor und sein Arbeitsplatz: Hier schreibt Robert Popp die Bücher über den Flugplatz Giebelstadt. Foto: Catharina Hettiger

    Beim amerikanischen Volksfest lernten die Giebelstädter Hamburger und Hotdogs kennen

    Beim Schreiben des vierten Bands wurden beim Autor auch viele persönliche Erinnerungen wach: Vor allem die großen Paraden anlässlich des Jubiläums "1150 Jahre Giebelstadt" sind ihm im Gedächtnis geblieben: "Für Tausende Besucher der 1150-Jahr-Feier von Giebelstadt war (…) das militärische Schauspiel ein Höhepunkt", zitiert Popp aus der Ochsenfurter Zeitung vom 29. August 1970. "Der Tag der Streitkräfte unterstrich eindrucksvoll die Bedeutung der Marktgemeinde als Garnisonsstadt. (…) Mit Stahlhelm und Gewehr paradierten die Bundeswehreinheiten, in Kettenfahrzeugen die amerikanischen Streitkräfte durch die Hauptstraße."

    Neben solchen Großereignissen findet man im vierten Band auch kleinere Höhepunkte aus dem Alltag der Gemeinde Giebelstadt, die eine Ahnung vom damaligen Lebensgefühl vermitteln: So zum Beispiel ein Zeitungsbericht vom 7. Juli 1966 über das amerikanische Volksfest anlässlich des amerikanischen Unabhängigkeitstages: "Ein großer Vergnügungspark war aufgebaut. Es gab dabei die amerikanischen Spezialitäten wie 'Hotdogs', 'Hamburgers' und 'Ice Cream' (…). Viele Besucher ließen sich diese 'Kostbarkeiten' nicht entgehen. Deshalb kam es am Sonntag soweit, dass der Ice-Cream-Stand infolge der überaus starken Nachfrage ausverkauft war."

    Sehr beliebt bei den Giebelstädtern beim amerikanischen Volksfest waren Hotdogs, Hamburger und Ice-Cream.
    Sehr beliebt bei den Giebelstädtern beim amerikanischen Volksfest waren Hotdogs, Hamburger und Ice-Cream. Foto: Privatsammlung Hans Stenzel

    Auch die regelmäßig eingestreuten "Wochenberichte der Polizei" bieten interessante und teils amüsante Einblicke: "Am 18. Mai (1974) wurde (…) ein in Giebelstadt stationierter US-Soldat nach einem Einbruchdiebstahl in die Molkerei der Firma Gervais-Danone in Ochsenfurt durch die Initiative einiger beherzter Bürger aus Ochsenfurt nach kurzer Verfolgung festgenommen und der Polizei übergeben. Das Diebesgut, etwa 1000 Stück Rahmbecher wurden sichergestellt."

    In Robert Popps Werken finden durch die chronologische Aneinanderreihung der Ereignisse Alltägliches und Großes oder auch Schreckliches direkt nebeneinander statt. Liest man eben noch über einen US-Soldaten, der "einen über den Durst getrunken" und dabei mehrere Autos beschädigt hat, geht es wenige Zeilen später um ein tragisches Flugunglück, das Giebelstadt erschütterte. Ein Hubschrauber der US-Army war am 11. Juni 1973 während eines Demonstrationsfluges auf dem Flugplatz Giebelstadt in eine Menschengruppe des Flugsportclubs gerast, wodurch vier Menschen getötet und fünf zum Teil schwer verletzt wurden. Auch die Ermittlungen rund um das tödliche Hubschrauber-Unglück und die Frage, ob es sich um einen Dienstflug handelte, kann der Leser im weiteren Verlauf des Buchs verfolgen.

    Tragisches Unglück auf dem Flugplatz Giebelstadt: 1973 raste ein Hubschrauber der US-Army während eines Demonstrationsfluges in eine Gruppe des Flugsportclubs und tötete vier Menschen.
    Tragisches Unglück auf dem Flugplatz Giebelstadt: 1973 raste ein Hubschrauber der US-Army während eines Demonstrationsfluges in eine Gruppe des Flugsportclubs und tötete vier Menschen. Foto: Heußner (Main-Post)

    Welche Bedeutung der Flugplatz für Giebelstadt hatte und hat, lässt sich im Buch auch an der Entwicklung des heutigen Giebelstädter Ortsteils Klingholz erkennen. Das Waldstück Klingholz, das früher Landwirten aus der Gemeinde Essfeld gehörte, verwandelte sich von 1968 bis 1996 in eine Ausbildungsstätte für das gesamte Sanitätspersonal der Luftwaffe der Bundeswehr. Das Gelände mit der Emil-von-Behring-Kaserne war eine Art Ortschaft für sich – mit Wohn- und Bürogebäuden, Werkstätten, Lehrsaalgebäude, Krankenhaus und vielem mehr.

    Band 4 von "Giebelstadt und sein Flugplatz" ist über Robert Popp erhältlich: Tel.: (09334) 8127.

    Klingholz aus der Luft: Von 1968 bis 1996 war dort die Emil-von-Behring-Kaserne mit der Sanitätsschule der Luftwaffe der Bundeswehr ansässig.
    Klingholz aus der Luft: Von 1968 bis 1996 war dort die Emil-von-Behring-Kaserne mit der Sanitätsschule der Luftwaffe der Bundeswehr ansässig. Foto: Luftamt Nordbayern

    Flugplatz Giebelstadt2016 feierte der Flugplatz Giebelstadt sein 80-jähriges Bestehen. Das 265 Hektar große Gelände wurde bereits auf verschiedenste Art genutzt. Im südlichen Teil nimmt der Verkehrslandeplatz etwa die Hälfte der Fläche ein; der nördliche Teil ist als Gewerbegebiet "Airpark" ausgewiesen. Dazwischen befindet sich seit 2011 auf 40 Hektar eine Photovoltaikanlage.Der Flugplatz hat die Struktur Giebelstadts stark geprägt. Nach dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte Ende 2006, die Giebelstadt als Militärflugplatz betrieben hatten, fand eine Umwandlung zum Business-Airport statt. Heute hat der Flugplatz eine große wirtschaftliche Bedeutung für ganz Mainfranken. Neben Geschäftsreiseflügen und Sportflügen gehören Ambulanzflüge zu den drei Hauptgeschäftsfeldern des Flugplatzes. Die Firma Knauf aus Iphofen ist zusammen mit der Gemeinde Giebelstadt Eigentümer des Flugplatzes. cat

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