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Würzburg: Ermittlungen an Uniklinik Würzburg: Medizinrechtler erklärt, warum Arzthaftungssachen "einen langen Atem" brauchen

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Ermittlungen an Uniklinik Würzburg: Medizinrechtler erklärt, warum Arzthaftungssachen "einen langen Atem" brauchen

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    Wann hat ein Mediziner einen Fehler gemacht und wann nicht? Vor Gericht gehen die Meinungen dazu oft auseinander.
    Wann hat ein Mediziner einen Fehler gemacht und wann nicht? Vor Gericht gehen die Meinungen dazu oft auseinander. Foto: Symbolbild: Adobe Stock

    Gerade haben Vorgänge um zwei leitende Mediziner der Uniklinik Würzburg für Schlagzeilen gesorgt. Es soll zu Fehlern bei einer OP und deren Dokumentation gekommen sein – die Vorwürfe werden von den mittlerweile entlassenen Ärzten bestritten. Sie wehren sich vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigungen. Gleichzeitig ermittelt die Staatsanwaltschaft Würzburg zu einer Reihe weiterer Operationen, an der die beiden in unterschiedlicher Weise beteiligt gewesen sein sollen. Solange nichts Gegenteiliges bewiesen ist, gilt für beide Mediziner die Unschuldsvermutung.

    Von einer schnellen Aufklärung einer solchen Auseinandersetzung mit medizinrechtlichem Bezug ist nicht auszugehen. Dr. Alexander Lang, Fachanwalt für Medizinrecht der Kanzlei Steinbock aus Würzburg, erklärt, weshalb die Wahrheitssuche bei medizinischen Streitfällen so schwierig ist.

    Frage: Was ist überhaupt ein Behandlungsfehler und was nicht?

    Dr. Alexander Lang: Für alle Behandlungen gibt es einen sogenannten Facharztstandard: Das heißt, in der Regel ist in Leitlinien festgelegt, wie Mediziner auf bestimmte Beschwerden oder Erkrankungen reagieren oder wie sie eine OP durchführen müssen. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn Ärzten nachgewiesen werden kann, dass sie gegen diesen Facharztstandard verstoßen haben.

    Wo liegt der Unterschied zu einer Komplikation?

    Lang: Der Ausgangspunkt ist immer, dass eine Behandlung nicht wie erhofft verlaufen und eventuell ein Gesundheitsschaden eingetreten ist. Entscheidend ist die Frage, wie dieser Schaden verursacht wurde. Handelt es sich schlicht um ein Risiko einer Behandlungsmethode, etwas, das eintreten kann, auch wenn der Arzt alles richtig gemacht hat – dann ist das eine Komplikation. Wenn hingegen nachgewiesen ist, dass gegen Leitlinien verstoßen wurde – dann ist es ein Behandlungsfehler. Bei einer Komplikation stellt sich noch die Frage, ob darüber richtig und rechtzeitig aufgeklärt wurde.

    Wie wird aus einem vermuteten Behandlungsfehler ein Streitfall vor Gericht?

    Lang: Das ist oft ein langer Weg. Bei Arzthaftungssachen braucht man grundsätzlich einen langen Atem. Zu uns in die Kanzlei kommen Patienten in der Regel, weil sie einen Gesundheitsschaden erlitten haben, weil es ihnen zum Beispiel nach einer Operation schlechter als zuvor geht. Im Normalfall kann ich im ersten Gespräch als Anwalt noch nicht einschätzen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Deshalb fordern wir als Erstes alle Patientenunterlagen vom Behandler an, um zu sehen, was ist gemacht worden. Dazu gehören nicht nur der Arztbrief, sondern auch OP-Berichte bei einem Krankenhausaufenthalt, Eintragungen des Pflegepersonals oder Blutwerte.

    Bekommt man als Patient all diese Unterlagen ausgehändigt?

    Lang: Ja, es ist gesetzlich festgelegt, dass ein Patient jederzeit eine Kopie seiner Behandlungsunterlagen bekommen kann. Diese Unterlagen sind wichtig, ihr Inhalt ist in den meisten Fällen Grundlage eines späteren Gutachtens.

    Wie geht es für Patienten weiter, wenn sie alle Unterlagen haben?

    Lang: Wenn es aus unserer Sicht Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler gibt, fordern wir den Arzt auf, den Fall seiner Haftpflichtversicherung zu melden. Nach deren Prüfung gibt es drei Möglichkeiten: Entweder sie erkennen einen Behandlungsfehler an. Oder sie erkennen einen Fehler nicht an, wollen aber keine Auseinandersetzung und zahlen einen bestimmten Betrag. Die dritte Variante ist, dass sie keinen Fehler anerkennen und wir keine Einigung erzielen. Dann ist der nächste Schritt entweder ein Schlichtungsverfahren vor der Ärztekammer oder der Gang vor Gericht.

    Wie häufig tritt jeder dieser drei Fälle ein?

    Lang: In deutlich mehr als der Hälfte der Fälle wird eine Einigung im ersten Schritt von der Haftpflichtversicherung abgelehnt. Der Grund: In Deutschland steht man als Patient in der Beweislast. Man muss belegen, dass Behandlungsfehler gemacht wurden und dass diese Fehler einen gesundheitlichen Schaden verursacht haben. Diese Kausalität muss zwingend nachgewiesen werden. Gleichzeitig sind Patienten aber als medizinische Laien in der schlechteren Ausgangslage. Der Nachweis eines Fehlers lässt sich am Ende meist nur über ein Sachverständigengutachten führen. Bleibt man hier aber hartnäckig und lässt auch nach einer ersten Ablehnung nicht locker, so kommt es durchaus vor, dass die Haftpflichtversicherung noch Schadensersatz und Schmerzensgeld leistet.

    Dr. Alexander Lang, Fachanwalt für Medizinrecht aus Würzburg, vertritt immer wieder Patienten, die an einem gesundheitlichen Schaden leiden und einen Behandlungsfehler vermuten.
    Dr. Alexander Lang, Fachanwalt für Medizinrecht aus Würzburg, vertritt immer wieder Patienten, die an einem gesundheitlichen Schaden leiden und einen Behandlungsfehler vermuten. Foto: Thomas Obermeier

    Wie bekommt man ein Gutachten zu seinem Fall?

    Lang: Patienten mit gesetzlicher Krankenversicherung können mit der Regressabteilung der Krankenkasse zusammenzuarbeiten und die Kasse kann über den Medizinischen Dienst ein kostenloses Gutachten einholen. Das ist für eine spätere Entscheidung vor Gericht nicht verbindlich – aber ein Anhaltspunkt, den man zur weiteren Begründung heranziehen kann. Ansonsten holt spätestens das Gericht ein gerichtliches Sachverständigengutachten ein.

    Können sich Patienten und Ärzte darauf verlassen, dass Gutachter unparteiisch sind?

    Lang: Die gerichtlichen Gutachter werden vom Gericht beauftragt und bezahlt. Dadurch sind die Grundvoraussetzungen für neutrale Gutachten gelegt.

    Wenn ein Fall vor Gericht landet: Ist es schwierig, einen vermuteten Behandlungsfehler nachzuweisen?

    Lang: Die Ausgangslage ist für den Patienten wie gesagt einen Tick schlechter als für den Arzt, weil er die Beweislast trägt. Im Laufe eines solchen Prozesses können drei Varianten eintreten: Der Gutachter kann zu dem Schluss kommen, ein Behandlungsfehler liegt vor – dann sieht es gut für den Patienten aus. Oder er verneint einen Fehler – das ist positiv für den Arzt. Die dritte Variante wäre, dass der Gutachter aus allen Informationen nicht sicher sagen kann, ob ein Fehler vorliegt - und dann greift der Grundsatz, dass der Patient in der Beweispflicht steht.

    Wie hoch sind die Erfolgschancen für Patienten im Schnitt, wenn sie mit dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler vor Gericht gehen?

    Lang: Relativ viele medizinische Streitfälle werden durch einen Vergleich gelöst. Das heißt, es gibt kein Urteil, aber trotzdem oft eine Entschädigung für Patienten. Generell schätze ich, dass in weniger als der Hälfte der Fälle ein Behandlungsfehler vor Gericht nachgewiesen werden kann.

    Welche Konsequenzen drohen Ärzten, wenn ein Fehler nachgewiesen wird?

    Lang: Strafrechtlich können Mediziner theoretisch wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung belangt werden. Allerdings werden nach meiner Erfahrung über 90 Prozent aller Strafverfahren gegen Ärzte, bei denen es um vermutete Behandlungsfehler geht, eingestellt.

    Warum?

    Lang: Das kann man sich ähnlich vorstellen wie bei einem Verkehrsunfall: Auch ein Fahrer, der die Vorfahrt missachtet, wird generell nicht strafrechtlich belangt. Anders sieht es bei schweren Fällen aus, wenn etwa ein Mensch zu Tode kommt oder das Verschulden als extrem angesehen wird. Ich hatte zum Beispiel den Fall, dass ein Schönheitschirurg mit einer Kosmetikerin als Assistentin in einem Wohnraum operiert hat. Das ist extrem. Hingegen passiert strafrechtlich meist nichts, wenn ein Implantat bei der Hüft-OP zu klein oder groß gewählt wird. Das wäre grundsätzlich eine fahrlässige Körperverletzung, wird aber von den Behörden selten verfolgt und im Normalfall auch nicht angezeigt.

    Wie sieht es zivilrechtlich aus?

    Lang: Hier schuldet der Arzt Schmerzensgeld und Schadensersatz, wenn ein Behandlungsfehler bewiesen wird. Schadensersatz heißt, er muss alle Schäden ausgleichen, die durch den Vorfall verursacht wurden – Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, Fahrtkosten zu Arztterminen, Zuzahlungen zu Heilbehandlungen oder Medikamenten. Da können hohe Summen zusammenkommen. Ärzte sind deshalb in der Regel per Haftpflichtversicherung abgesichert, sodass sie selbst keine größeren Konsequenzen zu befürchten haben.

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