Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: Experten warnen vor Wasserkrise: In Unterfranken fehlen pro Quadratmeter im Mittel etwa 400 Liter Grundwasser

Würzburg

Experten warnen vor Wasserkrise: In Unterfranken fehlen pro Quadratmeter im Mittel etwa 400 Liter Grundwasser

    • |
    • |
    Mal gar kein, mal zu viel Wasser: Links geht eine Frau auf ausgedörrten Feldern im August 2022 in Waldbrunn spazieren. Rechts stehen Anwohner im Juli 2021 im überfluteten Reichenberg (beide Lkr. Würzburg).
    Mal gar kein, mal zu viel Wasser: Links geht eine Frau auf ausgedörrten Feldern im August 2022 in Waldbrunn spazieren. Rechts stehen Anwohner im Juli 2021 im überfluteten Reichenberg (beide Lkr. Würzburg). Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa und HMB Media/Julien Becker

    "Die Klimakrise ist primär eine Wasserkrise. Drei von vier Naturkatastrophen hängen laut UN-Generalsekretär António Guterres mit dem Wasser zusammen", sagte Martin Popp vom Bayerischen Umweltministerium anlässlich des "17. Wasserforums Unterfranken". Knapp 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Wissenschaft, der Wasserwirtschaft, der Landwirtschaft, dem Weinbau und dem Bayerischen Landtag, verfolgten die Fachvorträge am Bildschirm oder beteiligten sich an den Diskussionen der virtuellen Veranstaltung der Regierung von Unterfranken.

    Wie akut ist diese Wasserkrise in Bayern und vor allem in Unterfranken? Die wichtigen Fragen und Antworten:

    Ist die Trockenheit mittlerweile in ganz Bayern ein Problem?

    Seit 20 Jahren gibt es in ganz Bayern ein Defizit bei der Grundwasserneubildung, sagt Martin Popp vom Bayerischen Umweltministerium. Erstmals beobachte man nach diesem milden Winter auch in Südbayern ungewöhnlich niedrige Grundwasserstände. Trockenheit auf der einen, Überflutungen auf der anderen Seite: "Wir haben Flüsse begradigt, Flächen versiegelt, den Boden verdichtet, die Landschaft entwaldet und drainiert: Das sind Veränderungen, die den Wasserhaushalt hausgemacht verändern. Der Klimawandel verstärkt das Ganze noch", sagt der einstige Leiter des Wasserwirtschaftsamtes München. Die Auswirkungen spüre mittlerweile jede und jeder in Bayern. 

    Wassermangelgebiet Unterfranken: Wie viel Grundwasser fehlt der Region?

    "Seit 2003 hatten wir kein echtes nasses Jahr mehr", sagt Axel Bauer, Sachgebietsleiter Wasserwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken. Die Grundwasserneubildung liege seit 20 Jahren unter dem Durchschnitt des Referenzzeitraums 1971 bis 2000. Sie summiere sich heute auf ein Defizit von etwa 400 Litern pro Quadratmeter im Mittel über ganz Unterfranken. "Das sind etwa vier Jahre, die uns an Grundwasserneubildung fehlen", erklärt Bauer. 

    undefined

    Immer wieder werden an einzelnen Grundwassermessstellen neue Tiefststände gemessen. So bezeichnet man die tiefsten Wasserstände seit Aufzeichungsbeginn. An einer Messstelle in Mömlingen im Landkreis Miltenberg fiel der Grundwasserstand sogar innerhalb von 20 Jahren um 20 Meter. Im Extremjahr 2019 bewegten sich laut dem Wasserwirtschaftsexperten der Regierung von Unterfranken 90 Prozent aller oberflächennahen Grundwasserleiter auf niedrigem oder sehr niedrigem Niveau. Da Trinkwasser in der Region fast nur aus Grundwasser gewonnen wird, drängt sich die Frage auf: Wie lange reicht das Trinkwasser?

    Unterfrankens Trinkwasser: Reicht es bis zum Jahr 2035?

    Etwa 83 Millionen Kubikmeter Trinkwasser werden pro Jahr in Unterfranken verbraucht. Dem gegenüber steht ein "Wasserdargebot" von etwa 120 Millionen Kubikmeter, sagt Bauer. Das ist die Wassermenge, die theoretisch in allen Trinkwasserschutzgebieten Unterfrankens gewonnen werden könnte. Bis zum Jahr 2035 werde sich die Wasserreserve von 31 auf 27 Prozent verringern, haben Experten errechnet.

    An heißen Sommertagen noch viel mehr, weil dann mehr Menschen mehr Wasser verbrauchen. Der Tagesspitzenbedarf ist es auch, der vielen Expertinnen und Experten Sorge bereitet. An heißen Tagen schrumpfe die Wasserreserve in Unterfranken bis 2035 von aktuell 22 auf sieben Prozent, sagt Bauer. Am bayerischen Untermain sogar auf ein Minus von zwei Prozent. Und an einzelnen Orten in Unterfranken, deren Wasserversorger nur eine Quelle oder einen Brunnen haben, könnte das Trinkwasser dann zeitweise tatsächlich nicht mehr reichen.

    Im Klimawandel nehmen die Niederschläge zu: Problem gelöst?

    Es klingt paradox: Die meisten Klimaforscherinnen und -forscher gehen davon aus, dass die Winterniederschläge im Klimawandel zunehmen. Löst sich somit das Problem der sinkenden Grundwasserstände von alleine? Mitnichten, sagt Professor Markus Disse vom Lehrstuhl für Hydrologie an der Technischen Universität in München. Dadurch, dass sich der Jetstream durch die menschengemachte globale Erwärmung verlangsame, würden sich Hoch- und Tiefdruckgebiete immer häufiger festsetzen.

    Die Folge seien längere Trockenperioden mit höheren Temperaturen, Dürren und Wassermangel auf der einen Seite, und längere intensive Starkregen auf der anderen Seite. Je extremer Niederschläge ausfallen, desto schneller kommt es zu Überflutungen und Hochwasser. Und umso weniger Wasser kann langsam im Boden versickern und kommt unten im Grundwasser an. Dass sich die Niederschläge im Klimawandel immer ungleicher verteilen, sei das Hauptproblem der Wasserkrise. "Hochwasser und Trockenheit sind zwei Seiten der gleichen Medaille", sagt Markus Disse.

    Wie lässt sich die Wasserkrise in Bayern lösen?

    Professor Karl Auerswald von der Technischen Universität in München war zwar beim "Wasserforum" nicht dabei, wurde aber oft zitiert, wenn es um Lösungen ging. Von ihm stammt der Begriff des "landnutzungsgetriebenen Klimawandels", was so viel heißt wie: Viele unserer Wasser-Probleme sind hausgemacht, lassen sich aber vor Ort auch lösen.

    Markus Disse nennt Beispiele: Etwa, dass in versiegelten Städten zu viel Regenwasser ungenutzt über Kanäle abfließt. Dass das dichte Forstwegenetz in Bayerns Wäldern bei Starkregen regelrecht zu einer "Wasser-Rennautobahn" werde. Dass Äcker mit zu wenig Mulchsaat schneller austrocknen und bei Starkregen stärker erodieren. "Je homogener die Landschaft, desto geringer die Resilienz gegenüber Dürre, aber auch Starkregen", sagt er.

    Nötig seien Hecken, Mischwälder, wiedervernässte Moore, mehr Biodiversität und weniger Bodenverdichtung in der Landwirtschaft, Wassermulden im Wald, mehr Versickerungsflächen in den Städten, renaturierte Bäche und viele kleine Regenrückhaltebecken in der Landschaft, die vor Sturzfluten schützen und das Wasser für trockene Zeiten speichern.

    undefined

    Was wird in Unterfranken aktuell gegen die Wasserkrise getan?

    61 Sturzflutkonzepte, 42 Hochwasserrückhaltekonzepte und 16 Bewässerungskonzepte seien aktuell in Unterfranken in der Planung, Umsetzung oder bereits fertig, sagt Axel Bauer von der Regierung von Unterfranken. Bei drei Bewässerungskonzepten handele es sich um Pilotprojekte, deren Realisierung vom Bayerischen Umweltministerium finanziell gefördert wird: Bewässert werden sollen Weinberge in Nordheim, Iphofen (beide Lkr. Kitzingen) und Oberschwarzach (Lkr. Schweinfurt).

    "Bei den Pilotprojekten wollen wir Erfahrungen sammeln, wie eine möglichst umweltschonende Bewässerung funktionieren kann", sagt Bauer. Es gebe eine Rangfolge, welches Wasser am nachhaltigsten ist: zuerst aufgefangenes Regenwasser, dann Mainwasser, danach Uferfiltrat (Grundwasser in Gewässernähe) und als letzte Möglichkeit oberflächennahes Grundwasser. Tabu sei das Tiefengrundwasser, "als eiserne Reserve für die öffentliche Trinkwasserversorgung". 

    Lebensmittel oder Trinkwasser: Lässt sich der Konflikt ums Wasser lösen?

    Hitzetage und Tropennächte: Mit fortschreitendem Klimawandel werden die Sommer in der Mainregion immer heißer. Mit den steigenden Temperaturen steigt auch der Wasserbedarf. Damit Obst, Gemüse und Wein nicht vertrocknen, wird immer mehr zusätzliches Wasser zur Bewässerung benötigt. Vor allem im Raum Schweinfurt, Kitzingen und Würzburg. Brauchwasser-Brunnen treten zunehmend in Konkurrenz zur öffentlichen Trinkwasserversorgung, so Bauer.

    Künftig müsse man in bewässerungsintensiven Gebieten noch genauer hinsehen, mehr Wasser speichern und bei Wasser-Entnahmen die Datenerfassung und Überwachung verbessern. Sein Credo: "Die öffentliche Trinkwasserversorgung muss konsequenten Vorrang haben."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden