Eltern gehörloser Kinder aus der Dr.-Karl-Kroiß-Schule am Heuchelhof sind in Sorge. Der Grund: Ihre Kinder sollen künftig nicht mehr wie bisher vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) zur Schule am Zentrum für Hörgeschädigte gefahren werden, sondern von einem privaten Unternehmen, dessen Name inzwischen bekannt ist.
Im Internet haben sich Eltern inzwischen über die neue Fahrdienst-Firma informiert – und sind beunruhigt. Es gibt Berichte, wonach Kinder nicht angeschnallt gewesen seien oder sich während der Fahrt aus dem Fenster gelehnt hätten.
Geschäftsführer Ralf Köhler vom in Frage kommenden Dienstleister Köhler-Transfer versteht die Bedenken nicht: „Der beschriebene Fall ist mir völlig unbekannt,“ lässt Köhler wissen. Die Firma mit Sitz in Frankfurt hat sich die sichere Beförderung von Kranken und von Menschen mit Behinderung von TÜV und DEKRA zertifizieren lassen. Sie bietet für ihre Fahrer Fahrsicherheitstrainings und spezielle Kurse für den Umgang mit Behinderten an. Auch der Verdacht, die Firma zahle keinen Mindestlohn, ist laut Köhler haltlos. „Wir zahlen 8,50 Euro die Stunde.“ Entsprechende Vorwürfe und Prüfungen durch Behörden gab es in Baden-Württemberg, Medien berichteten darüber.
Grundsätzlich kann die Schulleiterin der Dr.-Karl-Kroiß-Schule Bärbel Schmid die Verunsicherung der Eltern nachvollziehen: „Wir haben über Jahrzehnte mit dem ASB gut zusammengearbeitet. Die Busbeförderung ist eine sehr sensible Sache: Man gibt sein Kind einem fremden Menschen, um es teils 50 oder 60 Kilometer fahren zu lassen. Was ist, wenn ein Kind mal auf die Toilette muss? Dazu kommt, dass manche Kinder weinen.“
Die Schulleiterin bestätigt die Kündigung durch den Arbeiter-Samariter-Bund, Regionalverband Würzburg Mainfranken. Dessen Geschäftsführer Martin Klug erklärt: „Seit der Einführung des Mindestlohngesetzes gibt es Streit über die Frage der vergütungspflichtigen Arbeitszeit beim Behindertenfahrdienst. Bisher gab es oft Pauschalvereinbarungen, um der Situation gerecht zu werden, dass die Träger der Behinderteneinrichtungen in der Regel nur die Besetztkilometer vergüten.“ Seit Anfang des Jahres müssten auch „Leerfahrten“, bezahlt werden – wenn also keine Person im Auto mitfährt. Eine ASB-Mitarbeiterin (Name der Redaktion bekannt) berichtet genau dies. Betroffen, sagt die Frau, seien 27 Leute, denen nun als Fahrer beim ASB bereits gekündigt worden sei.
Der ASB wollte eine automatische Verlängerung des Beförderungsvertrags zu den bestehenden Konditionen vermeiden und neu verhandeln, fiel aber beim Bezirk als Träger der Dr.-Karl-Kroiß-Schule durch.
Eltern (Namen bekannt) erklären, in den vergangenen drei Jahrzehnten hätten „viele Fahrer extra die Gebärdensprache auf eigene Kosten erlernt und ihre private Zeit geopfert.“ Manch ein Fahrer sei fast wie ein Familienmitglied gewesen. Entsprechend war das Vertrauen zueinander. Der ASB will „das Fahrpersonal so weit als möglich anderweitig“ einsetzen. „Selbstverständlich werden wir alles tun, um auch mit unserem neuen Vertragspartner schnell eine gute und reibungslose Zusammenarbeit aufzubauen,“ sagt Schulleiterin Bärbel Schmid. Sie will die Eltern kommende Woche zu einer Informationsveranstaltung einladen und möglichst persönliche Kontakte herstellen.
Die Dr. Karl-Kroiß-Schule hat 295 Kinder, davon 30 in der schulvorbereitenden Einrichtung (Kindergarten) ab drei Jahren und 265 Schüler in Grund- und Hauptschule. Die älteren kommen selbst mit Bus und Straßenbahn. Die Jüngeren ab drei Jahren – das ist gut die Hälfte – werden mit kleinen Schulbussen gefahren.
Ein Teil der Eltern hat nun eine eigene Unterschriftenaktion gestartet und wehrt sich damit gegen die neuen Planungen. „Wir möchten unsere Kinder nicht in die Obhut dieses neuen Unternehmens geben.“
Seitens des Bezirks erläutert Sprecher Markus Mauritz, der Bezirk sei zum wirtschaftlichen Handeln verpflichtet. Üblicherweise sei der so genannte Vergabeausschuss für größere Aufträge zuständig. Weil dieser erst wieder im Herbst tage, sei die Entscheidung noch vor Beginn des kommenden Schuljahres nötig – als dringliche Anordnung des Bezirkstagspräsidenten. Der Vertrag liege bei ihm zur Unterschrift bereit.