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Würzburg: Fernbeziehung mit Kindern: Wie es funktionieren kann

Würzburg

Fernbeziehung mit Kindern: Wie es funktionieren kann

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    Jeden Sonntag Abschied nehmen - viele Paare und Familien sehen sich nur am Wochenende.
    Jeden Sonntag Abschied nehmen - viele Paare und Familien sehen sich nur am Wochenende. Foto: DB AG/Winter

    Manchmal fühlte sich Michael S. (44) aus Würzburg wie ein Störenfried in seiner eigenen Familie. Dann, wenn er Urlaub hatte und plötzlich am Alltagsleben mit Kindergarten, Schule und all den kleinen und großen Dramen und Freuden, die sich so zwischen Montag und Freitag in einer Familie mit drei Kindern ereignen, teilnahm. "Ja", so sagt seine Frau Silke S., "genauso so haben wir ihn tatsächlich auch manchmal empfunden." Heute kann das Paar aus Würzburg darüber lachen. Die Zeit der räumlichen und emotionalen Trennung ist vorbei. Doch Jahrelang liefen wichtige Entscheidungen unter der Woche nur über Telefon oder WhatsApp. "Und selbst das empfand ich irgendwann als extrem lästig, wollte nicht auf Kommando erzählen und diskutieren müssen", sagt Silke. Eine Familien-Wochenendbeziehung? "Nie wieder", sagt das Ehepaar heute.

    Fernbeziehung: Chance oder Katastrophe?

    Für Peter Wendl, wissenschaftlicher Projektleiter am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, sind solche Beschreibungen Alltag. Der Diplom-Theologe und Familientherapeut hat mehr als 300 Seminare mit weit über tausend Paaren und ihren Angehörigen im Kontext von Auslandseinsätzen und Wochenendbeziehungen durchgeführt, ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Partnerschaft und Familie. Eine Fernbeziehung zu führen wie Michael und Silke, mit drei Kindern -  ist das eine Chance oder eine Katastrophe?

    "Beides", sagt Wendl. "Das hängt stark von der Lebensphase ab und wie alt die Kinder sind." Stehe wie bei Silke und Michael für die Kinder, in diesem Fall drei, acht und 13 Jahre alt, eine Bezugsperson zur Verfügung, sei das kein Problem, dann gehe es nur ums Vermissen des Papas, von dem Kinder keinen Schaden davontragen würden. "Die Bezugsperson muss dann aber auch da sein, sprich, sind beide Partner beruflich stark eingebunden, wird es problematisch." Silke sieht das genauso. "Wenn ich in dieser Zeit aus beruflichen Gründen nicht hätte zuhause sein können, hätten wir diesen Plan von vornherein für uns ausgeschlossen."

    Heimkommen darf keine Sensation sein

    Wichtig sei es, so Wendl, den Partner während seiner Abwesenheit präsent zu halten, die Situation als völlig normal einzustufen. "Papas oder Mamas Heimkommen am Freitag sollte nicht immer wieder einer kleinen Sensation gleichen." Gerade jüngere Kinder brauchen einen sicheren Rahmen: Papa oder Mama fahren  am Sonntagabend los und kommen am Freitagmittag wieder. Abendliche Anrufe oder Sprachnachrichten sollten unbedingt zum verabredeten Zeitpunkt stattfinden. "Darauf müssen die Kinder sich auch verlassen können, sonst wird es schwierig", weiß Wendl. Ein Patentrezept, wie man den Kontakt während der Trennungszeit gestaltet, gebe es nicht. Ob per E-Mail oder WhatsApp, Gefühle sollten nicht unterdrückt werden, Probleme nicht aufs nächste Wochenende verschoben werden. "Dann mal lieber per E-Mail richtig auskotzen", empfiehlt der Experte. Gerade kleinere Kinder, die unter der Trennung anfangs oft sehr leiden,  helfe es, Bilder zu malen oder ganz klassisch Briefe an den entfernten Elternteil  zu schreiben.

    Kurzer Anruf genügt oft schon

    Für Silke war es schwierig, diesen Kontakt-Rhythmus einzuhalten. "Irgend wann empfanden es alle als extrem stressig, zum festen Zeitpunkt zu kommunizieren." Bei drei Kindern in unterschiedlichem Alter kein Wunder. Während der Große noch im Fußballtraining war, musste die Kleinste schon ins Bett. "Genau deshalb gibt es letztlich kein Patentrezept. Es ist ein Ausprobieren und ständiges Austarieren  und hängt stark von der Familienkonstellation ab", bestätigt Familientherapeut Wendl. Mit Kindern ist vieles unberechenbar, je kleiner die Kinder, desto schwieriger ist es, Termine pünktlich einzuhalten.  Dennoch: "Der Austausch mit dem Partner, der nicht da sein kann, ist enorm wichtig."  Manchmal reiche ja auch ein kurzer Anruf, um erste Emotionen oder wichtige Ereignisse des Tages loszuwerden. Ansonsten werde der räumliche Abstand schnell auch zu einem Abstand in der Beziehung.

    "Wer sich bewusst mit Kindern für eine Fernbeziehung entscheidet, sollte seine Leidensfähigkeit, das Vertrauen zueinander und die Stabilität der Partnerschaft zuvor auf den Prüfstand stellen."

    Peter Wendl, wissenschaftlicher Projektleiter Uni Eichstätt-Ingolstadt  

    "Man unterschätzt das total, erst passt ein Gespräch zeitlich nicht, dann werden die gegenseitigen Kontaktaufnahmen zu einer Art Pflicht - und irgendwann verdreht man sogar die Augen, wenn das Telefon klingelt", erzählt Silke. Oder umgekehrt: Die Kinder oder man selbst wolle unbedingt sofort etwas erzählen und teilen - und der andere ist nicht erreichbar. "Das nervt richtig!" Wendl bestätigt dieses Gefühls-Karussell. "Wer sich bewusst mit Kindern für eine Fernbeziehung entscheidet, sollte seine Leidensfähigkeit, das Vertrauen zueinander und die Stabilität der Partnerschaft zuvor auf den Prüfstand stellen." Ein solches Lebensmodell müsse auf festen Füßen stehen, wenn es nicht ins Wanken geraten solle.                                 

    Abstand als Bereicherung

    Natürlich, so der Experte, komme es auch darauf an, wie man selber ticke. "Manche Paare empfinden den Abstand durchaus als Bereicherung. Als Chance, einander wieder anders, neu zu begegnen." Wichtig sei in jedem Fall, dass beide sich über ihre Rolle im Klaren sein müssten. Wer sich in der Ferne ohne Familie einsam und ausgeschlossen fühle -  oder umgekehrt zuhause mit dem Managen des kompletten Familienlebens am Rande des Wahnsinns, eigne sich definitiv nicht für so ein Modell. Für Menschen, die zu Eifersucht oder Kontrolle neigen, ebenfalls nicht. Leider wüssten nur die Wenigsten im Vorfeld, wie sich so eine Situation dann tatsächlich anfühlt. Und leider könnten es sich viele Paare ja auch nicht aussuchen. Soldatenfamilien etwa bleibe keine andere Wahl.

    Die Reaktionen der Kinder auf die tage- oder wochenlange Trennung bergen laut Experte Wendl  immer wieder Überraschungen. So entpuppten sich anhängliche Kinder schon häufig als die Stärkeren in der Trennungssituation als die vermeintlich coolen älteren Geschwister. "Wir werden natürlich oft um Rat gefragt, wenn so eine berufliche Änderung im Bekanntenkreis ansteht, sagt Silke. "Dann sprechen wir auch ganz offen die Probleme, die wir hatten, an. Da darf man echt nichts beschönigen oder kleinreden. Meiner Meinung nach riskiert man sehr viel."

    • Geldsegen für Familien: Das 200-Milliarden-Chaos

    Peter Wendl verfasste zahlreiche Publikationen zum Thema "Mobilität, Partnerschaft und Familie" und ist auch Autor des Standardwerkes "Gelingende Fern-beziehung. Entfernt zusammen wachsen" (Verlag Herder).    

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