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Würzburg: Fiebermedikament nicht lieferbar: In Apotheken in Unterfranken gibt es keinen Paracetamol-Saft für Kinder mehr

Würzburg

Fiebermedikament nicht lieferbar: In Apotheken in Unterfranken gibt es keinen Paracetamol-Saft für Kinder mehr

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    Bei hohem Fieber und Schmerzen wird Kindern seit Jahrzehnten meist Paracetamol-Saft verschrieben. Weil sich viele Hersteller aus der Produktion zurückgezogen haben, ist dieses Mittel in ganz Deutschland aktuell nicht lieferbar (Symbolbild). 
    Bei hohem Fieber und Schmerzen wird Kindern seit Jahrzehnten meist Paracetamol-Saft verschrieben. Weil sich viele Hersteller aus der Produktion zurückgezogen haben, ist dieses Mittel in ganz Deutschland aktuell nicht lieferbar (Symbolbild).  Foto: Patrick Pleul, dpa

    Es gibt keinen Paracetamol-Saft für Kinder mehr, nirgends mehr in Deutschland. Schon im vergangenen Jahr habe es Probleme gegeben, das häufig verschriebene Standardmedikament für fiebernde Kinder zu ordern, berichten Apothekersprecher aus Unterfranken. In diesem Jahr sei der Lieferengpass so groß geworden wie noch nie zuvor.

    Apotheker aus der Region: "Die Situation ist wirklich dramatisch"

    "Die Situation ist wirklich dramatisch", sagt Christian Machon, der in Mellrichstadt und Bad Neustadt in der Rhön zwei Apotheken führt und seit kurzem wieder dem Vorstand der Bayerischen Landesapothekerkammer angehört. "Es ist nicht so, dass der Markt eng wäre. Der Markt ist komplett leergefegt." Der Paracetamol-Saft sei auf die Altersgruppe der Fünf- bis Zwölfjährigen zugeschnitten, sagt der Apotheker. Babys und Kleinkinder bekämen normalerweise Paracetamol-Zäpfchen verschrieben, diese seien weiter erhältlich. Ab dem Teenager-Alter könnten Kinder normalerweise Tabletten gut schlucken und im Krankheitsfall in niedrigerer Dosierung auch Paracetamol-Tabletten nehmen, die Erwachsene verschrieben bekommen.

    Kinder im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren aber tolerierten oft Zäpfchen nicht, könnten andererseits aber oft größere Tabletten nicht schlucken, sagt Machon. Was tun? "Wir haben uns überlegt, den Saft selbst herzustellen, in der Lage dazu wären wir. Aber auch der Wirkstoff, den man dazu braucht, ist gerade nicht mehr bestellbar."

    Paracetamol ist seit den 1950er Jahren ein millionenfach verschriebenes Mittel, aber nicht unumstritten. Der Wirkstoff kann bei Überdosierung Leberschäden verursachen. 
    Paracetamol ist seit den 1950er Jahren ein millionenfach verschriebenes Mittel, aber nicht unumstritten. Der Wirkstoff kann bei Überdosierung Leberschäden verursachen.  Foto: Christoph Soeder, dpa

    Als Alternative eigne sich ein weiteres sehr bekanntes Fieber- und Schmerzmedikament: Ibuprofen. "Aber auch nach Ibuprofen-Saft muss man im Moment lange suchen. Er ist sehr knapp geworden, eben weil er seit Monaten als Ersatz für den Paracetamol-Saft herangezogen wird", sagt Wolfgang Schiedermair, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands im Raum Würzburg und Inhaber der Würzburger Glockenapotheke. Am vergangenen Wochenende hatte seine Apotheke Notdienst: "Nach zwei Stunden waren sämtliche Schmerzsäfte für Kinder weg." Zahlreichen verärgerten Eltern, die gerade mit einem Paracetamol- oder Ibuprofen-Rezept für ihre fiebernden, kranken Kindern von den Bereitschaftsärzten gekommen waren, habe er die gewünschten Säfte nicht geben können. "Man kann natürlich beraten, zur Not eben auf Zäpfchen zurückgreifen; aber eine Dauerlösung kann das nicht sein", sagt der Würzburger Apothekersprecher. 

    Paracetamol auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel

    Das schmerzstillende und fiebersenkende Arzneimittel Paracetamol wird seit 1956 in den USA in Tablettenform hergestellt, seit 1958 als Saft. Der Wirkstoff Paracetamol ist nicht unumstritten. Bei Leber- oder Nierenproblemen der Patienten kann er schädigen und in seltenen Fällen die Leberfunktion von Erkrankten beeinträchtigen. Dennoch aber steht Paracetamol seit 1977 auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO und wird in der Praxis gerade Kindern so oft verschrieben, dass es kaum Eltern geben dürfte, die ihren Kindern das Medikament nicht irgendwann einmal eingeflößt hätten.

    Wie kann es also sein, dass ausgerechnet der Millionen-Seller Paracetamol-Saft vom Markt verschwindet?

    Weltweit nur noch ein großer Hersteller von Paracetamol-Säften am Markt

    Laut dem Arzneimittelverzeichnis Gelbe Liste Pharmindex ist der Lieferengpass darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Hersteller für flüssige Paracetamol-Zubereitungen stark abgenommen hat. Vor zwölf Jahren hätten weltweit noch elf Anbieter Paracetamol-Säfte produziert,  mittlerweile ist nur noch ein großer Hersteller am Markt: Ratiopharm. Dieser hat laut der "Pharmazeutischen Zeitung" im Mai bei "extrem gestiegener Nachfrage einen vorübergehenden Lieferausfall" gemeldet. In der Branche wird gemutmaßt, dass sich zahlreiche Pharmaunternehmen auch deshalb zurückgezogen hätten, weil die Produktion des Saftes aktuell als Verlustgeschäft gesehen werden müsse. Die Preise für Wirkstoff und Produktion seien massiv gestiegen, der Betrag, den die Hersteller in Deutschland von den Krankenkassen erhalten, jedoch eingefroren.

    Kinderarzt empfiehlt Zäpfchen auch für größere Kinder - und zur Not Alternativen

    Den Kinderärzten in Unterfranken ist das Problem des fehlenden Paracetamol-Safts und der knappen Ibuprofen-Saft-Vorräte natürlich bekannt. Wie reagieren sie, was raten sie Eltern erkrankter Kinder? "In der Not tut es auch bei älteren Kindern ein Paracetamol- oder Ibuprofen-Zäpfchen, auch wenn sie das nicht mögen", sagt der Würzburger Kinderarzt Dr. Gerhard Hofmann, ehemaliger Dozent an der Würzburger Universität und Mitglied in der Deutschen Gesellschaft Pädiatrische Infektiologie. Hofmann lässt erkennen, dass er ohnehin kein Fan von Paracetamol ist, denn: "Paracetamol verursacht bei Überdosierung Leberschäden, während bei Ibuprofen-Überdosierung nichts passiert."

    Was geben als Ersatz? Der Würzburger Kinderarzt Dr. Gerhard Hofmann sagt, Eltern sollten sich in jedem Fall von Ärzten oder Apothekern beraten lassen. 
    Was geben als Ersatz? Der Würzburger Kinderarzt Dr. Gerhard Hofmann sagt, Eltern sollten sich in jedem Fall von Ärzten oder Apothekern beraten lassen.  Foto: Carmen Jaspersen, dpa

    Sind beide Wirkstoffe nicht greifbar, empfiehlt der Facharzt den Entzündungshemmer Naproxen und gegebenenfalls das starke Schmerzmittel Metamizol. Eltern sollten sich in jedem Fall von Ärzten oder Apothekern beraten lassen.

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