Wie gelingt die Energiewende in Deutschland? Und was bedeutet das für Regionen wie Mainfranken? Geht es um Klimaschutz, ist der Umstieg auf Erneuerbare Energien zentral. Wobei weitere Faktoren eine Rolle spielen, wie die Regierung von Unterfranken unterstreicht: Energieeinsparung, eine höhere Effizienz und die Speicherung. Nur wenn auf all diesen Feldern deutliche Erfolge erzielt werden, sei die Energiewende zu schaffen.
Doch der Windkraft ist in den vergangenen Jahren die Luft ausgegangen, ihr Ausbau in der Region praktisch zum Stillstand gekommen. Das liegt auch an dichter Besiedlung oder wertvollen Landschaften. Das größte Hindernis aber, da sind sich Experten einig, stellt die 10H-Regelung dar.
Windkraft: Stark ausgebremst durch die 10H-Regelung
Seit 2014 ist in Bayern für neue Windräder ein mindestens zehnfacher Abstand ihrer Höhe zur Wohnbebauung vorgeschrieben. Statt 100 Meter wie früher sind moderne Anlagen aber 200 bis 250 Meter hoch, entsprechend müssen sie mehr als zwei Kilometer von Häusern entfernt sein. Die Folge: In Unterfranken gibt es kaum mehr geeignete Flächen für den Windkraftausbau.
Die Kommunen, zuständig für die Bauleitplanung, können zwar einen geringeren Abstand zu Wohnhäusern ermöglichen. Doch die politisch Verantwortlichen scheuen meist den Widerstand von Anwohnern und Bürgerinitiativen. Auch der Artenschutz bremst die Windkraft.

Im Freistaat hatte die Windkraft Ende 2019 einen Anteil von 6,7 Prozent an allen Energieträgern. In Unterfranken sind derzeit 258 Windräder in Betrieb, die meisten im Landkreis Würzburg (71). 27 weitere Anlagen sind genehmigt. Damit liegt der Bezirk bayernweit mit an der Spitze – nach Oberfranken mit 287 Anlagen.
Photovoltaik: Große Solarparks sorgen für Diskussionen in den Gemeinden
"Viel mehr Ausbaupotenzial bei regenerativen Energien hat die Photovoltaik auf Dachflächen und teils in großen Freiflächenanlagen", sagt Oliver Weidlich, Leiter der Landes- und Regionalplanung bei der Regierung von Unterfranken. Für die Windkraft hat man dort bereits geprüft, welche Flächen in der Region gut und welche weniger geeignet sind. Auch für die Photovoltaik werden solche Planungshilfen für die Gemeinden aktuell erarbeitet.
Die Branche jedenfalls boomt, immer mehr Investoren planen teils gewaltige Solarparks in Kooperation mit Gemeinden oder Privatleuten. Aktuelle Beispiele findet man in Kirchheim und Darstadt (beide Lkr. Würzburg), im Kreis Bad Kissingen, Erlenbach in Main-Spessart, Dürrnhof und Bundorf (Lkr. Haßberge) oder Rentweinsdorf in den Haßbergen. 282 solcher Freiflächen-Anlagen sind in Unterfranken bereits am Netz. So wächst die Sorge, dass ein unkontrollierter Zuwachs die Landschaft verschandelt. "Vor die Welle kommen" lautet die Devise bei der Regierung. Heißt: Verträgliche Standorte bestimmen und planerisch so zu lenken, dass nicht landwirtschaftlich oder ökologisch wertvolle Flächen verloren gehen.

16,1 Prozent betrug Ende 2019 der Anteil der Photovoltaik (PV) an der bayerischen Stromerzeugung. In vier Jahren sollen es laut Energieprogramm 22 bis 25 Prozent sein. Grundsätzlich hat Unterfranken mit durchschnittlich 1500 bis 1600 Sonnenstunden pro Jahr beste Voraussetzungen für den weiteren Ausbau. Er soll, so steht es im Landesentwicklungsprogramm, möglichst auf "vorbelasteten" Standorten wie etwa an Autobahnen erfolgen.
In den Regionalplänen für den Bereich Würzburg und Main-Rhön sind Photovoltaik-Anlagen vorrangig auf Dachflächen oder innerhalb von Siedlungsflächen vorgesehen. Das bayerische Wirtschaftsministerium fördert auch deshalb seit zwei Jahren über sein 10 000-Häuser-Programm die private Erzeugung von Solarstrom: Einen Zuschuss gibt es für die Anschaffung eines Stromspeichers in Verbindung mit einer neuen PV-Anlage. 27,5 Millionen Euro stellt der Freistaat dafür allein 2021 zur Verfügung.

Die Regierung von Unterfranken ist für die Abwicklung in ganz Nordbayern zuständig – und kommt mit dem Bearbeiten kaum hinterher. "Das Programm wird sehr gut angenommen, die Antragszahlen übertreffen alle Erwartungen", sagt Sprecher Johannes Hardenacke. In seiner Klimaerklärung vom Juli kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Verdoppelung des 10 000-Häuser-Programms an. 40 000 Privatspeicher sollen im kommenden Jahr gefördert werden.
Stadtwerk Haßfurt: Beispielgebend für ökologische Energiewende
Als Vorreiter in der Region in Sachen Energiewende gilt das Stadtwerk Haßfurt. Dort produziert man mittlerweile mehr Strom aus erneuerbaren Energien als man vor Ort selbst verbraucht. Geschäftsführer Nobert Zösch hat ehrgeizige Ziele und sieht Chancen für den weiteren Ausbau – "wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen".

Zösch fordert einfachere Verfahren mit weniger Bürokratie und Auflagen. Viel zu kompliziert sei es derzeit für Privatleute, eine PV-Anlage auf dem Dach zu installieren. Gleiches gelte für größere Freiflächen-Anlagen, beispielsweise an Bahnlinien: "Man muss mit allen nötigen Gutachten zwei Jahre von der Planung bis zur Genehmigung einplanen, das ist zu lang." Kritik übt der Stadtwerk-Geschäftsführer auch an der 10H-Regel für die Windkraft: "Man kann nicht auf grüne Energie setzen, aber die Anlagen dafür nicht bauen wollen."
Für den Diplom-Ingenieur funktioniert die Energiewende nur, wenn Wind- und Sonnenenergie ausgebaut werden: "Wir brauchen beides". Schließlich soll auch in sonnenarmen Herbst- und Wintermonaten Öko-Strom erzeugt werden – wenn es nach Zösch geht, in Zukunft zusätzlich über die Nutzung von Wasserstoff. Noch sei die relativ teuer, er erwarte hier aber eine Veränderung in den nächsten Jahren.
13 Windkraftanlagen mit einer jährlichen Produktion von 60 Millionen Kilowattstunden Strom betreibt das Stadtwerk Haßfurt bereits, es sollen noch mehr werden. Dazu kommen schon heute Photovoltaik, Wasserkraft und Biogas.
Der Ausbau dürfe nicht privaten Investoren überlassen werden, findet der Geschäftsführer. Er rät Gemeinden, die Energiewende dezentral selbst in die Hand zu nehmen – schon aus wirtschaftlichen Gründen: "Es rechnet sich." Zwar sei die Einspeisevergütung stark gesunken, dafür wurden die Anlagen deutlich günstiger und leistungsstärker.
Oft fehle es in den Rathäusern an personellen Ressourcen, sagt der Haßfurter Stadtwerk-Chef: "Eigentlich bräuchte jede Kommune jemanden, der sich um den ökologischen Ausbau kümmert." In der Bevölkerung, davon ist Zösch überzeugt, sei die Bereitschaft groß – mitunter größer als in der Politik: "Es gibt mittlerweile Bürgerentscheide nicht gegen, sondern für neue Windräder."
Das Thema Energiewende in den Wahlprogrammen der ParteienCDU/CSU: Die Union setzt auf einen "intelligenten Energiemix". Die regenerativen Energien sollen ausgebaut werden – mit Planungssicherheit, Akzeptanz durch die Bevölkerung und weniger Bürokratie. Mit einem "Sonnenpaket" wollen CDU und CSU die Photovoltaik fördern, ebenso den Ausbau der Windkraft mit der expliziten Ausweisung von Flächen. Sie sollen vor allem entlang bestehender Verkehrswege geprüft werden. Auch Energiespeicher sollen gefördert werden. Für mehr Energieeffizienz will man attraktive Programme zur Gebäudesanierung auflegen. Die Steuerförderung dafür will die Union auf vermietete und gewerbliche Immobilien ausdehnen. Einen Schwerpunkt legt die Union auf den Ausbau der Wasserstofftechnologie. Die CSU geht in ihrem eigenen, zusätzlichen Wahlprogramm auf die Energiewende nicht näher ein.Bündnis 90/Die Grünen: Für die Partei ist die Energiewende ein Kernthema, das im Wahlprogramm weit vorne steht. Die Grünen wollen mit einer "Energierevolution" den raschen Ausstieg aus fossilen Energieträgern schaffen. Dazu planen sie eine massive Ausbau-Offensive für die Erneuerbaren Energien, Ausbauhemmnisse sollen beseitigt werden. Die Partei formuliert konkrete Zubau-Ziele für Windkraft und Photovoltaik für die kommenden Jahre. Ferner soll Energie durch mehr Effizienz bei Gebäuden, Fahrzeugen oder in der Produktion eingespart werden. Solardächer auf öffentlichen, privaten und gewerblichen Gebäuden sollen Standard werden. Ziel sind 1,5 Millionen neue Solardächer bis 2025. Auf dem Land soll die Photovoltaik überwiegend auf bereits versiegelten Flächen ausgebaut werden. Für die Zukunft setzen auch die Grünen auf die Wasserstofftechnologie als wichtigen Baustein.SPD: Die Partei hat Klimaneutralität in Deutschland für das Jahr 2045 ins Programm geschrieben, der Strom soll spätestens 2040 vollständig aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Sie sollen "entschlossen" ausgebaut werden – in Verbindung mit mehr Energieeffizienz, dem Aufbau von Speichertechnologien und der Produktion von Wasserstoff. Diesen hält die SPD für einen Schlüssel zur Klimaneutralität. Den Ausbau der Erneuerbaren bezeichnet die Partei als "Herzstück" ihrer Klimaschutz- und Energiepolitik, die Bürgerschaft vor Ort soll beispielsweise durch Energie-Genossenschaften eingebunden werden. Verbindliche Ausbauziele sollen in einem Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbart werden. Voranbringen will auch die SPD die klimafreundliche Gebäudesanierung und die Installation von PV-Anlagen auf möglichst vielen Dächern.FDP: Bei den Liberalen ist die Energiewende kein vorrangiges Thema. In ihrem Wahlprogramm unterstreicht die Partei die Bedeutung neuer Speichertechnologien. Stromspeicher sieht man als eine Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende, sie sollen von Abgaben und Umlagen befreit werden. Für die FDP ist in einem "ganzheitlichen Energiesystem" Strom aus erneuerbaren Quellen nur einer von mehreren Aspekten. Den Ausbau der Erneuerbaren Energien will die FDP komplett dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb überlassen, die EEG-Umlage soll abgeschafft werden. Besondere Akzente bei der Energiewende legt die Partei auf die Wasserstofftechnologie und smarte, digitale Techniken.Die Linke: Die Partei will laut Programm so schnell wie möglich auf Erneuerbare Energien umsteigen, den Kohleausstieg bis 2030 vollziehen und ein Gesetz zum Ausstieg aus Erdgas verabschieden. Sie geht dabei aber diametral zur FDP vor: Energiekonzerne sollen "entmachtet" werden, die Energiewende soll in Bürgerhand in öffentlichem oder genossenschaftlichem Eigentum erfolgen. Bereits 2035 soll Deutschland klimaneutral sein. Der Übergang soll möglichst sozialverträglich gestaltet werden. Wie die Grünen nennt die Linke konkrete Zubau-Ziele für Erneuerbare Energien in den kommenden Jahren. Wasserstoff soll nur dort zum Einsatz kommen, wo es keine effizienteren Alternativen gibt.AfD: Die Partei leugnet auch in ihrem Wahlprogramm den menschengemachten Klimawandel. Die Reduzierung der CO2-Emssionen auf Null lehnt die AfD ebenso ab wie eine komplette Umstellung auf Erneuerbare Energien sowie die Förderung von Elektromobilität und Wasserstofftechnologie. Für Windräder fordert man einen Abstand von mindestens 2,5 Kilometern zur nächsten Wohnbebauung. Die Partei spricht sich für die weitere Nutzung von Erdgas sowie die fortgesetzte Verstromung von Braun- und Steinkohle aus.Quelle: Wahlprogramme/aj