Zwischen ländlicher Idylle und schwierigem Elternhaus: Als Mädchen ist Judith Roth-Jörg oft auf dem Hof ihrer Großeltern in Allersheim. Dort ist ihre Kindheit unbeschwert. Ihr Opa nimmt sie auf dem Traktor mit, sie darf Kartoffeln ausgraben, auch mal beim Schlachten zusehen. Manchmal fährt er mit seiner Enkelin hinaus zum großen jüdischen Friedhof vor dem Dorf, um den sich die Familie von Generation zu Generation kümmert. Er erklärt ihr die einzelnen Symbole auf den Grabsteinen und erzählt Geschichten.
Zu Hause in der Sanderau war es nicht so schön, erzählt die 49-Jährige. "Meine Eltern beschäftigten sich viel mit sich selbst. Die Ehe ging früh auseinander. Meine Kindheit war dann plötzlich vorbei", sagt Judith Roth-Jörg und wirkt deswegen nicht verdrießlich.
Zwischen unbeschwerter Kindheit und schwierigem Elternhaus
Fortan muss sie sich durchs Leben beißen, weil es finanziell eng ist. Ihre Mutter holte die Mittlere Reife nach und hatte kaum Zeit für ihre beiden Mädchen. Früh übernimmt die acht Jahre alte Judith große Verantwortung für sich und ihre zwei Jahre jüngere Schwester.

"Das war schon eine wilde Zeit", sagt die CSU-Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahlen in Würzburg. "Auch, weil es noch keine Nachmittagsbetreuung gab." Die beiden Mädchen mussten sich was zu essen besorgen, selbständig Hausaufgaben machen, zusehen, wie sie alleine zum Sport oder Musikunterricht kommen.
"Heute sind wir in Würzburg besser aufgestellt", blickt sie als Bürgermeisterin und Stadtschulrätin auf die Bildungslandschaft in ihrer Heimatstadt. 90 Prozent Ganztagsbetreuung an Grundschulen habe sie geschafft und viele Millionen in Digitalisierung investiert, zählt sie auf.
Fleißig von der Schulzeit an
Aus ihrer eigenen Kindheit nimmt sie mit, es später anders machen zu wollen. "Für mich war klar, ich will für meine Kinder da sein", sagt die Mutter von vier Kindern. Drei sind aus der Ehe mit dem CSU-Landespolitiker Oliver Jörg. Ein Mädchen hat die Familie als Pflegekind aufgenommen. 2023 heiratet sie Wolfgang Roth, den CSU-Fraktionsvorsitzenden im Würzburger Stadtrat, einen Landwirt und Unternehmer aus Lengfeld. Er bringt vier Kinder mit in die zweite Ehe.

"Auf die Mama kann man sich immer verlassen", sagt ihr Sohn Benjamin Jörg. "Sie ist liebevoll, hilft einem und nimmt sich für jeden Zeit", sagt er. Und dann fügt er noch hinzu: "Sie ist super fleißig."
Fleißig – mit diesem Adjektiv wird Judith Roth-Jörg immer wieder beschrieben. Und auch sie selber sagt von sich, sie würde unentwegt arbeiten. 14 Stunden-Tage im Rathaus seien die Regel, danach noch daheim. Zur Ruhe komme sie selten. Aber sie kennt es auch nicht anders. Schon während ihrer Schulzeit musste sie für Klamotten oder Urlaub Geld verdienen.
"Mit 16 Jahren habe ich alle möglichen Jobs gemacht – von der Spülküche bis zum Putzen beim Neubert." Ihre Kinder kommen während ihres Studiums zur Welt. "Tagsüber die Rasselbande betreuen und abends lernen. Das erfordert schon viel Disziplin", sagt sie.
Diszipliniert und beharrlich
Disziplin ist die zweite Eigenschaft, die ihr von vielen zugeschrieben wird. Sie wühlt sich durch Akten, kniet sich tief in ihre Themen hinein. "Die Stadt hat noch viel Potenzial", sagt sie und will, "dass was vorangeht". Vor allem möchte sie die Schulsanierungen weiter vorantreiben und bald mit dem Bau der Multifunktionsarena beginnen. "Die wird noch vor der Linie 6 fertig", sagt sie überzeugt und spricht bei der Halle, in der neben Sportveranstaltungen auch Messen und Kongresse stattfinden können, von "einer der wichtigsten Investitionen, die wir als Stadt machen, weil was zurückkommt".

"Sie gibt keine Ruhe und ist beharrlich", sagt Alexander Hoffmann, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag. Er unterstützt Roth-Jörg in ihrem OB-Wahlkampf und spricht in Würzburg über den neuen Koalitionsvertrag, den er in Berlin mitverhandeln durfte. Schon währenddessen habe Roth-Jörg unaufhörlich erklärt, was Städte wie Würzburg brauchen. Freilich steht bei der OB-Kandidatin eine Förderung für die Mulitfunktionsarena und den öffentlichen Nahverkehr ganz oben auf der Liste.

Ganz direkt setzt sie sich bei ihm dann auch für die Förderung von Integrationskursen ein und spricht über eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft. Deshalb müsse es in Würzburg wieder das Projekt "Demokratie leben" geben, fordert CSU-Kandidatin Roth-Jörg.
Mittlerweile wird sie auch vom Bürgerforum und den Freien Wählern unterstützt. Weil sie "mit allen gut kann", sagt Stadtrat Michael Schloßareck (Bürgerforum). "Wenn jemand eine Stadt nach vorne bringt, dann Judith", wirbt Josef Hofmann, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Stadtrat.
Eine Frau zum Pferde stehlen
Im Wahlkampf zeigt sich die 49-Jährige nahbar. Sie wirkt aber nicht immer so. Manchmal scheint es, würde sie empfindlich reagieren, nachtragend und verletzt sein. Sie streitet das ab. "Das ist nicht so. Vielleicht nur gegenüber Journalisten der Main-Post", sagt sie ruhig und erklärt, dass sie mit der Berichterstattung dieser Redaktion oft nicht einverstanden sei. Ihr komme es so vor, als würde es nur in eine Richtung gehen: Gegen sie und gegen die CSU. Das habe 2014 mit ihrer Wahl in den Stadtrat begonnen und setze sich seitdem fort, ist sie überzeugt.
Vielleicht fällt diese Seite an Judith Roth-Jörg wirklich nur jenen auf, die seit Jahren über sie berichten und sie dabei oft distanziert erleben. "Ich bin durchaus aber auch jemand, mit dem man Pferde stehlen kann", sagt sie und beschreibt sich als "gesellig". Alle Kinder würden auch noch gerne mit ihr und ihrem Mann in den Urlaub fahren. "Da mache ich auch jeden Sch... mit", sagt sie.

Sie ist also gar nicht so konservativ wie viele meinen? "Das sieht man ja schon daran, dass ich zum zweiten Mal verheiratet bin", sagt sie. "Was mir übrigens viele in der CSU vorwerfen." Auf Höflichkeit und Ehrlichkeit lege sie großen Wert – und auf Bildung. Dabei sei ihr die kulturelle Bildung besonders wichtig. Wenn Eltern das nicht leisten können, müsse es die Schule übernehmen, fordert sie. "Nur so gibt es Chancengerechtigkeit."
Chancen, die sich Judith Roth-Jörg in ihrem Leben erarbeiten musste.
Judith Roth-JörgAlter: 49
Studium: Studium Politikwissenschaften mit den Nebenfächern Jura und BWL (M.A.).
Beruf: 3. Bürgermeisterin und Stadtschulrätin seit 2020
Politischer Werdegang: CSU-Stadträtin seit 2014
Familienstand: verheiratet, Patchworkfamilie mit acht KindernQuelle: tf
Hinweis der Redaktion: In der Infobox war die Angabe zum Studium ungenau. Wir haben die Passage angepasst.