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WÜRZBURG/SCHWEINFURT: Flüchtlingshelfer auf der Balkanroute

WÜRZBURG/SCHWEINFURT

Flüchtlingshelfer auf der Balkanroute

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    Würzburg, Rottenbauer, Abfahrt einer Helfergruppe der mobilen Flüchtlingshilfe zu den Flüchtlingen in Slowenien, Kroatien und Serbien.
    Würzburg, Rottenbauer, Abfahrt einer Helfergruppe der mobilen Flüchtlingshilfe zu den Flüchtlingen in Slowenien, Kroatien und Serbien. Foto: Thomas Obermeier

    Am späten Sonntagabend starteten vier Kleinbusse aus Würzburg Richtung Balkan, vollgepackt mit Lebensmitteln, warmer Kleidung und Decken. Im Laufe des Montags kamen sie an: elf Männer und Frauen, fast alle im Studium oder am Beginn ihres Arbeitslebens. Sie sind unterwegs, um Flüchtlinge zu versorgen.

    Viele Tausend Schutzsuchende hängen auf der Balkanroute fest. Besonders dramatisch ist die Lage für Flüchtlinge, die nicht aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kommen. Sie dürfen, als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft, die Grenzen nicht passieren.

    Flüchtlinge in Flipflops, Heizstrahler nur für Polizisten

    Die Helfer-Elf trifft gleich an ihrer ersten Station im slowenischen Dobova, nahe der kroatischen Grenze, auf bedrückende Zustände. Der Würzburger Christian Ludwig, 22 Jahre alt, einer der Organisatoren des Konvois, berichtet am Telefon von einer gespenstischen Szenerie: Flüchtlinge, die am Bahnhof in bitterer Kälte auf einen Zug warten, die nackten Füße in Flipflops. Mehrere Heizstrahler seien da gestanden, aber nur einer habe gebrannt, unter ihm hätten sich maskierte Polizisten gewärmt. Flüchtlingskinder hätten geschrien. Den Helfern ging das an die Nieren. Ludwig sagt: „Wir müssen uns zusammenreißen.“

    Sie kommen aus Würzburg, Schweinfurt, Erfurt und dem Sauerland. Sie haben sich vorbereitet auf extreme physische und psychische Belastungen. Zwei Wochen vor der Abfahrt berichtete Ludwig im Gespräch mit der Redaktion, sie wüssten von anderen Helfern, dass 20 Stunden Arbeit am Tag auf sie zukommen, ohne Duschen und Betten.

    Schichtbeginn nach einem 25-Stunden-Tag

    Doch es sind mehr als 20 Stunden. In Dobova teilte sich der Konvoi. Ein Team fuhr nach Serbien weiter, eines half vor Ort, das Lager mit den Sachspenden zu sortieren. Ludwig berichtet von einem großen Durcheinander, in dem sie lange nach passenden warmen Schuhen für die Flipflop-Träger suchen mussten.

    Am frühen Abend, als etwas Ordnung im Chaos geschaffen war, fuhr der Konvoi nach Slavonski Brod im Nordosten Kroatiens weiter. Dort hat sie die Intereuropean Human Aid Associaton (IHA), mit der sie kooperieren, für die Spätschicht im Flüchtlingslager eingeteilt. Beginn: 22 Uhr - 25 Stunden nach dem Start in Würzburg.

    Die Lage ändert sich stündlich

    Dann werden sie ihre Busse ausräumen und frierende Frauen, Kindern und Männer mit warmer Kleidung, heißem Tee und heißen Suppen versorgen. Wie es danach weitergeht, ist ungewiss. Ludwig sagt, die Lage ändere sich stündlich. Sie wollen da helfen, wo die IHA sie hinschickt.

    Ludwig und seine Mitstreiterinnen Julie Michelle Brustmann aus dem Sauerland und Vera Hoxha aus Würzburg sammelten wochenlang Spenden, vor allem in Würzburg und Schweinfurt. Im Gespräch mit der Redaktion erzählte er, Brustmann sei auf die Idee gekommen und hätte ihn gefragt, ob er mitmache. Er habe sich gedacht, Mitgefühl sei „wichtig und gut, aber damit ist keinem geholfen“ - und mitgemacht.

    Am Anfang war das Chaos

    Den Beiden - junge Leute, unerfahren - wuchs die Sache über den Kopf. Ludwig sagt, er hätte „nie gedacht, dass der organisatorische Aufwand so groß ist“. Sie brauchten Sammelstellen für Spenden, Fahrzeuge, Geld, Genehmigungen für den Zoll, Versicherungen, Akkreditierungen für die Lager. Wenn sie glaubten, einen Transporter organisiert zu haben, war er schon wieder weg. Sie veranstalteten Infostände, verkauften Kleidung, trommelten für ihre, so nennen sie das Projekt: Mobile Flüchtlingshilfe, standen nur noch unter Strom, waren unstrukturiert und chaotisch. Zwei Wochen vor der Abfahrt wusste die Partnerorganisation IHA noch nichts vom geplanten Konvoi.

    Ludwig und Brustmann merkten, dass sie sich übernehmen und verstärkten sich mit der Marketingfachfrau Hoxha. Das Projekt bekam Struktur. Sie verschoben den Konvoi um mehrere Wochen, sammelten weiter und lagerten die Spenden in Hoxhas Garage. Die Würzburger und die Schweinfurter gaben reichlich - mehr, als die Helfer in ihren VW Bullys unterbrachten.

    Versteckte Drohung von Pegida

    Hoxha ist nicht mitgefahren; sie greift von Würzburg aus ein, wenn es Probleme gibt. Beim Beladen der Fahrzeuge strahlte sie vor Stolz, dass der Traum von der Mobilen Flüchtlingshilfe doch noch wahr geworden ist.

    Die Elf bekommen auf ihrer Facebook-Seite im Internet viel Zuspruch, Lob und Hochachtung. Auf eine Nachricht allerdings hätte sie gerne verzichtet. Pegida Franken hat eine verklausulierte Drohung geschickt: Die Islam- und Asylfeinde schrieben ironisch, sie fänden „total gut“, dass die Gruppe sammelt. „Hätten wir das vorher gewusst, dann hätten wir auch einige Spenden vor eurer Garage abgeladen, aber das holen wir nach.“ Die Hausnummer sei ja auf dem Bild zu sehen.

    Am 28. November wollen die Helfer nach Würzburg zurückkehren.

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