An jedem Freitagnachmittag gegen drei Uhr tigert Michelle Dorenkamp zu Volvox. Um diese Zeit verabschiedet sich das Restaurant ins Wochenende. Früher wurden dann alle Sachen, die sich nicht bis Montag halten, in die Mülltonne gekippt. Seit zwei Monaten holt Michelle Dorenkamp die Gerichte ab. Dorenkamp ist „Foodsaverin“. Sie gehört einem Team von aktuell 45 Männern und Frauen an, die seit 2014 in Würzburg Lebensmittel vor der Vernichtung bewahren.
„Das ist doch viel besser, als das Essen einfach wegzuschmeißen.“
Max Gehlofen, Restaurant Volvox
Mit zahlreichen Plastikboxen bestückt, besucht Michelle Dorenkamp Volvox heute zusammen mit Foodsaverin Dorothee Freihart. Anfang Februar hatten die zwei die Idee, Max Gehlofen und Sebastian Apel von Volvox anzusprechen, ob sie die Sachen, die sie nicht mehr verwenden können, über Foodsharing unters Volk bringen möchten. „Wir hatten noch nie etwas von ,Foodsharing? gehört“, sagt Apel. Er und sein Kompagnon waren sofort von der Idee angetan. Gehlofen: „Das ist doch viel besser, als das Essen einfach wegzuschmeißen.“
Diesmal blieben am Ende der Woche veganes Bohnenpüree, Ofengemüse aus Karotten und Petersilie sowie Rote Beete-Suppe übrig. Nachdem der letzte Gast bestellt hat, packt Michelle ihre erste Dose aus und lässt sie mit Gemüse füllen. „Das reicht bestimmt für vier Leute“, meint die angehende Biologin, die in einem Wohnheim für Studierende lebt. Esswaren, die sie rettet, unters Volk zu bringen, ist für sie ein Kinderspiel: „Ich gehe einmal bei uns im Gang herum, und meist habe ich dann schon alles los.“ Ist doch noch etwas übrig, klappert sie die Zimmer im Stockwerk darüber ab. Und natürlich isst sie selbst auch von den Leckereien, die sie rettet.
Auch Dorothee Freihart ist Studentin. Allerdings lebt die angehende Lehrerin nicht in einem Wohnheim. Sammelt sie mehr ein, als sie selbst verbrauchen kann, stellt die 24-Jährige die Sachen in den „Essenskorb“ auf der Plattform des bundesweiten Netzwerks „Foodsharing“ und meist auch noch auf Facebook ein. „Dann kommen die Leute zu mir nach Hause und holen sich die Lebensmittel ab.“ Interessante Menschen lernt Dorothee auf diese Weise kennen. Studierende, Berufstätige und Rentner, die zwar ohne weiteres im Supermarkt einkaufen könnten. Die aber, ebenso wie sie, nicht wollen, dass Nahrungsmittel vernichtet werden.
Zehn Betriebe kooperieren derzeit in und um Würzburg mit dem Foodsharing-Team, berichtet Sozialpädagogin Hjördis Ferstl, die als „Botschafterin“ hauptverantwortlich für das Würzburger Projekt ist. Von Montag bis Samstag wird an jedem Tag irgendetwas abgeholt: „Zu manchen Betrieben gehen wir täglich, zu anderen einmal in der Woche, wieder andere besuchen wir auf Abruf.“ Bisher sind es erst kleinere Restaurants, Bäckereien, Landwirte sowie Bistros, bei denen überflüssige Lebensmittel abgeholt werden. Doch die Gruppe möchte sich in diesem Jahr erweitern. So soll in Kürze ein erster Supermarkt akquiriert werden.
Seit dem 1. April gibt es im Jugendkulturhaus Cairo auch einen neuen „Fairteiler“. Darunter versteht man bei Foodsharing einen Kühlschrank, den jeder mit Käse, Wurst, Gemüse und Getränken bestücken und aus dem sich jeder bedienen kann. „Man muss dabei nur ein paar Spielregeln einhalten“, erläutert Hjördis Ferstl. So darf kein Alkohol eingestellt werden: „Denn der Kühlschrank ist öffentlich zugänglich, auch Minderjährige können sich bedienen.
“ Die Foodsharing-Gruppe kümmert sich darum, dass der Kühlschrank täglich gereinigt wird. Was nicht mehr gut ist, wird herausgenommen.
Hjördis Ferstl würde sich wünschen, dass noch mehr und noch „verschiedenere“ Menschen bei Foodsharing mitmachen. Vor allem auch Seniorinnen und Senioren würde sie gern gewinnen. Wer die Gruppe einmal unverbindlich kennenlernen möchte, kann am jeweils 2. Sonntag des Monats um 16 Uhr in die Evangelische Studierendengemeinde (ESG) kommen. Dort trifft sich das Netzwerk, das ansonsten großenteils online funktioniert, immer live zum Austausch und zum Ideenspinnen.
Kontakt zu Foodsharing in Würzburg: wuerzburg@foodsharing.network
ONLINE-TIPP
Wo welche Essenskörbe in der Nähe gerade gefüllt sind: www.foodsharing.de/karte