Freitag, 14 Uhr: Hanna Dorn stellt ihr Fahrrad vor der Suppenbar Souperior in der Würzburger Münzstrasse ab. Drinnen wartet schon die Inhaberin des kleinen Imbissladens, Hanne Haberberger, auf sie. Die beiden kennen sich seit vielen Jahren. Hanna Dorn reicht zwei große Plastikbehälter über die Theke, die sie kurz danach gut gefüllt wieder in ihrer Jutebeutel verstaut.
Hanna ist "Foodsaverin" (Lebensmittelretterin) und holt jede Woche an den unterschiedlichsten Stationen in Würzburg Lebensmittel und Essen ab, das ansonsten in den Müll wandern würde. Seit 2018 ist die junge Frau Mitglied in der lokalen Gruppe des Foodsharing-Netzwerks, einer umwelt- und bildungspolitischen Bewegung, die sich gegen die Verschwendung von Ressourcen einsetzt.
Derzeit retten über 200.000 Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz Lebensmittel vor dem Müll. In Würzburg sind es rund 300 Menschen, die 32 Abholstationen betreuen. 25 der Stationen geben regelmäßig ihre Waren an die Lebensmittelretter ab, darunter Lebensmittelmärkte, Bäckereien und kleine Imbisse. Die Lebensmittelretter sind auch auf den großen Festen unterwegs – wie zuletzt auf dem Würzburger Frühjahrs-Volksfest. Alle abgeholten Lebensmittel werden nach Möglichkeit gespendet, weitergegeben oder es werden mit ihnen die Fairteiler-Stellen befüllt – wie die Station im Kilianeum in der Ottostrasse und in der Thomaskirche.
Motiv: Einsatz gegen Verschwendung von Lebensmitteln
Auch Isabella Lohner ist Mitglied in der Würzburger Foodsharing-Gruppe und holt regelmäßig Lebensmittel in kooperierenden Betrieben ab. "Ich möchte mich gegen die Lebensmittelverschwendung einsetzen", erläutert sie ihre Motivation und gibt zu bedenken: "Ideal wäre natürlich, wenn diese Abholungen gar nicht nötig wären. Deswegen freue ich mich immer, wenn es mal wenig oder gar nichts abzuholen gibt."

Für Hanna Dorn begann ihr ehrenamtliches Engagement vor knapp fünf Jahren: Im Zuge ihres Master-Studiengangs zog die Oldenburgerin nach Würzburg und wurde hier zu einer Foodsharing-"Schnibbelparty" eingeladen. Sechs Tische waren bis zum Rand gefüllt mit Lebensmitteln, die gerettet werden konnten. Daraus kochte die 20-köpfige Gruppe ein Essen, von dem alle satt wurden. "Dieses Erlebnis hat mir die Augen geöffnet", berichtet die junge Frau. "Nach dem Abend war für mich klar, dass ich mich bei Foodsharing engagieren würde."
Eine Handvoll von Abholstationen betreut Hanna selbst, wie die Suppenbar Souperior, bei der sie und andere Team-Mitglieder bis zu zweimal pro Woche die Reste abholen. Oft ist es das Tagesgericht, das die Inhaberin abgibt. Früher waren es auch alle Suppen, doch mittlerweile werden diese eingekocht und als Suppe zum Mitnehmen verkauft. "Durch die Ausgangssperre während der Corona-Zeit müssen wir die hohen Einnahmeausfälle ausgleichen und verkaufen daher die Suppen im Glas weiter", sagt Inhaberin Haberberger.
Im Freundeskreis gab es einen Aha-Effekt
Nicht nur ihr eigenes Verhältnis zu Lebensmitteln habe sich verändert, berichtet Hanna: "Ich veranstalte auch selbst Foodsharing-Essen mit geretteten Lebensmitteln für Freunde. Viele probieren dann regionale Lebensmittel zum ersten Mal, wie z.B. Mangold. Außerdem gebe ich Dinge weiter, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten ist. Dies bedeutet ja nicht, dass beispielsweise ein Joghurt dann schlecht ist. Da gab es schon so manchen Aha-Effekt bei meinen Freunden, von denen sich einige auch bei Foodsharing angemeldet haben."

Im Umkreis von Isabella Lohner hat das Umdenken noch nicht eingesetzt: "Ich habe schon in meinem Haus einen Aushang gemacht, da ich auch dort eine Kultur des Foodsharens etabliert hätte, was leider bisher nicht geklappt hat. Ich glaube viele Menschen haben da noch Vorbehalte."
Das Netzwerk will in Würzburg weiter wachsen und braucht zuverlässige Abholer und Abholerinnen und weitere Supermärkte, Bäckereien und Geschäfte, die überschüssige Waren abgeben möchten. "Je mehr Menschen mitmachen, desto mehr Lebensmittel können wir retten", ermutigt Hanna weitere Mitstreiter und Mitstreiterinnen.
Zukunftswoche MainfrankenMehr Infos zum Foodsharing gibt es unter foodsharing.de. Wer Lust hat, bei einer "Schnibbelparty" dabei zu sein, findet die aktuellen Termine bei der Initiative "Über den Tellerrand": ueberdentellerrand.org/satelliten/wuerzburg/Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln ist auch eines der Themen bei der Zukunftswoche Mainfranken, die vom 13. bis 21.Mai 2023 in Würzburg und der Region stattfindet. Eine Übersicht über alle Veranstaltungen gibt es auf zukunftswoche-mainfranken.de.Quelle: mir