Ottmar Deppisch hat die Fotos im Laufe von neun Jahren geschossen. „Die Bilder sind alle aus diesem Jahrtausend“, betont er mehrmals in einem Gespräch. Und das ist auch wichtig zu wissen: Ein Land in Europa, seit einigen Jahren sogar Mitglied der Europäischen Union – und dann solche Einblicke.
Keine Nostalgie ist also auf den Fotos zu sehen, betont Deppisch: „Es ist die Realität“. Und die hat er im Jahr 2001 erstmals hautnah erlebt, als er den Bibergauer Rumänienhelfer Elmar Karl für eine Reportage für die Main–Post auf einem Hilfstransport begleitete. Angesichts der Armut und des Elends stellte er sich die Frage: „Kann das in einem europäischen Land überhaupt sein?“ Und für ihm war schnell klar: „An diesem sozialen Elend kann ich nicht einfach vorbeigehen.“
Die Folge für ihn: Er schloss sich der Rumänienhilfe Karl an. Wie so viele andere auch. Seit 20 Jahren gibt es nun diese Rumänienhilfe von Elmar Karl. Grund genug, das zum Anlass für eine Feierstunde zu nehmen, unter der Schirmherrschaft der Kitzinger Landrätin Tamara Bischof und mit vielen Wegbegleitern von Elmar Karl, der dabei natürlich im Mittelpunkt stand.
Karl hat Rumänien noch in einem viel schlimmeren Zustand erlebt, als die Fotografien von Ottmar Deppisch das zeigen. 1990 wollte Karl eigentlich nach Äthiopien zur Hilfsorganisation von Karl Heinz Böhm, als sich überraschend der eiserne Vorhang öffnete. Karl reiste nach Rumänien und was er da sah, prägte von da an sein Leben: „Da gab es Kinderheime, in denen Zweijährige an Heizkörper gefesselt waren und den Fensterkitt gefressen haben.“ Drastisch, deutlich, aber sicher damals die Realität in einem 40 Jahre lang von Kommunismus und dem Ceausescu-Clan gebeutelten Land. Dort zu helfen, wurde für Karl zum Lebensinhalt.
Mittlerweile hat er über 600 Lastwagenfuhren, die meisten mit 40-Tonner-Sattelschlepper, nach Rumänien geschickt. Seine Hilfslieferungen gingen an über 30 Schulen, Kindergärten, Sozialstationen, Waisenhäuser, Behinderteneinrichtungen, Krankenhäuser und landwirtschaftliche Betriebe der katholischen Kirche und Caritas in Siebenbürgen, teilt der Caritasverband Würzburg mit. Karls Rumänienhilfe ist bundesweit eine der größten privaten, sozialen Hilfsaktionen.
„Heute würde ich es nicht mehr so machen“, sagt Karl rückblickend auf die Anfangszeit. Denn zu Beginn waren seine Hilfstransporte wohl auch von einer zu großen Naivität geprägt: Die Armut war so groß, dass Transporte anderer Organisationen geplündert wurden – Karl hatte bis heute aber Glück. Und im Laufe der Jahre auch eine funktionierende Struktur zur Verteilung der Spenden aufgebaut: Die Hilfsgüter gehen direkt an die Kirche und die Caritas und nicht an Privatpersonen.
„Da gab es Kinderheime, in denen Zweijährige an Heizkörper gefesselt waren und den Fensterkitt gefressen haben.“
Elmar Karl, Rumänienhelfer aus Bibergau
„Hilfe zur Selbsthilfe“ will Karl leisten und er sieht auch, dass das Engagement seiner Rumänienhilfe „kein Tropfen auf dem heißen Stein“ ist. Nach einer Zeit des Aufbruchs sieht er derzeit allerdings wieder Rückschritte im sozialen System in Rumänien: Nach dem EU-Beitritt sind auch hier die Großkonzerne und Banken eingefallen – mit all den negativen Folgen. Erst jüngst hat die Regierung dort dem Land einen rigorosen Sparkurs verpasst: Die Gehälter im öffentlichen Dienst sind um 25 Prozent, die Renten um 15 Prozent gekürzt worden. Und das bei allen Rentnern, auch denen, die gerade mal ein paar Euro im Monat bekommen.
Rund 600 dieser Transporte sind in den vergangenen 20 Jahren in das osteuropäische Land gegangen. Und nicht etwa mit Kleintransportern, nein, mit Sattelschleppern mit 40 Tonnen, wie Landrätin Tamara Bischof in ihren Grußwort betonte. Vom Handschuh für ein Kleinkind bis zum Mähdrescher, Bischof spendete ein Klavier, der Landkreis die noch funktionsfähige Sanitäranlage aus den Schulcontainern der Berufsschule – es wird einfach alles benötigt was hilft, die Not wenigstens ein wenig zu lindern.
Das alles kann ein Mann natürlich nicht alleine auf die Beine stellen. Zum Spenden sammeln, zum Sichten und Packen der Hilfsgüter, zum Laden der vielen Lkw – da braucht es eine breite und zuverlässige Helferschar, die an diesem Abend auch ein klein wenig in den Fokus gerückt wurde: Von der Caritas der Erzdiözese Alba Julia in Rumänien gab es Urkunden für die Helfer.
Und natürlich wurde auch Elmar Karl ausgezeichnet: Mit Worten, etwa von Landsrätin Bischof, die das große soziale Engagement lobt. Vom Dettelbacher Bürgermeister Reinhold Kuhn, der Karl als gutes Beispiel der sozialen Bürgergesellschaft bezeichnete. Mit Geschenken, etwa von der rumänischen Caritas. Domkapitular Clemens Bieber aus Würzburg verlieh Karl die Caritasnadel in Gold und als Spende gab es von den Caritasmitarbeitern 3000 Euro. Für die nächsten Hilfstransporte. Denn die, so Karl, sind auch weiter nötig, mindestens noch für die nächsten zehn Jahre.
Termin: Die Fotoausstellung ist am Sonntag während des Dettelbacher Weinfests im historischen Rathaus in Dettelbach zu sehen.
Rumänienhilfe
„Gebraucht wird fast alles, nicht entgegengenommen werden Müll und Schrott“ – so steht es in einem Prospekt der Rumänienhilfe Karl. Die Sachspenden können bei Elmar Karl in Bibergau (09324/2640) oder bei Ottmar Deppisch (09324/2126) gemeldet werden. Auch Geldspenden sind gefragt, die auf das Konto der Kirchenstiftung Bibergau bei der VR Bank Kitzingen BLZ 791 900 00, Konto 600 450 456 eingezahlt werden können. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Rumänienhilfe ist im Verlag Röll, Dettelbach, ein Fotokalender für das Jahr 2011 erschienen, der ebenfalls bei Elmar Karl bezogen werden kann und von dessen Erlös vier Euro an die Rumänienhilfe gehen.