Bei den Frankenfestspielen Röttingen hat die neue Saison begonnen – den Auftakt machte das Junge Theater. Nach vier Vorführungen des Musicals "Das Dschungelbuch" mit über 70 Jugendlichen des Gymnasium Weikersheim und des Deutschorden-Gymnasium Bad Mergentheim, standen am Muttertag und dem Montag darauf die Kinder der Grundschule Röttingen auf der Bühne. Sie verwandelten mit dem Musical "Ronja Räubertochter" nach der Geschichte von Astrid Lindgren Burg Brattenstein in die Welt der Mattisräuber. Insgesamt sahen rund 1500 begeisterte Zuschauer das Stück – doch bis dahin war es ein weiter Weg.
Monate der Vorbereitung gingen den Auftritten voraus. Das Ensemble, 19 Erst-bis Viertklässler, erarbeitete sich die Geschichte Stück für Stück; die Kinder lernten Texte und Lieder auswendig und wuchsen in ihre jeweiligen Rollen hinein. So auch Mariella Henkelmann. Die Zehnjährige verkörperte in "Ronja Räubertochter" Mattis, den Räuberhauptmann und Vater von Ronja. Wir haben sie bei einer der letzten Proben vor den Auftritten begleitet. Ein Rückblick.

Hinter Mariella liegt eine aufregende Woche: Am vergangenen Sonntag hatte sie ihr Debüt als "Mattis" vor großem Publikum, am Montag stand sie bei der Aufführung für Schulklassen auf der Bühne. Der Mittwoch brachte den vorerst letzten Auftritt – beim "Großen Konzert des Jungen Theaters" eröffneten die Grundschüler den Abend mit einem Lied aus "Ronja Räubertochter".
"Auf der Bühne sage ich mir, 'du bist nicht Mariella, du bist jetzt jemand anderes'."
Mariella Henkelmann (10) über ihre Rolle als "Mattis" in "Ronja Räubertochter"
Doch zurück zum Probenbesuch: Wenige Tage vor der Premiere am Sonntag beschäftigt Mariella vor allem ihr Auftritt am darauffolgenden Montag: "Da kommen all meine Mitschüler und Lehrer", sagt sie und lacht nervös. Es ist bereits ihr dritter Einsatz für das Junge Theater – während sie bei "Räuber Hotzenplotz" (2023) und "Das Sams" (2022) noch kleinere Rollen spielte, hat sie diesmal eine der Hauptrollen im Stück. "Ich wusste, es wird eine Herausforderung", so Mariella.

Dass sie sich dieser gestellt hat, wäre vor einigen Jahren noch alles andere als selbstverständlich gewesen. "Als Mariella in der zweiten Klasse mit dem Theaterspielen angefangen hat, war sie ein ganz schüchternes Mädchen", erinnert sich ihre Mutter Marion. "Ich hab' vor anderen kein Wort herausgebracht", bestätigt Mariella.

Theater-AG für mehr Selbstbewusstsein
Marion Henkelmann beschloss, ihre Tochter für die Theater-AG in der Grundschule anzumelden – "fürs Selbstbewusstsein". Der Plan ging auf, "dass es sich so entwickelt hat, ist kaum vorstellbar; es ist schön, Mariella so offen zu sehen", sagt Henkelmann. Wenn die Zehnjährige auf der Bühne steht, ist von Schüchternheit nichts zu merken: Als Räuberhauptmann Mattis schreit, schimpft und tobt sie, wirft sich vor Wut auf den Boden oder verstößt eiskalt Ronja, als diese sich auf die Seite ihres Freundes Birk stellt. Die Trennung zwischen ihr selbst und der Rolle helfe ihr, erklärt die Viertklässlerin: "Auf der Bühne sage ich mir, 'du bist nicht Mariella, du bist jetzt jemand anderes'."
Seit Beginn des Schuljahres haben sich die Schülerinnen und Schüler in der wöchentlichen Theater-AG mit dem Stück beschäftigt. Anfang dieses Jahres folgten mehrere intensive Probewochenenden, in der Woche vor den Auftritten wurde täglich geprobt.
"Werdet mal ein bisschen handgreiflich, aber ohne euch weh zu tun!"
Frederike Faust, Leiterin Junges Theater der Frankenfestspiele Röttingen, zu zwei "Räubern"
In ihrer Rolle als Mattis muss sich Mariella viel Text merken. Hilfe bekommt die Zehnjährige dabei von ihrem Vater – "nach dem Abendessen wird immer eine halbe Stunde Text wiederholt, außerdem laufen die Lieder aus dem Stück den ganzen Tag rauf und runter", erzählt Marion Henkelmann. Einen Satz nach dem anderen auswendig lernen, und das Ganze dann vor Papa oder dem Spiegel aufsagen, so habe sie sich den Text eingeprägt, erzählt Mariella.

Schwierig an ihrer Rolle als Räuberhauptmann sei "das Rumbrüllen und Rumschreien" gewesen. Zwar mache es Spaß, Sachen zu sagen, die man sonst nicht sagen dürfe, Überwindung koste es trotzdem. "Einen Räuber zu spielen, scheint schwierig zu sein", bestätigt Frederike Faust, die das Junge Theater leitet, "die Kinder lächeln beim Schreien". Dementsprechend fallen bei der Probe ihre Anweisungen aus: "Du bist ein böser Räuber – die lächeln nicht", ermahnt sie Mariella – "als Räuber darfst du richtig derb sein", ruft sie einem anderen Mädchen zu. Auch beim Kämpfen gibt es Tipps von Faust: "Werdet mal ein bisschen handgreiflich, aber ohne euch weh zu tun!"

Wie der "Zahnpasta-Trick" beim Wütend-Sein hilft
Nicht nuscheln, beim Sprechen auch über längere Passagen nicht leiser werden, eine Emotion überzeugend herüberbringen – es gibt vieles, worauf die Kinder auf der Bühne achten müssen. Für letzteres hat Frederike Faust einen guten Trick: "Denk' an den Zahnpasta-Streit mit deiner Schwester!", ruft sie Mariella zu, als diese bei einer Auseinandersetzung mit "Tochter" Ronja nicht wirklich erbost wirkt. "Meine Schwester versteckt beim Zähneputzen oft die Zahnpasta vor mir oder wir streiten darum, wer wo am Waschbecken stehen darf, das nervt", erklärt Mariella. Sich an dieses Gefühl zu erinnern, helfe ihr auf der Bühne, wenn sie zum Beispiel wütend sein soll.

Bei den Proben ist eine Pause angesagt. Mariella, Jule, Ann-Sophie und Sina verbringen sie im Burggarten; ihr Gespräch dreht sich um Lampenfieber. "Wenn man vor der ersten Szene hinter der Bühne steht, hört man alles aus dem Publikum", sagt Mariella, die diese Situation von Auftritten aus den Vorjahren kennt. "Da kann man schon Angst und zitternde Knie bekommen."
"Wenn ein paar Szenen rum sind, ist es nicht mehr so schlimm", meint Ann-Sophie. Nicht direkt ins Publikum schauen, sondern einen Punkt fixieren, der sich nicht bewegt, ist Mariellas Rezept gegen Lampenfieber. Dass bei Texthängern Frederike Faust über die Microports der Kinder Souffleuse spielen kann, beruhigt alle. Und sollte mal gar nichts mehr gehen, denken sie an Fausts ultimativen Tipp: "Nicht aufhören, einfach weitermachen – die Zuschauer haben kein Textbuch."
"Ronja Räubertochter" und das Röttinger Team dahinterDas 1981 erschienene Kinderbuch "Ronja Räubertochter" von Astrid Lindgren dreht sich um Freundschaft, Mut und der Suche nach dem eigenen Weg im Leben. Ronja wächst als Tochter des Räuberhauptmanns Mattis auf. Als sie sich mit Birk, dem Sohn des verfeindeten Räuberhauptmanns Borka anfreundet, nimmt ihr Leben eine unerwartete Wendung.Regie im für die Bühne bearbeiteten Musical von Karin Freist-Wissing, mit Musik von Tono Wissing, führte die Leiterin des Jungen Theaters, Frederike Faust, unterstützt von Heinz Krämer aus dem Extra-Ensemble. Die musikalische Leitung hatte Matthias Engel inne; das 3D-Bühnenbild entwarf Nadja Ziegler. Angelina Lochner entwickelte die Choreografien und kümmerte sich um die Kostüme; für Ton und Technik war Anna Harandt verantwortlich. Eine Besonderheit war die Doppelbesetzung von "Ronja" mit Jule Mark und Marie Reindl, die sich das Stück aufteilten. In der Rolle des Birk war Hanna Metzger zu sehen.Quelle: cat