„Manche sagen, Röttingen ist wie Urlaub.“
Evelyn Lorenz, Stadtmarketing
Am Donnerstag eröffnen die Frankenfestspiele auf Burg Brattenstein – mit der Premiere der „Dreigroschenoper“. Eine Woche später folgt das Musical „My Fair Lady“, wiederum zwei Wochen darauf das Volksstück „Der Brandnerkasper schaut ins Paradies“. Seit Mitte Mai finden in Röttingen zeitgleich Proben zu den drei Stücken statt – eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten, da die möglichen Probestätten begrenzt sind. Im Hof und in der Halle von Burg Brattenstein kann geprobt werden; 2016 kam als dritter Ort der Bauhof dazu. Eindrücke vom „Probendreiklang“ der Frankenfestspiele.
Auf der Bühne geht's zur Sache
„Viele Jahre fanden in Röttingen nur die abschließenden Bühnenproben statt – vorher wurde in Wien, Berlin oder anderswo geprobt“, erklärt Stadtmarketing-Leiterin Evelyn Lorenz. Seit 2016 sind alle Proben ausschließlich vor Ort, wodurch der Bauhof als zusätzliche Probestätte nötig wurde. „Wir haben keine anderen Kapazitäten; die Schulturnhalle oder der Gewölbekeller sind zu klein“, so Lorenz. Da einige Ensemble-Mitglieder in mehreren Stücken mitspielen, und zudem die Probenstätten der einzelnen Stücke im Wechsel rotieren, wird das Erstellen der Probenpläne zur Herausforderung. Auch den jeweiligen Bühnenumbau muss Bauhofleiter Udo Beil, der zugleich technischer Leiter der Festspiele ist, genau planen. „Besonders stressig wird es am letzten Juli-Wochenende, wenn an jedem Tag ein anderes Stück gespielt wird, und somit jeden Tag umgebaut werden muss“, sagt Lorenz.
Im Burghof geht gerade die „Dreigroschenoper“ in die letzte Probenrunde. Regisseur Donald Berkenhoff sitzt mit Sonnenbrille vor der Bühne, aufmerksam verfolgt er das Ensemble, macht sich Notizen, nickt, lächelt. Auf der Bühne geht es unterdessen ordentlich zur Sache: „Ich liebe Dich so sehr, dass ich Dich lieber am Galgen sehe, als in den Armen einer anderen Frau“, beteuert Lucy (Frederike Faust) Mackie Messer (Max Gertsch) – und zieht ihrem Vater Tiger Brown (Mirko Böttcher) in der Folge rabiat einen blauen Plastiksack über den Kopf, damit sie mit Mackie fliehen kann. Letzterer wiederum hängt in einer Szene minutenlang angekettet an einem Seil, und wird anschließend von zwei seiner Geliebten über die Bühne geschleift, die außerdem an ihm zerren und ihn mit ihren Stöckelschuhen traktieren. Dazu kommt: Es ist heiß, und die Bühne liegt ungeschützt in der Sonne. Die Schauspieler schwitzen, ein Ensemblemitglied kippt sich nach seinem Einsatz erst einmal eine Flasche Wasser in den Nacken.
Entzückend ordinär - und entsetzlich schmutzig
„Bei einigen haben sich bei den Proben auf der Burghof-Bühne die Gummisohlen so erhitzt, dass sie sich andere Schuhe kaufen mussten“, sagt Regieassistentin Verena Wais. Sie sitzt zur gleichen Zeit in der schattigen Burghalle, bei den Proben zu „Der Brandnerkasper schaut ins Paradies“. „Kasper, dei Kerz?n is runterbrannt, du hast lang nur g'lebt“, erklärt der Tod (Richard Putzinger), der sich selbst lieber als „Boanlkramer“ bezeichnet, dem Brandnerkasper (Wolfram Kunkel). Doch der 70-Jährige ist noch nicht bereit, abzutreten. Erst wütet er, dann handelt er dem Tod mit Hilfe einer Flasche Kirschgeist und einem Kartentrick noch 20 Jahre ab. „Wenn Du die Karte einsteckst, zeig‘ das deutlicher, damit es das Publikum auch sieht“, sagt Regisseur Pavel Fieber zu Kunkel.
Ein Tisch, zwei Stühle, dahinter eine kleine Bühne – diese schlichte Ausstattung genügt, um bereits nach wenigen Minuten im Spiel der beiden Hauptdarsteller gefangen zu sein. „Die Proben in der Burghalle sind gut“, findet auch Max Gertsch aus der „Dreigroschenoper“. „Da der Raum dort so begrenzt ist, kann man sich besser aufs Spiel fokussieren.“
Zu viel Ablenkung bietet für ihn der Bauhof: „Wenn man nicht dran ist, ist es spannend, die Landmaschinen anzukucken“, sagt Gertsch und lacht. Neben den Maschinen stapeln sich am Rand der Halle Pflastersteine, Kabeltrommeln, Paletten, Reifen, Biertischgarnituren und Klappstühle. „Der Bauhof ist eine Halle, kein Probenraum“, räumt Stadtmarketing-Leiterin Lorenz ein. „Er ist aber aufgeräumt und bietet genug Platz für die Proben.“ Platz findet auch eine ausladende Treppe, an deren oberen Ende sich die Bühne befindet. „Sie ist so entzückend ordinär – und so entsetzlich schmutzig!“, urteilt derweil Professor Higgins alias Pavel Fieber bei den Proben zu „My Fair Lady“ wenig charmant über Eliza Doolittle (Antje Rietz).
2000 Mal in dieselbe Rolle geschlüpft
Fieber agiert in dieser Spielzeit nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur beim „Brandnerkasper“. Das Inszenieren empfindet er als weniger anstrengend als das Spielen. „Meine Figur Higgins zieht das Stück – zum Glück muss ich den Text nicht mehr lernen!“ An die 2000 Mal ist Fieber bereits in die Rolle des Sprachforschers Professor Higgins geschlüpft, trotzdem empfindet er das Stück noch immer als Herausforderung. „Die Kunst an unserem Beruf ist die Wiederherstellbarkeit, man muss seine Leistung immer wieder aufs Neue abrufen können.“
Wer sich zwischen den Proben ausruhen möchte, muss eventuell etwas Fahrtzeit einplanen – nicht alle der 18 Schauspieler, Regisseure und Musiker haben während der Proben- und Festspielzeit direkt in Röttingen eine Bleibe gefunden. Die Zahl der Ferienwohnungen ist begrenzt, die Ensemblemitglieder konkurrieren mit Arbeitern für die umliegenden Windkraftanlagen und Urlaubern um eine Unterkunft. „Wir konnten alle unterbringen – in Röttingen, Bieberehren und Strüth“, so Lorenz. Die tägliche Fahrt mit dem Fahrrad zu den Proben empfänden einige als erholsam, sagt die Stadtmarketingleiterin und lacht. „Manche sagen, Röttingen ist wie Urlaub.“
Spielplan Frankenfestspiele Die Premiere der „Dreigroschenoper“ findet am Donnerstag, 22. Juni, statt. „My Fair Lady“ feiert am Donnerstag, 29. Juni, Premiere, „Der Brandnerkaspar schaut ins Paradies“ am Donnerstag, 13. Juli. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr. Eintrittskarten für die Frankenfestspiele sowie der detaillierte Spielplan sind bei der Tourist-Information Röttingen erhältlich, Tel. (0 93 38)97 28 55, oder unter www.frankenfestspiele.de