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Würzburg: Frauentag: Fünf Frauen aus Unterfranken sagen, wieso er wichtig ist

Würzburg

Frauentag: Fünf Frauen aus Unterfranken sagen, wieso er wichtig ist

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    Wie geht es Frauen in Zeiten der Corona-Pandemie? Und was bedeutet der Weltfrauentag für sie?
    Wie geht es Frauen in Zeiten der Corona-Pandemie? Und was bedeutet der Weltfrauentag für sie? Foto: Illustration Karina Färber

    Seit 110 Jahren wird am 8. März der Internationale Frauentag begangen. Und es ist ganz offenbar nicht so, dass man diesen Gedenktag, demnächst abschaffen könnte. Beim Einkommen klafft weiter eine Lücke zwischen Frauen und Männern, auch in Deutschland. Laut Polizei wird jede vierte bis fünfte Frau Opfer von sexualisierter Gewalt. Und der aktuelle Bundestag ist nur zu einem Drittel mit Frauen besetzt. Die Corona-Pandemie hat viele Probleme weiter verschärft. Wir haben fünf Frauen aus der Region gefragt, was der Internationale Frauentag  für sie bedeutet - und sie um ihren persönlichen Lesetipp gebeten.

    "Wenn das Leben bedroht wird, besinnt man sich auf Dinge, die wirklich wichtig sind", sagt die Würzburger Philosophin und Schriftstellerin Bettina Schmitz.
    "Wenn das Leben bedroht wird, besinnt man sich auf Dinge, die wirklich wichtig sind", sagt die Würzburger Philosophin und Schriftstellerin Bettina Schmitz. Foto: Thomas Obermeier

    Bettina Schmitz: "Den Feminismus gibt es stärker als je zuvor"

    "Als selbständige Philosophin und Schriftstellerin versuche ich, dem Leben mit philosophischer Gelassenheit zu begegnen. Dass sich an unserer Welt etwas ändern muss, das ist mir schon lange klar geworden. Ich denke dabei an die Verteilung der Arbeit, besonders der Care-Arbeit, die vor allem Frauen leisten und ich denke auch an die Umweltproblematik.

    Die Pandemie hat gezeigt: So geht es nicht weiter. Es muss sich etwas ändern. Und ich bin mir sicher, so ein Schlag wie die Corona-Krise kann auch positive Veränderungen herbeiführen. Wenn das Leben bedroht wird, besinnt man sich auf Dinge, die wirklich wichtig sind. Vor zehn Jahren hat sich einer meiner Söhne mit 17 nach einer Viruserkrankung nicht mehr erholt. Er ist seitdem zu Hause. Seitdem sind wir sozusagen in unserem privaten Lockdown.

    Das war die größte Herausforderung in meinem Leben. Er ist immer noch sehr schwach und leidet unter dem Chronischen Fatigue Syndrom. Damals musste ich wieder in die traditionelle Frauenrolle gehen und diesen Spagat muss ich seitdem bewältigen. Im vergangenen Jahr habe ich meine Kurse und meine Arbeit sehr vermisst. Aber dieser Rückzug war für mich als Schriftstellerin auch etwas Vertrautes. Ich hatte Zeit zu schreiben, ohne mich ablenken zu lassen.

    Den Feminismus gibt es immer noch und zwar stärker als je zuvor: Geschlechtergerechte Sprache, Arbeitsteilung, sexualisierte Gewalt und vor allem die Verteilung der Care-Arbeit sind als Themen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Durch Corona lasten die alte Hausarbeit und das neue Homeschooling wieder stärker auf den Schultern der Frauen. Doch wir nehmen das nicht mehr hin. Wir wissen, dass es nicht in Ordnung ist. Ich wünsche mir, dass alles, was Frauen für unsere Gesellschaft leisten, anerkannt wird und besonders dass ältere Frauen als wichtiger Bestandteil der Gesellschaft gesehen werden."

    Dr. Bettina Schmitz, Jahrgang 1962, hat in Tübingen, Göttingen und Würzburg Philosophie studiert und viele Jahre auch an der Universität Würzburg gelehrt. Seit über zehn Jahren arbeitet sie freiberuflich als Philosophin und Schriftstellerin. Ihr Buchtipp: Luisa Muraro, "Vom Glück, eine Frau zu sein".

    Für die Schülerin Pauline Behnke ist Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit. 
    Für die Schülerin Pauline Behnke ist Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit.  Foto: Familie Behnke

    Pauline Behnke: "Frauen meiner Generation legen viel Wert auf Feminismus"

    "Der Weltfrauentag ist für mich sehr wichtig. Die Emanzipation der Frau hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und ist dennoch nicht am Ziel angekommen. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind leider nach wie vor deutlich zu spüren. Angefangen bei Erwartungen Frauen gegenüber, wie sie sich zu kleiden oder eben nicht zu kleiden haben, bis hin zu einer weiten Kluft in Sachen Gehalt. Es ist enorm wichtig, dass der 8. März weltweit verstärkt auf diese Missstände aufmerksam macht. Für Gleichberechtigung sollte aber an jedem einzelnen Tag im Jahr gekämpft werden!

    Das Corona-Jahr war für alle Menschen schwer und nervenaufreibend und geht ja gerade in die zweite Runde. Persönlich habe ich nicht das Gefühl, dass Frauen mehr Probleme schultern mussten als Männer. In meiner Familie stand Gleichberechtigung nie zur Diskussion, sondern war eine Selbstverständlichkeit. Gleichberechtigung bedeutet für mich: Wenn eine Frau liebend gerne kocht und ihr Haushaltstätigkeiten Spaß machen, kann sie das tun. Wenn einer anderen Frau allerdings die Arbeit Freude bereitet, sollte sie sich dafür entscheiden können.

    Feminismus bedeutet, dass die Entscheidungen einer Frau, wie sie ihr Leben führen will, gesellschaftlich in gleichem Maße akzeptiert werden. Gerade die Frauen meiner Generation legen viel Wert auf Feminismus. Sie stehen für diese Werte ein – von alltäglichen Diskussionen in der Schule, im Freundeskreis oder Veröffentlichungen auf Social Media, bis hin zu Demonstrationen und Kampagnen. Aber auch jungen Männer unterstützen zunehmend die Ziele der Emanzipation.

    Unsere Generation macht viele Fortschritte hinsichtlich der Toleranz und Akzeptanz verschiedener Geschlechter und Konfessionen. Ich wünsche mir von Herzen, dass der Feminismus noch viel erreichen wird, um jedem einzelnen Mädchen und jeder Frau zu ermöglichen, das zu tun, was sie sich erträumt und ihr Leben nach ihrer Vorstellung leben zu können."

    Pauline Behnke ist 17 Jahre alt und besucht die 12. Klasse des Friedrich-Rückert-Gymnasium in Ebern (Lkr. Haßberge). Sie ist Bezirksschülersprecherin, möchte nach dem Abitur Jura studieren und Verteidigerin, Staatsanwältin oder Richterin werden. Ihr Buchtipp: Margaret Atwood, "Der Report der Magd".

    Susanne Neubauer kämpft seit vielen Jahren für Gleichberechtigung.
    Susanne Neubauer kämpft seit vielen Jahren für Gleichberechtigung. Foto: Susanne Neubauer

    Susanne Neubauer: "Frauen sind mehr denn je benachteiligt"

    "Das Corona-Jahr habe ich als anstrengend, erschöpfend, zu Beginn ängstlich, herausfordernd und intensiv empfunden. Die größte Herausforderungen dabei waren für mich der Verlust meiner Freiheit, nicht mehr tun zu können was, wo und mit wem ich das möchte, ständig Neues zu lernen, Routinen im Beruflichen und Privatem abzulegen, Dinge zu besorgen, die auf dem Markt gerade nicht zu haben sind, und ganz einfach mit den Einschränkungen der Pandemie zu leben und dabei glücklich zu bleiben.

    Nachdem mein Mann von Beginn der Pandemie in Kurzarbeit und somit immer noch viel zuhause ist, hat er mehr Aufgaben im Haushalt und in der Familie übernommen. Zu Beginn lief es nicht immer ganz reibungslos, aber inzwischen klappt das sehr gut. Nachdem meine Arbeitssituation sich sehr verdichtet hat, ist das für mich eine große Unterstützung und lässt mir mehr Möglichkeiten die Herausforderungen der Pandemie zu meistern und mir auch mal Zeit nur für mich zu nehmen.

    Das kann gerne auch über die Pandemie hinweg so bleiben! Frauen sind mehr denn je benachteiligt und im Alltag mit Sexismus konfrontiert. Diese Realität überschneidet sich mit Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung aufgrund von Behinderung, Weltanschauung, sozialer Herkunft und anderen strukturellen Ungleichheiten. Daran setzt Feminismus heute an und stellt sich gegen Ungerechtigkeiten, die uns alle etwas angehen.

    Ich wünsche mir, dass wir nach 110 Jahren Internationaler Frauentag diesen abschaffen können, weil wir unsere Ziele erreicht haben. Gleichberechtigung von Frau und Mann in allen Lebensbereichen – ohne Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. Wir brauchen bessere Löhne in frauendominierten Berufen, mehr Frauen in Führungspositionen und eine geschlechtergerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Deswegen: Mitmachen, mitreden und mitbestimmen unter dem diesjährigen Motto "Mehr Gewerkschaft –Mehr Gleichstellung – Mehr denn je!"

    Susanne Neubauer, Jahrgang 1967, ist stellvertretende Bezirksgeschäftsführerin bei ver.di in Würzburg. Sie hat zehn Jahre als Krankenpflegerin gearbeitet, bevor sie Sozialwesen studierte und nun als  Gewerkschaftssekretärin tätig ist. Ihr Buchtipp: Virgina Woolf, "Ein Zimmer für sich allein".

    "Ich habe gelernt nein zu sagen, freundlich, aber bestimmt und ich weiß, was ich kann", sagt Afssane Ghassemi.
    "Ich habe gelernt nein zu sagen, freundlich, aber bestimmt und ich weiß, was ich kann", sagt Afssane Ghassemi. Foto: Afssane Ghassemi

    Afssane Ghassemi: "Ich bin gerne Frau"

    "Ich bin gerne Frau. Klar gibt es viele, viele Ungerechtigkeiten, doch wir Frauen müssen lernen, unsere eigene Kraft einzusetzen und zu entwickeln, statt sein zu wollen wie Männer – wie bessere Männer. Jeder Mensch – egal, ob Frau oder Mann – soll so sein, wie er ist, sich weder verstellen, noch verbiegen. Ich habe gelernt nein zu sagen, freundlich, aber bestimmt und ich weiß, was ich kann.

    Dennoch gibt es teilweise auch bei uns noch Situationen, in denen man als Frau benachteiligt wird. Es gehen zwar genauso viele Frauen wie Männer täglich zur Arbeit, jedoch sitzen in den Chefetagen überwiegend immer noch Männer. Obwohl Frauen gleiche oder höhere Bildungsabschlüsse, Qualifikationen und Führungskompetenzen besitzen, erhalten Frauen für vergleichbare Arbeit durchschnittlich merklich weniger Geld, als männliche Kollegen.

    Das Privatleben vieler Paare ist noch immer vom Rollenmodell des "männlichen Haupternährers" geprägt und einer Ehefrau, die Kinderbetreuung und Haushalt neben der Erwerbsarbeit erledigt. Zwar steht erstmals eine Frau an der Spitze der EU-Kommission, erstmals gibt es eine Dax- Chefin und auch die Europäische Zentralbank wird von einer Frau geführt. Dennoch: Auf dem Weg zu diverseren Führungsetagen bleibt hinsichtlich der Gleichberechtigung noch einiges zu tun – und zwar weltweit.

    Die Soroptimistinnen sind das weltweit größte Netzwerk für berufstätige Frauen. Durch die Pandemie hat sich unser Clubleben zwangsläufig ins Internet verlagert. Zum Weltfrauentag wünsche ich mir Gleichberechtigung, Geschlechtergerechtigkeit, Gleichstellung, Chancengleichheit von Mann und Frau. Mehr Schutz und Hilfe für Frauen in Not. Mehr Aufmerksamkeit und Aufklärung bei Gewalt gegen Frauen. Mehr Hilfe und Schutz für Frauen nach Gewalterfahrung. Mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie."

    Afssane Ghassemi, Jahrgang 1974, hat Medien- und Informationswirtschaft studiert. Sie ist selbständig als Expertin für Web-Commerce und leitet den Soroptimist International Club Würzburg. Ihr Buchtipp: Monika Gruber, "Und erlöse uns von den Blöden: Vom Menschenverstand in hysterischen Zeiten".

    Claudia Nowak wünscht sich, dass Frauen mehr Anerkennung und Gehalt bekommen.
    Claudia Nowak wünscht sich, dass Frauen mehr Anerkennung und Gehalt bekommen. Foto: Familie Nowak

    Claudia Nowak: "Bei mir gehen klar die Kinder vor"

    "Die größte Herausforderung als Mutter war, Zeit für die Arbeit zu finden. Homeoffice geht nicht, wenn Kinder zu Hause sind, die einen brauchen. Entweder Office oder Schule. Bei mir gehen klar die Kinder vor! Letztes Frühjahr war oft Geschrei, jetzt ist es viel besser. Die größte Herausforderung als Theologin war, in dieser Zeit Ostern corona-konform vorzubereiten.

    Mein Puls schlägt schneller, wenn ich die Verbindung "Familienarbeit" und "Rückschritt" höre. Ja, ich musste mir die Stunden suchen, in denen ich meiner halben Stelle nachgehen konnte. Weil die ganze Stelle meines Mannes irgendwie vorgeht. Deswegen gab es auch mal Zoff. Aber es als Rückschritt zu sehen, dass sich jemand um die Kinder kümmern muss, es als Rückschritt zu sehen, dass man nicht ständig die Erwerbsarbeit über die Familie stellt – das verstehe ich nicht.

    Wir haben unsere Kinder freiwillig in die Welt gesetzt. Rückschritt? Ich liebe es, sie um mich zu haben. Rückschritt? Wir ziehen fünf zukünftige Steuerzahler groß. Rückschritt? Normalerweise sind mein Mann und ich gerade an den Hochfesten unseres Glaubens, an Ostern und Weihnachten, in unterschiedlichen Kirchen unterwegs. Im vergangen Jahr mussten wir die Feste zu Hause feiern – und haben sie deshalb zusammen erlebt. Ich mag es, wenn alle da sind.

    So sehr den Kindern ihre Hobbys fehlen: durch Corona haben wir auch viel weniger Termine. Es läuft alles ruhiger – natürlich bis hin zu größter Langeweile und Ausbrüchen, weil alle aufeinander sitzen. Und: Wir hatten dank Lockdown keine Diskussionen, wie lange die Jugend weg darf ;-).

    Für die Frauen in der westlichen Welt wünsche ich mir, dass wir frei entscheiden dürfen, ob wir erwerbsarbeiten oder Familie leben oder beides tun – frei bedeutet, dass wir für jede Alternative auch Anerkennung und Gehalt bekommen. Im Moment wird uns Frauen deutlich gemacht, dass wir nur in Erwerbsarbeit ein positiver Wirtschaftsfaktor und damit etwas wert sind. Das ist nicht richtig! Für alle anderen Frauen wünsche ich mir Bildung, genügend Essen für die Familie und endlich die Anerkennung, dass Frauen genau so viel Wert sind wie Männer."

    Claudia Nowak, Jahrgang 1973, ist Theologin und Pastoralreferentin. Sie lebt in Wonfurt (Lkr. Haßberge),  arbeitet Teilzeit (50 Prozent) und hat fünf Kinder im Alter von 19, 18, 15, elf und sechs Jahren. Ihr Buchtipp:  Moema Vizzer, "Wenn man mir erlaubt zu sprechen - Zeugnis der Domitila, einer Frau aus den Minen Boliviens".

    Internationaler FrauentagSeit 1911 wird mit dem "Internationalen Tag der Frauen" weltweit auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht. Er entstand als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen. Seit 1921 wird er jährlich begangen. Der Frauentag soll die bisherigen Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung feiern, Aufmerksamkeit auf bestehende Diskriminierung und Ungleichheiten richten und dazu ermuntern, sich für eine Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Buchtipp: Team F: Feminismus einfach leben. 12 Impulse für den Alltag. Die Autorinnen Wiebke Harms, Julia Möhn und Liske Jaax zeigen, wie Frauen sich gegenseitig unterstützen und stärken können: mit Komplimenten an der Fahrradampel, Empathie ohne Erklärmanie, mit radikaler Ehrlichkeit und dem Schaffen eines Sicherheitsnetzes. Das Buch zeigt einfache Schritte für mehr "female empowerment" im Alltag. Knaur Verlag. 14,99 Euro.Quelle: clk

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