"Alles gechillter", fasst Martin Steinmann die Atmosphäre des Sommerhäuser Weihnachtsmarktes am Samstagabend zusammen und trifft es perfekt. Mit seinem Wein.Kultur.Gut Schloss Sommerhausen schenkt er in der Kelterhalle traditionell Punsch und Feuerzangenbowle aus - ein Stand, zu dem man sich für gewöhnlich in der Vor-Corona-Zeit mühevoll vorarbeiten musste. Und dieses Jahr? Weniger Menschen, nirgends Gedränge. Dem Weihnachtsmarkt tut das gut, da sind sich viele Besucher aber auch Organisatoren und Aussteller einig.

Im Vergleich zu den "besten" Zeiten werden vor allem weniger Busse gezählt. Vor der Pandemie waren es bis zu 50 Busse am Tag, jetzt sind es vielleicht um die zehn. Zu beklagen sei das Minus nicht, ganz im Gegenteil: "Es ist sehr angenehm und stimmig", sagt etwa Theresa Kronester von der Tourist-Information, als sich am vergangene Samstag gerade Busfahrer Nummer sieben anmeldet. Er bekommt einen Verköstigungs-Gutschein und einen Stapel Info-Flyer.
Begeisterung bei Besuchern aus Nah und Fern
Der Pkw-Parkplatz auf den Mainwiesen ist am Samstag um 16 Uhr im Gegensatz zum Busparkplatz gut gefüllt, aber es finden sich Parklücken. Die Kapazitäten scheinen ausreichend. Familie Brinkmann aus Marburg hatte der große und volle Parkplatz zunächst etwas verschreckt, doch die Familie stellt erstaunt fest: "Es verläuft sich. " Heike Brinkmann ist an diesem Tag zum ersten mal hier: "Ich bin begeistert vom Flair", sagt sie. Gemeinsam mit dem Ehemann und der Tochter, die in Würzburg arbeitet, schwärmt sie von den Innenhöfen und Kellern, die man aufsuchen kann und die Familie kommt zu dem Schluss: "Es ist der malerischste und schönste Weihnachtsmarkt, den wir je gesehen haben".

Es sind die kleinen Details, die den Weihnachtsmarkt dieses Jahr so besonders machen, etwa die Thermokissen auf der Steinbank vor dem Rathaus oder die Kinder, die dieses Mal an etlichen Stellen Weihnachtslieder vortragen. Weder sie noch die Menschen, die sich vor den Buden auf einen Glühwein treffen, müssen mit der vielerorts üblichen Weihnachtsbeschallung konkurrieren.
Der Nikolaus begeistert die Kinder - und richtet dem Christkind die Wünsche aus
Und auch der Nikolaus wäre sicher schon heiser vom vielen "Frohe Weihnachtzeit" wünschen, müsste er mit lauter Weihnachtsmusik konkurrieren: Zwischen 14 und 18 Uhr ist er jeden Samstag und Sonntag auf dem Weihnachtsmarkt unterwegs. An diesem Samstag sind es gerade zwei Studentinnen aus der Türkei, die ihn für ein Foto in ihre Mitte nehmen. Mit den "süßen" und "gesunden" Sachen in seinem Säckchen hat er es noch kein einziges Mal die Hauptstraße entlang geschafft, dann muss er immer schon wieder nachfüllen.
"Eigentlich drehe ich mich nur im Kreis," sagt Klaus-Dieter Aumüller. Er gibt dieses Jahr zum ersten Mal den Nikolaus - ein spontaner Entschluss. So spontan, dass der Wunsch von der Organisatorin Annadora Diller-Köninger, einen Nikolaus im eigens gefertigten Bischof-Nikolaus-Kostüm, nicht in Erfüllung ging. Aber mit Wünschen ist man beim Nikolaus ja genau richtig. Er notiert die vertrauensvoll ins Ohr geflüsterten Weihnachtswünsche der Kinder und wird sie am vierten Advent dem Christkind übergeben. Und auch schon vor Heiligabend gibt es an diesem Tag für manche Besucher eine Überraschung: Beim Adventskalender neben dem Rathaus dürfen drei Türchen geöffnet werden, dahinter verbergen sich Verzehrgutscheine für Popcorn, Bratwürste und Leckereien aus dem Café Schatztruhe.

Aus dem Rathaus strömen da gerade die Besucher, die ein halbes Stündchen in die Geschichte des Sommerhäusers Franz Daniel Pastorius eingetaucht waren. Stadtschreiber Markus Grimm hat aus seinem aktuellen Roman gelesen. Das Angebot wurde gut und gezielt genutzt, die Stuhlreihen im Bürgersaal waren voll besetzt, freut er sich. Von den Adventsgeschichten des Nikolauses über die Konzerte und Theateraufführungen – mit den Veranstaltungen bis hin zu den Ortsführungen, die neuerdings an den Adventssamstagen um 10.30 Uhr angeboten werden – kann etwas Muse und Kultur in den Weihnachtsmarkt-Besuch eingebunden werden.
Upcycling, KunstKekse und Handtaschen aus Holz: Das haben die Aussteller dieses Jahr zu bieten
Künstlerisch und handwerklich sorgt der Sommerhäuser Weihnachtsmarkt ohnehin wieder für Erstaunen. Aussteller Bernd Knauf aus Randersacker mit seinen Lampen aus Alltagsgegenständen oder Werner Bader, der in seinem Atelier in Kleinrinderfeld alte Werkzeuge zu einem Zangosaurus verwandelt – sie erheitern und erstaunen mit ihrem kunstvollen Upcycling.
Ingrid Zürcher aus Bad Mergentheim bedeutet das Strahlen in den Gesichtern, wenn die Besucher ihre Filztiere, Wichtel und Trolle sehen, eigentlich das meiste. Aber sie ist ganz schön mit dem Verkaufen beschäftigt, muss gar nacharbeiten. "Alles, was Tier ist, läuft gerade gut", sagt sie "weil es mit der Wolle zusammen Geborgenheit vermittelt". Die besondere Authentizität gelingt ihr mit dreierlei Wollqualitäten, vom Island-, von englischen Wensleydale- und Masham-Schafen.
Dreifaches Furnier ist dagegen die Spezialität von Peter Hirschberger aus Rödelsee. Er stellt sogar Handtaschen aus Holz her. "Reine Gefühlssache" sagt der Schreinermeister über die Herstellung der exquisiten Schmuckstücke. "Da muss man vernarrt sein in dieses Holz".
Und wie laufen die Geschäfte trotz weniger Besucher?
Bei Frank Gebhardt aus Oberickelsheim sind es Kuriositäten wie der "Friedensbringer", der Waffen durch einen Fleischwolf dreht. Heraus kommen Buttons mit Friedenssymbolen. Und auch die "KunstKeks"-Produzentin Orsolya Zick aus Astheim wird von begeisterten Besuchern nach dem Geheimnis ihrer wunderschönen Lebkuchen mit feinstem Duft gefragt.
"Die nette Kundschaft, die Gespräche" hatten die Aussteller vermisst, so wie Katja Rippstein mit den Korbwaren. Ja doch, die Leute kaufen, offenbart die kleine Umfrage unter den Ausstellern. Auch bei der kulinarischen Auswahl, wo das Geschäft ohnehin weniger anfällig für Krisen ist: An der Kirchplatz-Bude des Kultur- und Heimatvereins, der gleichzeitig Veranstalter des Weihnachtsmarktes ist, ist der Leberkäse gegen 18.30 Uhr ausverkauft. Mario Grammel hat gerade welchen bei den Kollegen geschnorrt. Er findet: "Das läuft alles sehr gut."