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Würzburg/Burggrumbach: Gegen Lobbyismus und das Macht-System:  Warum zwei Kleinbäuerinnen aus Franken den Bauernverband kritisieren

Würzburg/Burggrumbach

Gegen Lobbyismus und das Macht-System:  Warum zwei Kleinbäuerinnen aus Franken den Bauernverband kritisieren

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    Zwei Bäuerinnen, die sagen, im Agrarsektor brauche es tiefgreifende politische Reformen: Edith Sachse aus Burggrumbach im Landkreis Würzburg (links) und Isabella Hirsch, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Franken.
    Zwei Bäuerinnen, die sagen, im Agrarsektor brauche es tiefgreifende politische Reformen: Edith Sachse aus Burggrumbach im Landkreis Würzburg (links) und Isabella Hirsch, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Franken. Foto: Thomas Obermeier, Marcel Dinkel

    Bei den Bauernprotesten sind seit Wochen vor allem der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Organisation "Land schafft Verbindung" präsent. Auch in Unterfranken organisierten sie den Großteil der Proteste. Doch nicht alle Landwirtinnen und Landwirte teilen die Forderungen der Verbände. Mit konträren Positionen ist schon in der Vergangenheit immer wieder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) aufgefallen.

    Mit deutschlandweit 6000 und bayernweit 600 Mitgliedern zählt sie zu den kleineren politischen Landwirtschaftsverbänden. Im Interview sprechen die fränkische Vorsitzende Isabella Hirsch aus dem Landkreis Ansbach, die dort auch für die Grünen im Kreistag sitzt, und Kleinbäuerin Edith Sachse aus Burggrumbach (Lkr. Würzburg) über die Proteste, die Rolle der AbL - und ihre Forderungen an die Agrarpolitik.

    Frage: Trotz politischer Zugeständnisse protestieren viele Landwirte weiter gegen die Agrarpolitik. Wie blicken Sie auf die Bauernproteste?

    Isabella Hirsch: Mein erster Gedanke war: Wow, diese geballte Macht, diese gewaltige Energie und Solidarität unter den Bauern. Wenn jetzt alle noch gute Forderungen für die künftige Landwirtschaft stellen würden, wäre das genial. Leider hat man das sehr schnell auf die Rücknahme der Dieselvergütung und Kfz-Steuer reduziert. Wir haben nicht aktiv zum Protest aufgerufen, weil am Anfang die klare Abgrenzung gegen rechts fehlte.

    Edith Sachse: Ich habe bei mir am Laden eine Stellungnahme zu den Protesten aufgehängt. Meiner Meinung nach wurden bei den Protesten die grundlegenden Fragen nicht gestellt. Wenn wir ein größeres Ziel gehabt hätten, wenn wir wirklich für eine Agrarwende aufgefahren wären, hätte ich mehr dahintergestanden.

    "Der Agrardiesel ist leider nicht unser einziges Problem."

    Isabella Hirsch, Vorsitzende der AbL-Regionalgruppe Franken

    Und wie war die Resonanz auf Ihre Haltung?

    Hirsch: Ich habe durchaus positive Rückmeldungen bekommen. In der Regel von Landwirten, die sich selbst nicht getraut haben, die Proteste öffentlich zu kritisieren. Der Agrardiesel ist leider nicht unser einziges Problem. Viel schlimmer ist die schlechte Marktposition der Betriebe. Ich habe gerade mit einem Landwirt gesprochen, der sein komplettes Getreide von der letzten Ernte nicht vermarktet bekommt. Es liegt vieles im Argen.

    Sachse: Bei uns in Unterfranken habe ich leider wenig Mitstreiter, was das angeht. Von den Landwirten hier kam keine positive Resonanz in diese Richtung. Von Verbrauchern habe ich zustimmende Rückmeldungen bekommen.

    Edith Sachse hat einen neun Hektar großen Gemischtbetrieb in Burggrumbach im Landkreis Würzburg. Alle dort erzeugten Lebensmittel vermarktet sie in ihrem Dorfladen selbst.
    Edith Sachse hat einen neun Hektar großen Gemischtbetrieb in Burggrumbach im Landkreis Würzburg. Alle dort erzeugten Lebensmittel vermarktet sie in ihrem Dorfladen selbst. Foto: Thomas Obermeier

    Wie meinen Sie das?

    Hirsch: Ich war im vergangenen Jahr in einer Siedlung unterwegs. Nebenan wurde an einem Hang Mais angebaut. Kurz nach der Aussaat gab es ein Starkregenereignis. Danach befand sich der Mais samt Ackerboden in den Wohnzimmern der Häuser. Die Klimaveränderungen kosten uns richtig viel. Deswegen wäre es besser, wenn man im Vorfeld etwas ändern würde. Aber dazu müssen wir Landwirtschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in einem größeren Rahmen denken.

    Sachse: Die bisherige Agrarpolitik bietet keine Lösung für die Probleme, vor denen wir stehen. Wir können nicht immer nur gegen die Natur arbeiten. Wir müssen uns auf landwirtschaftliche Methoden zurückbesinnen, die ihr entgegenkommen. Das Arbeiten in Kreisläufen, die Achtung der Rechte von Tieren, das ökologische Handeln und die Bewahrung der Gesetze der Natur - das ist das Wichtige. Die Zukunftskommission Landwirtschaft, die von der Bundesregierung eingesetzt wurde, sagt klipp und klar, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann.

    Was unterscheidet Ihren Verband von anderen landwirtschaftlichen Verbänden?

    Sachse: Die AbL vertritt im Gegensatz zum DBV die Interessen der kleinen und mittleren Betriebe. Sie setzt stärker auf regionale Produktion als auf Exportwirtschaft. Unser Slogan "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" drückt aus, dass wir auf regionale bäuerliche Wertschöpfung setzen im Zusammenspiel mit Umweltverbänden und Verbrauchern. 

    Hirsch: 80 Prozent der öffentlichen Gelder, die in Europa und in Deutschland für Landwirtschaft ausgegeben werden, fließen als Direktzahlungen an 20 Prozent Megabetriebe. Das ist das Ergebnis der Lobbyarbeit des Bauernverbands. Wir arbeiten dagegen und versuchen, kleine Betriebe zu erhalten.

    Der Bauernverband schreibt sich ebenfalls auf die Fahne, kleine Betriebe zu unterstützen.

    Hirsch: Das ist meist scheinheilig. Das Abstimmungsverhalten auf europäischer, auf deutscher, sogar auf regionaler Ebene zeigt, dass Bauernverbandsvertreter – die oft zugleich auch Mitglieder bei CDU/CSU und Freien Wählern sind – Kleinbauern benachteiligen. Der DBV vertritt klar die Interessen der Agrarindustrie. Man braucht sich nur einmal die Liste an Aufsichtsratsposten von Herrn Rukwied anzusehen.

    Rukwied ist unter anderem Mitglied im Aufsichtsrat der Südzucker AG, der BayWa, der Messe Berlin, der Land-Data GmbH, ist Mitglied im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) . . . Aber wenn der DBV gegen das Interesse seiner Mitglieder handelt, warum gehen dann so viele Landwirte mit ihm auf die Straße?

    Hirsch: Ich bewundere den Bauernverband dafür, dass er es schafft, die kleinen Betriebe auf die Straße zu bringen, damit hinterher die Großen die Gelder kassieren. Wir waren selbst viele Jahre Mitglied im Bauernverband. Für einen Austritt braucht man Mut und Gleichgesinnte. Neben dem Verlust einiger Vorteile, fürchten sich viele vor möglichen Anfeindungen. Dieses Netzwerk kann einen da sonst ein Stück weit in die Knie zwingen.

    Sachse: Außerdem werden die Mitgliedschaften automatisch an die nachfolgende Generation weitergereicht. Und dann ist es ja auch so, dass der Bauernverband so eine Art Rundum-sorglos-Paket anbietet, was die Bauern auch immer noch dazu verleitet, da einfach dabei zu bleiben, weil es eben bequem ist.

    Also spielt Macht auch eine Rolle?

    Hirsch: Der Bauernverband, die CSU und auch die Freien Wähler sind ein Spinnennetz, das im Hintergrund agiert, sowohl auf der politischen als auch auf der Entscheidungsebene. Viele Landwirte ticken auch so, dass sie Teil dieses mächtigen Systems sein wollen. Und letztlich stehen sich die Betriebe ja auch in einem gegenseitigen Konkurrenzkampf gegenüber und viele wollen kleinere Betriebe schlucken. Ich kenne Bauern, die sich nicht trauen etwas zu sagen, weil sie Angst vor möglichen Anfeindungen haben und um am Ende nicht als Spalter dastehen wollen.

    Frau Hirsch, Sie waren selbst viele Jahre lang Mitglied im DBV. Warum sind Sie ausgetreten?

    Hirsch: Ich war häufig unzufrieden im Bauernverband. Kuchen backen konnte ich nicht, und für die Agrarpolitik waren damals die Männer zuständig. Als ich merkte, dass meine Vorstellungen von Landwirtschaft hier nicht vertreten werden, habe ich den Verband verlassen. Als wir damals aus dem DBV ausgetreten sind, wurden wir als Verräter gebrandmarkt und von anderen schlecht geredet. Das muss man aushalten können. Auch wirtschaftlich.

    Nachdem Isabella Hirsch und ihr Mann die Milchviehhaltung wegen steigender Kosten aufgeben mussten, haben sie ihren Betrieb im mittelfränkischen Heilbronn bei Feuchtwangen auf Ackerbau umgestellt.
    Nachdem Isabella Hirsch und ihr Mann die Milchviehhaltung wegen steigender Kosten aufgeben mussten, haben sie ihren Betrieb im mittelfränkischen Heilbronn bei Feuchtwangen auf Ackerbau umgestellt. Foto: Marcel Dinkel

    Welche Rolle nimmt der Landwirt auf dem Markt denn ein? Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht Molkereien, Handel und Industrie?

    Sachse: Landwirte, die für den Markt produzieren, haben so gut wie keinen Einfluss auf den Preis für ihre Produkte. Das beste Beispiel ist die Milch. Hier bekommen Tierhalter erst, nachdem sie die Milch geliefert haben, gesagt, wie viel sie überhaupt dafür erhalten. Sie haben keine Verhandlungsoptionen und sind dem Markt einfach ausgeliefert. Es können auch keine vernünftigen Absprachen zwischen der Molkerei und dem Milchbauer getroffen werden, weil die Abnehmer so stark mit den Aufnehmern verflochten sind.

    Hirsch: Das heißt, wir brauchen bessere Marktregelungen. Auf der anderen Seite haben wir die Subventionen. Mit den Zahlungen entscheidet die Politik, welche Art von Bauernhöfen es geben soll. Groß, klein, mittelgroß, bio, konventionell, Ackerbau, Tierhaltung oder Biogas.

    Die AbL fordert unter anderem höhere Preise für Erzeuger. Würden dadurch die Lebensmittelpreise nicht noch weiter steigen?

    Sachse: Ich sehe nicht, dass dadurch die Verbraucherpreise steigen müssen. Die größte Handelsspanne liegt schließlich im Einzelhandel, der jedes Jahr hohe Gewinne macht. Hier könnte man ja den Erzeugern mehr vom Gewinn der Konzerne zurückgeben.

    Hirsch: Ich bin seit über 30 Jahren Bäuerin und habe noch nicht gehört, dass Aldi seine Lebensmittel bei der Tafel einkaufen muss oder die Konzernchefs sich ihre Lebensmittel nicht mehr leisten können. Aber ich kenne viele Landwirte, die aus wirtschaftlichen Gründen aufhören mussten, obwohl sie gute Arbeit geleistet haben.

    "Schlussendlich müssen die Verbraucher und die Politik und die Landwirte entscheiden, welche Art der Landwirtschaft sie haben wollen."

    Isabella Hirsch, Vorsitzende der AbL-Regionalgruppe Franken

    Bringen die Proteste denn der Landwirtschaft am Ende etwas?

    Sachse: Die Proteste haben dafür gesorgt, dass die Landwirtschaft wieder mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht. Aber dass Landwirtinnen und Landwirten deshalb wieder stärker wertgeschätzt werden, glaube ich nicht.

    Hirsch: Die Ziele in der Landwirtschaft sind auch nicht gleich. Die einen wollen keine Naturschutz-Flächen, die anderen wollen, dass Naturschutz und Wirtschaftlichkeit miteinander einhergehen. Schlussendlich müssen die Verbraucher und die Politik und die Landwirte entscheiden, welche Art der Landwirtschaft sie haben wollen.

    Hinweis: In der ersten Fassung des Interviews war die politische Tätigkeit von Isabella Hirsch nicht erwähnt. Wir haben dies ergänzt.

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