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Würzburg: Geheimnis eines langen Lebens: Herr Dr. Schwab, wie wird man über 100 Jahre alt?

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Geheimnis eines langen Lebens: Herr Dr. Schwab, wie wird man über 100 Jahre alt?

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    "Ich habe vor, 103 zu werden": Dr. Michael Schwab, Chefarzt des Geriatriezentrums am Bürgerspital in Würzburg, ist Experte fürs Älterwerden.
    "Ich habe vor, 103 zu werden": Dr. Michael Schwab, Chefarzt des Geriatriezentrums am Bürgerspital in Würzburg, ist Experte fürs Älterwerden. Foto: Thomas Obermeier

    Im August sind der wohl älteste Mensch der Welt und die älteste Deutsche gestorben: Die Spanierin Maria Branyas wurde 117, Charlotte Kretzschmann 114. Als Geheimnis ihres langen Lebens nannte Branyas laut Guinness World Records unter anderem, "kein Bedauern, viel Positivität und das Fernhalten von toxischen Menschen". Kretzschmann sprach in Interviews von einer glücklichen Kindheit, viel Sport und einer Liebe für Schokolade. 

    Wovon hängt ab, wie alt wir werden? Was können wir von Hochbetagten lernen?  Mediziner Dr. Michael Schwab, 65 Jahre alt und Chefarzt des Geriatriezentrums am Bürgerspital Würzburg, gibt Antworten.

    Frage: Herr Dr. Schwab, wie alt würden Sie gerne werden?

    Dr. Michael Schwab: Ich habe vor, 103 zu werden.

    Warum?

    Schwab: Ach, ich kam im Medizinstudium in einem Test, mit dem sich die eigene Lebenserwartung kalkulieren lässt, auf 103. Das fand ich lustig, das hab' ich mir gemerkt.   

    Wie wird man über 100 Jahre alt?

    Schwab: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Es gibt in der Wissenschaft viele Quellen dazu. Der Erste, der sich intensiv mit Hundertjährigen beschäftigt hat, war der Medizinprofessor Hans Franke in Würzburg. Er hat in den 1960er, 1970er Jahren hier an der Universität gut 600 Hundertjährige untersucht, mit ihnen gesprochen, sie beobachtet. Ihm fiel auf: Ein Drittel der Hundertjährigen war noch sehr vital, ein Drittel bereits gebrechlich und ein Drittel schon schwerstkrank. Etwas Wesentliches herausgefunden hat später der Amerikaner Thomas Perls: Je älter die Menschen werden, desto relevanter ist ihre genetische Veranlagung.

    Der Erste, der sich intensiv mit Hundertjährigen beschäftigte, war ab Anfang der 1960 er Jahre der Medizinprofessor Hans Franke in Würzburg.
    Der Erste, der sich intensiv mit Hundertjährigen beschäftigte, war ab Anfang der 1960 er Jahre der Medizinprofessor Hans Franke in Würzburg. Foto: Archivfoto Georg Heussner

    Also können wir vom Alter unserer Eltern auf unsere eigene Lebenserwartung schließen?

    Schwab: Bedingt. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung hat das Alter unserer Eltern im Rahmen der genetischen Disposition einen Anteil von 20 bis 30 Prozent, bei Hundertjährigen und Älteren nach heutigen Schätzungen aber von rund 60 Prozent. Wenn die Eltern also hochbetagt waren, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, selbst auch sehr alt zu werden. Zu spektakulären Ergebnissen kam im letzten Jahrzehnt die 100-Plus-Studie in den Niederlanden, die kognitiv gesunde Hundertjährige untersucht hat.

    Inwiefern?

    Schwab: Sie hat gezeigt, dass aufgrund von genetischen Faktoren Gehirne von Menschen, die 100 oder älter werden, Gehirnen gleichen von 20 bis 30 Jahre Jüngeren. Das erklärt, warum bei Hochbetagten der Lebensstil oft gar nicht so anders ist wie bei Normalsterblichen. (lacht)

    Siehe der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt, der bis ins hohe Alter Kettenraucher war und trotzdem fast 100 wurde.

    Schwab: Oder die weltweit älteste Erdenbürgerin, deren Geburtsdatum belegt ist: die Französin Jeanne Calment. Sie ist 1997 mit 122 Jahren und 164 Tagen gestorben. Sie hat bis zu ihrem 117. Lebensjahr geraucht. Dann hat sie aufgehört, wieder angefangen und mit 119 endgültig aufgehört – weil sie blind war und sich die Zigaretten nicht mehr selber anzünden konnte.

    Die Französin Jeanne Calment erreichte mit 122 Jahren das höchste belegte Lebensalter eines Menschen. Sie starb am 4. August 1997 im Alter von 122 Jahren. 
    Die Französin Jeanne Calment erreichte mit 122 Jahren das höchste belegte Lebensalter eines Menschen. Sie starb am 4. August 1997 im Alter von 122 Jahren.  Foto: dpa

    Das klingt wie eine der Anekdoten, die Hochbetagte gerne als Geheimnis ihres langen Lebens erzählen – der tägliche Eierlikör oder das Kreuzworträtsel. Inwiefern sind diese Anekdoten für die Wissenschaft relevant?

    Schwab: Sie sind natürlich nicht allgemeingültig. Selbstverständlich haben Menschen, die nicht rauchen, im Durchschnitt wesentlich größere Chancen, hochbetagt zu werden. Aber die Geschichten, wie sie auch Professor Franke aufschrieb, zeigen doch, dass verschiedene Faktoren beim Altwerden eine Rolle spielen. 

    Welche noch außer den Genen?

    Schwab: Interessante Erkenntnisse dazu geliefert hat das Phänomen der blauen Zonen. Das sind fünf Regionen auf der Erde, in denen die Menschen auffällig alt werden: die südjapanische Inselgruppe Okinawa, die Inseln Sardinien und Ikaria im Mittelmeer, die Halbinsel Nicoya in Costa Rica und Loma Linda in Kalifornien, USA.

    Was haben die Menschen in diesen Regionen gemeinsam?

    Schwab: Zunächst einmal sind ihnen Familie und enge Freunde wichtiger als andere Anliegen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Genauso, wie er ein Bewegungstier ist. Die Menschen in den blauen Zonen sind beständig moderat und altersentsprechend körperlich aktiv. Aber sie ruhen sich auch aus. Als wesentlich nennen sie die Fähigkeit zum Stressabbau. Auf Sardinien gibt es dafür extra eine Happy Hour nach harter Arbeit.

    "Der Lebensinhalt ist zentral in der Altersforschung, denn er gibt dem Leben seinen Sinn."

    Dr. Michael Schwab, Chefarzt des Geriatriezentrums am Bürgerspital Würzburg

    Wie ernähren sich die Menschen in den blauen Zonen?

    Schwab: Überwiegend pflanzenbasiert, wobei Hülsenfrüchte häufig eine Rolle spielen. Und sie überfressen sich nicht. Sie hören sogar eher mit dem Essen auf, bevor sie satt sind. In der Summe rauchen viele von ihnen nicht, trinken aber mäßig Alkohol. 

    Erst kürzlich hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfohlen, auf Alkohol zu verzichten, weil auch moderater Konsum der Gesundheit schade. Was sagen Sie als Mediziner?

    Schwab: Für mich heißt das Zauberwort Genuss. 

    Das dürfte viele Leserinnen und Leser freuen.

    Schwab: (lacht) Es gibt sogar eine kleine Studie, die besagt: Genuss macht gesund. Denn Genuss ist ein Resilienzfaktor, er erhöht also die seelische Widerstandskraft. Auch Essen und Trinken sollte Freude machen. Das Problem von Studien ist: Sie finden oft sehr gute Mittelwerte, treffen aber auf Einzelne nicht zwingend zu. Deshalb ist beides wahr: Statistisch gesehen leben Menschen, die keinen Alkohol trinken, im Durchschnitt länger. Anhand individueller Lebensgeschichten stellen wir aber fest, dass Menschen, die mit Genuss in Gesellschaft ein Gläschen Wein genießen, auch teils länger leben – und schöner. 

    Gute Gene, gute Beziehungen und ein gesunder, aktiver Lebensstil – ist das die einfachste Formel für ein möglichst langes Leben?

    Schwab: Auf den Durchschnitt trifft sie wohl zu, wobei dann auch noch regelmäßiger, ausreichender Schlaf zu empfehlen und Bildung als protektiver Faktor zu nennen wären. Hochbetagte haben überdurchschnittlich häufig ein hohes Bildungsniveau. Aber ich bin kein Freund von solchen Formeln. Selbst wenn wir sämtliche Risikofaktoren minimieren, wird das Leben auch bestimmt von Zufällen und Schicksalsschlägen. Nicht zuletzt kommt es auch darauf an, wie widerstandsfähig wir damit umgehen und ob wir uns von Belastungen und Krisen so erholen, dass wir gestärkt daraus hervorgehen und vielleicht sogar einen Sinn darin finden.

    Stichwort Resilienz. Welche Rolle fürs Altwerden spielt die psychische und mentale Gesundheit?

    Schwab: Eine wesentliche. In der Heidelberger Hundertjährigen-Studie wurde vor gut zehn Jahren festgestellt, dass emotionale Stabilität, die Akzeptanz von Problemen und die Fähigkeit zur positiven Bewertung oder Umbewertung von negativen Lebenssituationen maßgeblich zur psychischen Gesundheit und zum Lebenserhalt beitragen. Mir als Geriater ist aber etwas Grundsätzliches wichtig. 

    Was?

    Schwab: Dass wir uns lösen von einfachen Regeln und stärker den einzelnen Menschen in den Fokus nehmen, sein individuelles Lebenskonzept. Also das, was ihn ausmacht und ihm wichtig ist.

    Sein Lebensinhalt.

    Schwab: Der Lebensinhalt ist zentral in der Altersforschung, denn er gibt dem Leben seinen Sinn. Auf dieser Halbinsel in Costa Rica sprechen die Menschen vom "plan de vida". Klingt schön, finde ich. Viele Menschen in den blauen Zonen engagieren sich sozial und sind einer religiösen oder spirituellen Gemeinschaft zugehörig. Neben dem Lebensinhalt halte ich zwei Dinge im Alter für maßgeblich: Selbstbestimmtheit und das Wissen, dass wir selbstwirksam sind.

    Apropos. Sie sind jetzt 65. Was tun Sie dafür, um tatsächlich 103 zu werden?

    Schwab: (lacht) In meinem Alter sind Mobilität und Sturzrisiko Themen, daher hat bei mir das Gleichgewichtstraining an Bedeutung gewonnen. Auch der nachlassenden Kraft und Ausdauer versuche ich entgegenzusteuern. Aber mit Spaß! Der Genuss kommt nicht zu kurz: Ich esse auch sehr gern gut und trinke ein gutes Glas Wein. 

    Beim 10. Würzburger Demenztag am Samstag, 21. September, im Zentrum für Psychische Gesundheit in Würzburg spricht Dr. Michael Schwab von 12.30 Uhr bis 13 Uhr zum Thema "Chancen und Hindernisse auf dem Weg zum kognitiv gesunden Altern". Alle Interessierten sind eingeladen, um Anmeldung wird gebeten. Infos unter: www.ukw.de/patienten-besucher/veranstaltungskalender/

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