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Würzburg/Schweinfurt: Gesundheitsrisiko Klimawandel: Wie viele Menschen die Hitze das Leben kostet und was in Unterfranken getan wird

Würzburg/Schweinfurt

Gesundheitsrisiko Klimawandel: Wie viele Menschen die Hitze das Leben kostet und was in Unterfranken getan wird

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    Ein Mann geht mit einem Schirm als Sonnenschutz über die Alte Mainbrücke in Kitzingen. Die Stadt hält seit 2015 den bayerischen Hitze-Rekord. 
    Ein Mann geht mit einem Schirm als Sonnenschutz über die Alte Mainbrücke in Kitzingen. Die Stadt hält seit 2015 den bayerischen Hitze-Rekord.  Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Wenn die Sonne vom Himmel brennt und die Hitze über dem Asphalt flirrt, sterben besonders viele Menschen. Dies belegt eine Studie von Robert Koch-Institut (RKI), Umweltbundesamt (Uba) und Deutschem Wetterdienst (DWD). Aktuell ist Deutschland mitten in einer Hitzewelle. Am vergangenen Mittwoch stiegen die Temperaturen erstmals über 40 Grad: In Neunkirchen, einem Stadtteil von Bad Mergentheim im Main-Tauber-Kreis, wurden nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes 40,3 Grad Celsius gemessen. Spitzenreiter in Bayern war Kitzingen mit 39, 6 Grad.

    Klimaforscher Heiko Paeth von der Universität Würzburg rechnet bei einem ungebremsten Ausstoß an Treibhausgasen in die Atmosphäre damit, dass sich die Zahl der Hitzetage im Raum Würzburg, Kitzingen und Aschaffenburg bis Ende des Jahrhunderts versechsfachen wird - auf über 30 pro Jahr. Auch die Zahl der Tropennächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad sinken, nehmen dann weiter zu.

    Extreme Hitze beeinträchtigt die Lebensqualität von immer mehr Menschen. Für Ältere und Säuglinge ist sie oft lebensbedrohlich, warnen Ärztevertreter. Wie viele Menschen sterben in Folge der Hitze?  Was tut der Freistaat Bayern, um gefährdete Personen zu schützen? Und wie gehen Städte und Landkreise in Unterfranken mit der Gefahr um? Antworten auf die zentralen Fragen im Überblick.

    Gesundheitsgefahr Hitze: Sterben bei hohen Temperaturen mehr Menschen?

    Hohe Temperaturen im Sommer haben einer Studie zufolge in den Jahren 2018 bis 2020 jeweils zu Tausenden hitzebedingter Sterbefälle in Deutschland geführt. Erstmals seit 1992 sei eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren aufgetreten, berichten Forschende von Robert Koch-Institut (RKI), Umweltbundesamt (Uba) und Deutschem Wetterdienst (DWD) im "Deutschen Ärzteblatt".

    Demnach sind in Deutschland etwa 8700 Menschen im Jahr 2018, dem zweitwärmsten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881, hitzebedingt gestorben. Im Jahr 2019 gab es den Forschern zufolge 6900 hitzebedingte Sterbefälle in Deutschland, im Jahr darauf 3700. In den Hitzejahren 1994 und 2003 lag die Zahl der Hitzetoten in Deutschland bei jeweils rund 10.000.

    War Hitze tatsächlich die Todesursache?

    Da Hitze selten als direkte Todesursache erkannt wird, nutzten die Autorinnen und Autoren für ihre Analyse statistische Verfahren. So weiß man beispielsweise, dass hohe Temperaturen das Herz-Kreislauf-System belasten und bestehende Beschwerden, etwa Atemwegserkrankungen, verstärken.

    Einem Sprecher des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zufolge zeigt die Zahl der Sterbefälle in Bayern, die in den einzelnen Kalenderwochen beim Bayerischen Landesamt für Statistik registriert sind: In den Sommermonaten der Jahre 2018, 2019 und 2020 starben mehr Menschen als zur gleichen Zeit im Durchschnitt kühlerer Jahre. Und: Auffällig viele Menschen in Bayern starben in dieser Zeit an Herz-Kreislauf-Versagen.

    Werden hitzebedingt mehr Menschen ins Krankenhaus eingewiesen?

    Ja. Während Hitzewellen komme es in der Regel verstärkt zu Einweisungen, sagt Prof.  Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Uniklinikums Würzburg. Ins Krankenhaus  kämen dann mehr Patientinnen und Patienten mit den Diagnosen Flüssigkeitsstörung oder Niereninsuffizienz. Durch das Schwitzen verliere der Körper viel Flüssigkeit und damit wichtige Körpersalze, sogenannte Elektrolyte. Werde dieser Verlust nicht ausgeglichen, könne dies die Nieren schädigen. Im kardiovaskulären Bereich, also bei Erkrankungen von Herz und Gefäßsystem, belegen Daten einen Zusammenhang zwischen Infarkthäufigkeit und Lufttemperatur, sagt Franz. 

    Prof. Dr. Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg.
    Prof. Dr. Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg. Foto: Daniel Peter/UKW

    Während der Hitzeperioden 2018 wurden in Bayern laut Statistischem Bundesamt 263 Menschen aufgrund von Schäden durch Hitze und Sonnenlicht im Krankenhaus behandelt. Im Jahr 2019 waren es 293 und im Jahr 2020 waren es 114.

    Warum sterben bei Hitze mehr Menschen?

    Hitzewellen und starke Temperaturschwankungen binnen eines Tages können bereits vorhandene Krankheiten verstärken oder erst auslösen, erklärt Klinikdirektor Stefan Frantz: "Der Klimawandel schlägt vor allem auf den Kreislauf und bereitet besonders Menschen mit Herz- oder Bluthochdruck große Probleme." Es komme zu Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Muskelkrämpfen bis hin zu Herzrhythmusstörungen. 

    Wer sich nicht rechtzeitig Kühlung verschaffe, riskiere einen Hitzschlag, warnt der Kardiologe. Bei diesem lebensbedrohlichen Notfall könne die Körpertemperatur bis auf über 40 Grad ansteigen. Typische Symptome seien Schwäche, Übelkeit, neurologische Dysfunktionen bis hin zum Koma.

    Besonders gefährdet sind Säuglinge und kleine Kinder bis vier Jahren, aber auch alle Erwachsenen ab 65 Jahren, chronisch Kranke, Pflegebedürftige und Demenzkranke. Es treffe aber immer wieder auch junge und gesunde Menschen, die sich bei Hitze einer starken körperlichen Belastung aussetzen, warnt das LGL.

    Schutz der Bevölkerung bei Hitze: Werden in Unterfranken die Empfehlungen umgesetzt?

    Für den Schutz der Bevölkerung sind in Bayern die Kommunen vor Ort verantwortlich. Schon 2017 haben Bund und Länder Handlungsempfehlungen herausgegeben mit dem Ziel, den Hitzeschutz ähnlich wie andere Katastrophenfälle zu organisieren. Sie empfehlen unter anderem die Erstellung von Hitzeaktionsplänen, eine zentrale Koordinierungsstelle, die Nutzung eines Hitzewarnsystems, die Vorbereitung der Gesundheitssysteme, die besondere Beachtung der Risikogruppen und eine langfristige Stadtplanung.

    In ganz Unterfranken gibt es bislang keine Stadt und keinen Landkreis mit einer verantwortlichen Person oder zentralen Koordinierungsstelle, um Menschen bei Hitzeextremen zu schützen. Und keine Verwaltung kann beziffern, wie viele Menschen in ihrer Region an extrem heißen Tagen in Gefahr geraten, also zu den besonders vulnerablen Gruppen zählen. Dies hat eine aktuelle Anfrage dieser Redaktion an alle Städte und Landratsämter in Unterfranken ergeben (von Stadt und Landkreis Aschaffenburg lag bis Redaktionsschluss keine Antwort vor).

    Gibt es Städte und Gemeinden in Unterfranken, die Hitzeaktionspläne haben?

    Laut Bayerischem Gesundheitsministerium liegt aktuell in keiner Stadt oder Gemeinde im Freistaat  ein Hitzeaktionsplan vor. Kleineren Kommunen fehle häufig das Personal zur Ausarbeitung solcher Pläne, so das Ergebnis einer Umfrage des Ministeriums. In Unterfranken arbeitet nach den Aussagen einer Ministerialbeamtin im Umweltausschuss des Landtags derzeit nur die Stadt Würzburg zusammen mit dem Landkreis aktiv an einem solchen Plan.

    Nach Auskunft von Stadt und Landkreis Würzburg werden in diesem Hitzeaktionsplan bald Verantwortliche für hitzebezogene Maßnahmen benannt werden. Dafür arbeiten verschiedene Fachbereiche von Stadt und Landkreis sowie Akteure aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich in der Anfang 2021 gegründeten Arbeitsgruppe "Klimawandel & Gesundheit" zusammen. 

    Ziel seien kurzfristige Maßnahmen wie Infoflyer, Workshops und Schulungen für Beschäftigte im Gesundheitswesen, aber auch langfristige Maßnahmen der Stadtplanung. Die Stadt Würzburg hat zudem Daten über Rettungseinsätze und Hitzeereignisse ausgewertet. Das Ergebnis: Rettungskräfte mussten von 2011 bis 2019 bei hohen Temperaturen in manchen Stadtbereichen besonders oft zu Einsätzen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausrücken.

    Eine Gefahr für die Gesundheit ist Hitze vor allem für ältere Menschen und kleine Kinder (Symbolbild).
    Eine Gefahr für die Gesundheit ist Hitze vor allem für ältere Menschen und kleine Kinder (Symbolbild). Foto: Thomas Obermeier

    Was wird in Unterfranken getan, um die Bevölkerung bei Hitze zu schützen?

    Die Gesundheitsämter der meisten Landkreise in Unterfranken versuchen, die Bevölkerung für die Hitzegefahr zu sensibilisieren. In den Landkreisen Main-Spessart und Miltenberg wird den Angaben zufolge darauf geachtet, dass Schulgebäude, Kliniken und Seniorenheime nur morgens oder nachts gelüftet werden. An den meisten landkreis-eigenen Schulen gebe es Trinkwasserspender.

    Mit Fassadenbegrünung will man am Johannes-Butzbach-Gymnasium in Miltenberg Erfahrungen sammeln. Im Landratsamt und im Klinikum Main-Spessart wurde der Rahmen für Gleitzeit kurzfristig erweitert, damit Beschäftigte außerhalb der größten Hitzephasen arbeiten können. Das Landratsamt Schweinfurt unterstützt Einzelaktionen, etwa das Projekt "Sonne(n) mit Verstand", um auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Haut von Kindern aufmerksam zu machen. 

    Wie unterstützt der Freistaat die Gemeinden beim Bevölkerungsschutz?

    Auf der Internetseite des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) finden Kommunen Informationsmaterial und Werkzeuge zur Erstellung von Hitzeaktionsplänen. Außerdem fördert das Bayerische Gesundheitsministerium derzeit ein LGL-Projekt zum Thema "Pflege bei Hitze", in dem unter anderem eine Online-Schulung für Pflegende erstellt wurde.

    Dem Würzburger Landtagsabgeordneten Patrick Friedl ist das zu wenig. "Wenn wir solche Hitzewellen bekommen, sind wir fachlich, institutionell und koordinierungstechnisch nicht darauf vorbereitet", sagt der Grünen-Politiker. Um mit den hohen Temperaturen besser umzugehen, müsse der Freistaat Städte und Gemeinden besser unterstützen, forderte Friedl im Landtag.

    Dringend nötig seien ein Sonderförderprogramm, das es allen Kommunen ermöglicht, bis Ende 2025 einen Hitzeaktionsplan zu erstellen, eine Taskforce für Extrem-Hitze-Ereignisse, die auch Evakuierungs- und Katastrophenschutzpläne bei Waldbränden erarbeitet, sowie eine bessere Ausstattung der bayerischen Feuerwehren. Sie müssten mit Spezialausrüstung sicherstellen können, dass ihre Feuerwehrleute während eines Einsatzes nicht überhitzen, sagt Friedl. 

    Mit Material von dpa

     Wie viel Wasser braucht der Mensch und wann ist Trinken am besten?Gesunde Menschen sollten 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit am Tag trinken. Bei Hitze und größerer Anstrengung 2 bis 3 Liter, rät Prof. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie an der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg. Wer herz- oder nierenkrank ist, sollte die tägliche Trinkmenge mit seinem Arzt besprechen, so Wanner. Bei zu viel Flüssigkeit könne der Körper bei Betroffenen das Wasser nicht vollständig ausscheiden, sodass es sich in Bauch, Beinen und Lunge ansammelt.Ideal ist, morgens nach dem Aufstehen Wasser zu trinken. Das rege den Kreislauf an und gleiche den Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen in der Nacht aus, sagt der Mediziner. Sinnvoll sei auch, kurz vor oder zu den Mahlzeiten Wasser zu trinken. Das fördere die Verdauung und helfe, Nährstoffe an die richtige Stelle zu transportieren. Vor dem Sport helfe ein Glas Wasser, die Muskeln besser mit Nährstoffen zu versorgen. Trinken vor dem Einschlafen fördere die nächtliche Regenerationsphase des Körpers.akl

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