Probenbesuch beim Würzburger Kneipenchor auf dem Bürgerbräugelände. Wer danach ohne Ohrwurm nach Hause geht, hat keine Ohren. Geprobt wird ein David-Bowie-Medley. Nach "Changes", "Space Oddity" und "Under Pressure" kommt natürlich "Heroes". Astrein vierstimmig, engagiert und stimmungsvoll. Wie gesagt: lauter Ohrwürmer. Es ist die vorletzte Probe vor dem nächsten großen Konzert am Freitag, 17. Februar, in der Posthalle. Motto: "3 Chöre für ein Halleluja". Neben den Würzburgern treten die Kneipenchöre aus München und Erlangen auf. Alle übrigens jeweils mit eigener Band.
Man kennt sich, man ist befreundet. Das Münchner Pendant trägt den schönen Namen "Bud Spenzer Heart Chor" - Spenzer mit z statt mit c. Das Repertoire besteht laut Homepage trotzdem aus der Musik von Bud-Spencer-Terence-Hill-Filmen. Die Würzburger sind da breiter aufgestellt. Gesungen wird Pop und Rock, irgendwie hat sich aber auch das Trinklied "Ein Prost mit harmonischem Klange" ins Repertoire verirrt.
Sogar Mitglied im Fränkischen Sängerbund ist der Würzburger Kneipenchor
Diesmal aber stehen neben David Bowie auch Hits wie "Red Flag" von Billy Talent oder "I Wish I Was A Punk Rocker" von Sandi Thom auf dem Programm. Den Song hatte sich Katja im Sopran gewünscht: "Ich wollte mal was von einer Frau singen - in der Rockmusik dominieren sonst immer die Männer."

Von 60 Mitgliedern sind an diesem Abend 30 da, etliche sind krank, andere vorsichtshalber nicht gekommen. "Ich habe gesagt, wer erkältet ist, soll so kurz vor dem Konzert unbedingt daheim bleiben", sagt Tilman Hampl. Hampl, im normalen Leben IT-Experte, singt im Bass und ist Mitglied im Vorstand. Der Kneipenchor, gegründet vor fünfeinhalb Jahren, ist seit anderthalb Jahren ein eingetragener Verein.
"Es ist ganz gut, wenn es ein paar Regeln und Zuständigkeiten gibt", sagt Hampl, "und dass wir jetzt Spendenquittungen ausstellen können". Sogar Mitglied im Fränkischen Sängerbund ist der Chor inzwischen - nach Hampls Wissen als bislang einziger Kneipenchor in einem solchen Dachverband. "Da gibt es zum Beispiel Zuschüsse, wenn wir neue Arrangements beauftragen."

Über Nachwuchsprobleme kann sich der Kneipenchor, der sich dank Auftritten etwa beim Umsonst & Draußen Festival 2022 einiger Bekanntheit erfreut, nicht beklagen. Bei der letzten Mitgliederwerberunde haben sich 90 Sängerinnen und Sänger gemeldet, nur 20 konnten aufgenommen werden. "Wir haben zwar ein Casting gemacht, letztlich hat dann aber das Los entschieden", sagt Hampl. "Schließlich geht es bei uns nicht um sängerische Perfektion."
Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichsten Bereichen
Der Würzburger Kneipenchor ist genau so, wie man sich einen Kneipenchor vorstellt. Und doch ganz anders. Er ist einerseits ein Haufen fröhlicher Menschen zwischen 25 und 70, die einfach Spaß am gemeinsamen Singen haben - ohne Noten und sonstigen klassischen Ballast. Geprobt wird mit Bier- oder Limoflasche in der Hand, es wird viel gescherzt und gelacht.
Der Chor ist andererseits aber auch ein Ensemble, das mit großem Ernst und bemerkenswerter Disziplin an seinem Repertoire arbeitet. Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichsten Bereichen - es sind Techniker, Studierende, Lehrer, Menschen aus Pflegeberufen, ein Polizist, ein Koch.

Auch Jonas Weger, der feste musikalische Leiter des Chors, ist an diesem Abend krank. Für ihn springt Mateusz Phoutavong ein, selbst Sänger, bis 2017 Mitglied der A-Cappella-Band Viva Voce, Coach und Musikvermittler. "Wir haben immer professionelle Chorleiter, die haben ganz schön hohe Ansprüche", sagt Sopran Maria nicht ohne Stolz. "Wir wollen die Songs ja können", ergänzt Katja.
Noten gibt es keine, jede Stimme und jeden Einsatz haben die Sängerinnen und Sänger im Kopf
Tatsächlich sind die Arrangements durchaus anspruchsvoll. Noten gibt es keine, jede Stimme und jeden Einsatz haben die Sängerinnen und Sänger im Kopf. Die Texte sowieso. In der Probe ziehen einige noch das Smartphone zu Rate, aber im Konzert gilt die Ansage: keine Handys!
Richtig professionell ist schon das Aufwärmen. Phoutavong lässt den Chor Lockerungs- und Atemübungen machen. Das Abklopfen des Körpers klingt wie ein heftiger Platzregen. Grimassen sollen die Gesichtsmuskulatur in Gang bringen. Ein großer Spaß für alle - trotz oder vielleicht auch wegen der Tatsache, dass gerade ein Pressefotograf da ist.

Und dann wird auch schon an den Songs gefeilt. Immer wieder bremst der Chorleiter den Enthusiasmus zugunsten feinerer Differenzierungen: "Bringt das ganz ruhig. Als würdet ihr sprechen." Dieses "Weniger ist mehr" wird sofort umgesetzt und abgespeichert - wie jede weitere Änderung oder Ergänzung. "Die haben eine ganz eigene Dynamik, sich alles zu merken, das ist krass", sagt Mateusz Phoutavong. Die Band, hervorgegangen aus dem Chor, setzt nach jeder Unterbrechung punktgenau wieder da ein, wo weitergemacht wird.
Der Chor hat WhatsApp-Gruppen für die unterschiedlichsten Zwecke
Kommuniziert wird ansonsten in WhatsApp-Gruppen. Es gibt eine für jede Stimmgruppe, dort werden etwa Dateien mit den zu übenden Melodien verteilt. Dann gibt es eine Gruppe zum Ratschen, schließlich gehören Freundschaft und Geselligkeit zur DNA jedes Kneipenchors. Und schließlich gibt es eine Gruppe für die wichtigen Angelegenheiten, wie Tilman Hampl erklärt: "Zum Beispiel, wer das Bier mitbringt."
Natürlich hat Corona auch den Kneipenchor erwischt. Sobald wieder etwas ging, wurde zunächst in Parks und Parkhäusern geprobt, derzeit trifft man sich in Raum 17, einem Mehrzweckraum des Dachverbands der Freien Würzburger Kulturträger auf dem Bürgerbräugelände, oder im Café Cairo. "Aber wir wollen schon wieder in die Kneipen zurück", versichert Hampl.
Das Konzert: "3 Chöre für ein Halleluja" mit den Kneipenchören aus Würzburg, Erlangen und München. Fr., 17. Februar, 20 Uhr, Posthalle Würzburg. Karten unter www.posthalle.de