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Gleitzeit an Schulen könnte Jugendlichen mit Schlafstörungen helfen

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Gleitzeit an Schulen könnte Jugendlichen mit Schlafstörungen helfen

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    Der Schüler Thomas liest am 06.04.2016 im Gymnasium in Alsdorf (Nordrhein-Westfalen) während einer Dalton-Stunde in einem Buch. Im Alsdorfer Gymnasium dürfen Schüler je nach Neigung früher oder später kommen.
    Der Schüler Thomas liest am 06.04.2016 im Gymnasium in Alsdorf (Nordrhein-Westfalen) während einer Dalton-Stunde in einem Buch. Im Alsdorfer Gymnasium dürfen Schüler je nach Neigung früher oder später kommen. Foto: A4014/_Marius Becker (dpa)

    Ist Gleitzeit an Schulen für den natürlichen Schlaf- und Lebensrhythmus von Kindern und Jugendlichen sinnvoll? Wir sprachen mit Dr. Barbara Schwerdtle, die das Therapieprogramm KiSS für Kinder mit Schlafschwierigkeiten an der Universität Würzburg leitet.

    Frau Schwerdtle, ist Gleitzeit an Schulen Ihrer Meinung nach sinnvoll?

    Barbara Schwerdtle: Ja, ich halte das für eine gute Idee. Vor allem im Jugendalter fällt es vielen Schülern schwer, zur ersten Stunde fit und konzentriert zu sein. Gleitzeit kann dieses Problem lösen und kommt gleichzeitig denjenigen Schülern entgegen, die einen frühen Schulbeginn präferieren.

    Tickt die innere Uhr bei Jugendlichen tatsächlich nach und geraten Jugendliche daher oft in ein – wie Experten sagen – soziales Jetlag?

    Schwerdtle: Das stimmt. Meist mit Beginn der Pubertät verschiebt sich der Rhythmus der Jugendlichen nach hinten. Sie schlafen später ein und haben morgens das Bedürfnis, länger zu schlafen. Die betroffenen Jugendlichen sind durch den frühen Schulbeginn gezwungen, gegen ihren Rhythmus zu leben. Dies ist vergleichbar mit dem Jetlag, den viele Menschen von Flugreisen kennen.

    Wenn Jugendliche Schlafdefizite haben, würde das Schulwissen vom Vortag im Schlaf nicht ausreichend konsolidiert, sagen Experten. Was heißt das für die Betroffenen?

    Schwerdtle: Schlaf ist wichtig für die Gedächtnisbildung. Studien zeigen, dass Kinder mit Schlafstörungen schlechtere Schulleistungen haben als andere Kinder. Deshalb sollten alle Schüler ausreichend Schlaf bekommen.

    Einige Pädagogen widersprechen Ihrer Theorie und sagen, ihre Schüler wären in den ersten vier Stunden besonders konzentriert.

    Schwerdtle: Die Erfahrung deckt sich nicht mit den Erkenntnissen der Schlafforschung. Es ist aber denkbar, dass Pädagogen gegenteilige Erfahrungen mit jüngeren Kindern gesammelt haben, denen das Aufstehen in der Regel noch nicht so schwer fällt. Außerdem wäre es interessant zu wissen, um wie viel Uhr genau die ersten vier Stunden der Pädagogen beginnen.

    Haben Schlafstörungen von Kindern auch etwas mit dem straff getakteten Rhythmus vieler Familien am frühen Morgen zu tun?

    Schwerdtle: Schlafstörungen können viele Ursachen haben. Denkbar ist durchaus, dass ein zu straffer Tagesplan, der schon morgens beginnt, Stress verursacht und Stress ist ein häufiger Grund für Schlafprobleme. Auch das Wissen, am nächsten Tag wieder viel zu früh aufstehen zu müssen, kann das Einschlafen erschweren und so den Schlaf verkürzen und zu Schlafproblemen führen.

    Wie viele Kinder und Jugendliche in Unterfranken sind von Schlafproblemen betroffen?

    Schwerdtle: Generell unterscheiden Wissenschaftler zwischen Schlafproblemen und Schlafstörungen. Von Schlafproblemen sind etwa 25 Prozent aller Kinder irgendwann im Laufe ihres Erwachsenwerdens betroffen. Schlafprobleme werden zu einer Schlafstörungen, wenn diese über einen längeren Zeitraum anhalten. Davon sind 10 Prozent der Kinder aller Altersgruppen betroffen. Unsere eigenen Erhebungen in Unterfranken liefern vergleichbare Zahlen.

    Welche sind die Folgen für Schule und Unterricht?

    Schwerdtle: Müdigkeit ist eine Folge, die sich oft auch in der Schule zeigt. Betroffene Kinder können sich weniger gut konzentrieren und sind unaufmerksamer. Kinder mit Schlafstörungen sind häufig unruhig und können nicht lange still sitzen. Durch Bewegung versuchen sie, sich wach zu halten.

    Welche sind die Symptome von Schlafstörungen?

    Schwerdtle: Symptome von Schlafstörungen sind vielfältig: Schwierigkeiten beim Einschlafen, beim Durchschlafen oder schwere Weckbarkeit am Morgen. Auch Phänomene wie Alpträume, Schlafwandeln, Ängste beim Schlafen, starkes Schnarchen oder Atempausen während des Schlafes können Anzeichen sein. Tagsüber sind Schlafstörungen zum Beispiel durch Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit oder Grübeln erkennbar.

    Was können Betroffene dagegen tun?

    Schwerdtle: Als erstes sollten Betroffene ihre Schlafhygiene verbessern: dazu gehört, einen regenmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus zu implementieren oder ein Schlafritual einzuführen. Auch sollte das Bett ausschließlich zum Schlafen benutzt werden. Bleiben die Schlafstörungen, sollten Betroffene über eine Therapie nachdenken. Aktuell suchen wir Kinder zwischen fünf und zehn Jahren mit Schlafstörungen, die an unserer Kinderschlafstudie teilnehmen möchten.

    Können Schlafstörungen durch Gleitzeit an der Schule beseitigt werden?

    Schwerdtle: Ja, das ist denkbar. Es kommt aber auf die Ursache der jeweiligen Schlafstörung an. Die Schlafstörungen, die auf die Verschiebung des Schlafrhythmus gegen den natürlichen Rhythmus der Kinder zurückzuführen sind, könnten weniger werden.

    Die Individualisierung von Unterrichtszeiten führt meist dazu, dass Kinder zum Spielen am Nachmittag später heimkommen. Brauchen Kinder eine regelmäßige Spielzeit genauso wie eine regelmäßige Schlafzeit? Welcher Lebensrhythmus ist für Kinder sinnvoll?

    Schwerdtle: In Bezug auf den Schlaf ist ein regelmäßiger Rhythmus generell von Vorteil. Dieser muss aber an die Lebensgewohnheiten der Familie angepasst werden. Kinder sollten auch Zeit fürs Spielen haben, da für Kinder – genauso wie für Erwachsene – gilt: Erholung und Entspannung sind wichtig.

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