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HANNOVER/WÜRZBURG: Gottfried Wilhelm Leibniz, das Universalgenie

HANNOVER/WÜRZBURG

Gottfried Wilhelm Leibniz, das Universalgenie

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    Großer Denker und Erfinder: Gottfried Wilhelm Leibniz, geboren 1646 in Leipzig, gestorben vor 300 Jahren in Hannover.IMAGO
    Großer Denker und Erfinder: Gottfried Wilhelm Leibniz, geboren 1646 in Leipzig, gestorben vor 300 Jahren in Hannover.IMAGO Foto: Foto:

    Er war Mathematiker und Ingenieur, Jurist, Historiker und Philosoph, Theologe, Erfinder und Bibliothekar, Sachverständiger und politischer Berater. Gottfried Wilhelm Leibniz, nach dem eine bekannte Keksfabrik ihren Butterkeks benannte, ist uns heute noch vor allem durch seine mathematischen Leistungen präsent. Er kann aber auch – drei Jahrhunderte nach seinem Tod am 14. November 1716 – als ein Mensch angesehen werden, der stets von Ideen und Visionen getrieben war, als Prototyp eines Wissenschaftlers.

    Ein System nur mit 0 und 1

    Mit der Erfindung der Infinitesimalrechnung hat Leibniz einen zentralen Grundpfeiler und Ankerpunkt für die Entwicklung der modernen Mathematik gesetzt, mit der Konstruktionen einer Rechenmaschine erkannte er frühzeitig die Bedeutung der Automatisierung menschlichen Handelns und Arbeitens, und das von ihm erfundene Dualsystem – also ein Zahlsystem, das nur auf den beiden Ziffern 0 und 1 aufbaut – bildet die Grundlage für unsere heutigen digitalen Technologien.

    Gottfried Wilhelm Leibniz wurde in Leipzig geboren, begann als 15-Jähriger ein Jurastudium in Leipzig und wechselte dann nach Jena. Den damaligen Professoren dort trat der ideensprühende junge Mann doch etwas zu forsch auf, sie trauten dem jungen Mann noch keine Doktorarbeit zu. So wechselte Leibniz an die Universität nach Altdorf bei Nürnberg. Dort reichte er mit 20 Jahren eine Arbeit ein, für die ihm die juristische Doktorwürde für beide Rechte – kirchlich und säkular – verliehen wurde. Die Disputation fand in lateinischer Sprache statt, die Leibniz bereits damals fließend beherrschte. Eine ihm daraufhin angebotene Professorenstelle in Altdorf lehnte er ab, er wollte zunächst einmal unabhängig von irgendwelchen Verpflichtungen seinen eigenen Forschungen nachgehen und vielleicht auch die große Welt erkunden.

    Doch damals wie heute mussten sich Nachwuchswissenschaftler um eine finanzielle Absicherung ihrer Tätigkeiten bemühen, mussten sich entweder einen Platz an der Universität oder um „Drittmittel“ bemühen. Und für die Forschungsförderung war die weltliche und geistliche Obrigkeit zuständig.

    Leibniz begab sich in den Dienst des Kurfürsten von Mainz, dem in Würzburg wohlbekannten Johann Phillip von Schönborn, und wurde dessen politischer Berater. In seinem Auftrag reiste Leibniz 1672 nach Paris, um dem dortigen Sonnenkönig – Ludwig XIV – anstelle seiner Eroberungszüge in Europa einen Feldzug nach Ägypten vorzuschlagen – eine spektakuläre Idee, durchaus mit Realitätsbezug, wie der dann später erfolgte Feldzug Napoleons nach genau diesem afrikanischen Land zeigt.

    Welt aus lauter Monaden?

    Der Sonnenkönig war allerdings bereits mit seinem Kriegsheer in den Niederlanden eingefallen und Leibniz folglich umsonst nach Paris gereist. So vertrieb er sich seine Zeit mit Philosophie und Mathematik. In seinen philosophischen Studien dachte er sich die gesamte Welt aus kleinesten Teilchen zusammengesetzt– er nannte sie Monaden – und wies ihnen ein Innenleben zu, das die Außenwelt völlig analog widerspiegelt. Allerdings kann man nicht in die Monaden hineinsehen: „Monaden haben keine Fenster.“ Trotzdem sind die Vorgänge inner- und außerhalb dieser Monaden völlig gleich, da Gott sie einmal vor vielen Jahren in völlig gleicher Weise in Bewegung gesetzt hat, er hatte sie „prästabiliert harmonisiert“. Das ist alles schwer nachzuvollziehen. So ging es den Leuten damals, so geht es uns noch heute.

    In Paris hatte Leibniz dann keine Scheu, den weltbekannten Mathematiker Christian Huygens zu konsultieren, obwohl er sich zu dieser Zeit überhaupt noch nicht mit Mathematik beschäftigt hatte. Huygens stellte Leibniz ein sehr anspruchsvolles mathematisches Problem, das dieser in wenigen Tagen löste (die Summation der Inversen der Dreieckszahlen 1, 3, 6, 10, 15, 21, ….). Genies brauchen offensichtlich keine Schule und keine Universität zur Entfaltung ihres Wissens. In der Bibliothek von Paris entdeckte Leibniz dann ein von dem Mathematiker Blaise Pascal gezeichnetes Dreieck, das dieser zur Bestimmung der Steigung von Kreislinien verwendet. Leibniz übertrug diese Idee auf eine viel größere Vielfalt von Kurven in der Mathematik.

    Er erkannte, dass sehr kleine Dreiecke bei der Berechnung von Steigungen von Kurven sehr hilfreich sein können, stellte sich die Dreiecksseiten als Monaden vor und nannte den Quotienten eine „infinitesimale oder unendlich kleine Größe“. Damit konnten Astronomen Planetenbahnen und Ingenieure Drehungen bei Eisenbahnen oder den Flug von Kanonenkugeln genauestens berechnen. Die Infinitesimalrechnung war geboren. Ohne sie könnte die Dynamik in unserer heutigen Welt – ob kreisende Satelliten, fahrende Autos, Wachstumsprozesse und strömende Flüssigkeiten – nicht oder wesentlich schwieriger erfasst und berechnet werden.

    Allerdings gab es damals wie heute erbitterte Kämpfe um Vorrechte für erste große Ideen. Sir Isaac Newton (1642 – 1726) in England hatte ähnliche mathematische Ideen wie Leibniz angestellt und erzielte dieselben Ergebnisse, veröffentlichte „seine Infinitesimalrechnung“ aber erst nach Leibniz. Da die beiden vorher bereits in Briefkontakt standen, wurde Leibniz des Diebstahls der Ideen Newtons, also des Plagiats angeklagt und von der Royal Society in London, deren Vorsitzender Newton war (!), wenig überraschend auch verurteilt.

    Das hat Leibniz ein Leben lang geärgert und er hat sich – vergeblich – dagegen gewehrt.

    Zwei Erfinder der modernen Mathematik

    Heute wissen wir, dass Leibniz und Newton auf unterschiedlichen Wegen zu denselben Ergebnissen gekommen sind. Beiden gebührt die Ehre der Erfindung der modernen Mathematik. Die Schreibweisen für „die Ableitung“ und „das Integral“, die wir heute in der gesamten wissenschaftlichen Welt verwenden, sind von Leibniz eingeführt worden.

    Eine Lebensaufgabe war für Leibniz die Entwicklung einer Rechenmaschine. Auf die Idee dazu kam er, als er einen automatischen Schrittzähler sah, also ein Gerät, mit dem man „ohne zu denken zählen konnte“. Dies wollte er auf das Zahlenrechnen übertragen. Er dachte sich einen Kasten mit staffelförmigen Walzen, die wiederum Zählräder stellenversetzt drehen sollten. Seine – richtigen – Skizzen konnten die Mechaniker der damaligen Zeit nicht adäquat umsetzen, so dass die Rechenmaschine niemals praktisch funktionierte. Dann erfand Leibniz das Dualsystem, und entwarf auch dafür eine Rechenmaschine (die zu seiner Zeit mechanisch nicht umgesetzt werden konnte).

    Er kann somit als ein Vordenker der digitalen Technologien, der Computer, Smartphones und Textverarbeitungssysteme gelten. Denn deren Funktionsweisen basieren genau auf diesem Zweiersystem aus 0 und 1.

    Darüber hinaus konstruierte Leibniz Windmühlen zur Entwässerung von Bergwerken (die nie richtig funktionierten), arbeitete an einer Universalsprache für die Menschheit und wollte das Versicherungs- und Finanzwesen revolutionieren. Seine Ideen hielt er auf einzelnen Zetteln fest. Davon gibt es heute fast 200 000 Stück, die in der Leibniz Bibliothek in Hannover – in der Leibniz selbst ab 1676 Bibliothekar war – liegen, und die im wörtlichen Sinne verdeutlichen, wie sich Leibniz in seinem Leben des Öfteren verzettelt hat.

    Leibniz war ein Mensch, der immer von Ideen getrieben war, der sich schnell in neue Gebiete einarbeiten konnte, und der nicht nur Visionen hatte, sondern sie mit aller Kraft umzusetzen versuchte. Über sein privates, familiäres und soziales Leben wissen wir wenig. Obwohl Leibniz zu vielen Frauen in Briefkontakt stand, scheint es keine besondere Frau an seiner Seite gegeben zu haben. Er scheint sich einzig der Wissenschaft verschrieben zu haben.

    In einem ganz anderen Zusammenhang begegnet uns Leibniz heute immer noch. Als die Firma Bahlsen in Hannover 1891 für ihre zwiebackähnlichen schmalen Scheiben einen neuen Namen suchte, kam sie auf „Leibniz cakes“, da sie mit Leibniz einen Lokalbezug herstellen konnte und die englische Sprache gerade in Mode gekommen war. „Cakes“ sprach die Bevölkerung allerdings allzu wörtlich aus, so dass daraus der Name „Keks“ wurde. Somit werden wir heute auch im Lebensmittelladen immer noch an den großen Wissenschaftler des 17./18. Jahrhunderts erinnert.

    Prof. Hans-Georg Weigand, 1952 in Würzburg geboren, ist Inhaber des Lehrstuhl für Mathematikdidaktik an der Julius-Maximilians-Universität. Sein besonderes Interesse gilt dem Einsatz neuer Technologien beim Lehren und Lernen von Mathematik. Weigand hat mehrere Bücher über den Computereinsatz im Mathematikunterricht, über Didaktik der Algebra und Geometrie, aber auch über Kunst und Fußball geschrieben und herausgegeben. Ausstellung: In der Teilbibliothek des Instituts für Mathematik an der Uni Würzburg, Hubland-Campus Nord, ist zum 300. Todestag eine kleine Ausstellung über Leibniz als Mathematiker zu sehen – auch mit Rechenmaschinen. Geöffnet wochentags von 8.30 bis 18 Uhr.

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