Mit einer Großrazzia sind die Ermittlungsbehörden am Mittwoch gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation vorgegangen. 15 Objekte in ganz Deutschland durchsuchte die Polizei, darunter drei in Augsburg und München. Zudem sperrten die Ermittler Bankkonten und Internetseiten der Aktivisten. Gegen sieben Beschuldigte wird laut Generalstaatsanwaltschaft München und Bayerischem Landeskriminalamt ermittelt - unter anderem wegen des Verdachts der Bildung beziehungsweise der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

Wie weit der Rechtsstaat auf Aktionen der Letzten Generation, wie das Blockieren von Straßen, reagieren soll - genau dies war zuletzt Thema der Diskussionsreihe "Kellergespräch", die von den Juristen-Alumni der Uni Würzburg und der Main-Post organisiert wird. Wie schätzen die Podiumsteilnehmer jetzt die aktuelle Entwicklung und die Durchsuchungen ein?
Für Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für öffentliches Recht an der Uni Würzburg, ist die Sache klar: Grundlage der Razzia sei ein richterlicher Beschluss, also sei dies eine legitime Maßnahme. Bei den weiteren Ermittlungen müsse nun geklärt werden, ob sich der "offensichtlich gut begründete Anfangsverdacht" einer strafbaren Handlung erhärtet oder nicht.

Schwarz unterstreicht, dass es für den Rechtsstaat keine Rolle spielen dürfe, aus welchen Motiven die Klimaaktivisten handeln und Straftaten begehen. Der Ort, um politische Forderungen zum Klimaschutz durchzusetzen, seien die Parlamente: "So ist das in der Demokratie geregelt." Ein Widerstandsrecht gestehe das Grundgesetz den Bürgerinnen und Bürgern nur gegen diejenigen zu, "die die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen wollen".
Würzburger Anwalt nennt das Vorgehen der Behörden "unschön"
Der Würzburger Rechtsanwalt Eric Weiser-Saulin nennt die Großrazzia gegen die Letzte Generation und die Beschlagnahmung von Geldern, die der Organisation gespendet wurden, "unschön". Dieses drastische Vorgehen der Ermittler sei "keine gute Entwicklung", sagt der Umweltjurist mit Blick auf die Klimaschutzdebatte. Ohne die konkreten Vorwürfe zu kennen, ließen sich die Maßnahmen aber nicht abschließend bewerten.
Weiser-Saulin hatte beim Kellergespräch zu bedenken gegeben, dass in Zeiten des Klima-Notstandes vielleicht "juristisch neu gedacht" werden müsse. Er habe Zweifel, ob es sich beim Festkleben auf der Straße tatsächlich um eine Nötigung im Sinne des Strafrechts handle. Schließlich erinnerten die Aktivisten die Politik lediglich daran, die selbst beschlossenen Vorgaben in Sachen Klimaschutz umzusetzen.

Die sachorientierte Diskussion beim Kellergespräch habe gezeigt, dass ein Dialog trotz gegensätzlicher Ansichten möglich ist, sagt Weiser-Saulin. Es sei schade, wenn durch Vorwürfe wie Bildung einer kriminellen Vereinigung und die Razzia die Klimaschutz-Debatte nun eher eskaliere und so Gespräche zwischen Aktivisten und den politisch Verantwortlichen erschwert würden.
Würzburger Aktivistin nimmt regelmäßig an Blockaden teil
Johanna Sing und Jörg Peter, Vertreter der Letzten Generation beim Kellergespräch, waren am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Sing hatte den 250 Zuhörerinnen und Zuhörern der Diskussion berichtet, dass sie sich seit Monaten regelmäßig vor allem in Berlin an Straßenblockaden beteilige und dabei auch auf die Fahrbahn klebe. Rechtskräftig verurteilt worden sei sie noch nicht, sie rechne aber damit.
Ihren Protest rechtfertigte die 34-Jährige mit der "großen Bedrohung", die vom "Nicht-Handeln" der Politik ausgehe. Damit verstoße die Regierung gegen geltendes Recht, sagte Sing: "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren."