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Würzburg: Habeck in Würzburg: "Klimaschutz ist anstrengend und kostet Geld"

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Habeck in Würzburg: "Klimaschutz ist anstrengend und kostet Geld"

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    Engagierter Redner: Grünen-Chef Robert Habeck beim Wahlkampf-Auftritt am Mittwoch in Würzburg.
    Engagierter Redner: Grünen-Chef Robert Habeck beim Wahlkampf-Auftritt am Mittwoch in Würzburg. Foto: Daniel Peter

    11.30 Uhr Würzburg, 15 Uhr Erlangen, 19 Uhr München: Eng getaktet ist der Terminplan der Politik-Promis im Wahlkampf, so auch beim Grünen-Co-Vorsitzenden Robert Habeck. Trotz Mittagszeit und Regenwetter kamen gut 300 Zuhörerinnen und Zuhörer, um den 52-Jährigen, den viele Grünen-Sympathisanten lieber als Annalena Baerbock als Kanzlerkandidat gesehen hätten, auf der Würzburger Talavera zu erleben. Am Rande der Veranstaltung von Bundestagskandidat Sebastian Hansen sprach die Redaktion mit ihm über Zumutungen im Grünen-Wahlprogramm und mögliche Koalitionen nach dem 26. September.

    Frage: Je mehr im Wahlkampf über Inhalte geredet wird, desto mehr verlieren die Grünen in den Umfragen. Woran liegt das?

    Robert Habeck: Die Beobachtung teile ich nicht. Wir stehen in den Umfragen zugegebenermaßen nicht da, wo wir stehen wollten, aber: Der Wahlkampf fängt doch jetzt erst an, wirklich inhaltlich zu werden. Wir kämpfen weiter bis zur Wahl und werden deutlich machen, wie wir das Land zukunftsgerecht aufstellen wollen. Da ist noch alles drin.

    Viele Menschen haben Angst, dass es im Alltag teurer wird für jede und jeden einzelnen, wenn die Grünen mitregieren.

    Habeck: Am teuersten wird es, wenn wir nichts tun, weiter abwarten, in die Klimakrise einfach reinlaufen. Beim CO2-Preis ist es außerdem umgekehrt: Wir haben – anders als Union und SPD – ein Konzept vorgelegt, mit dem wir die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Menschen als Energiegeld zurückgeben. Nachdem sich alle Parteien zum CO2-Preis bekannt haben, heißt das: Wenn Sie die Grünen wählen, haben Sie was davon, bei Union und SPD nicht.

    Diejenigen vielleicht, die sich ein E-Auto leisten können. Viele aber auch nicht. Sie haben selbst gesagt, es stehen Zumutungen für die Bürgerinnen und Bürger an. Ihre Mitbewerber hingegen versprechen Steuersenkungen.

    Habeck: Die anderen Parteien sind da unehrlich. Wer Steuersenkungen für die oberen Einkommensklassen verspricht, an der Schuldenbremse festhält, nach Corona investieren will, Klimaschutz anstrebt und behauptet, außerdem den Haushalt zu sanieren, der streut den Menschen schlichtweg Sand in die Augen.

    "Am teuersten wird es, wenn wir nichts tun, weiter abwarten, in die Klimakrise einfach reinlaufen."

    Robert Habeck, Grünen-Vorsitzender 

    Was ist Ihre Alternative?

    Habeck: Eine solide Finanzpolitik, die sagt, wie die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz gestemmt werden – nämlich über eine Reform der Schuldenbremse. Wir behalten diese im Kern bei, schaffen aber über eine zusätzliche Investitionsregel den nötigen Spielraum für Investitionen, mit denen wir Wachstum generieren. Und ja, wir müssen ehrlich miteinander diskutieren. Klimaschutz ist anstrengend und kostet Geld. Der Ausbau von Windkraft löst nicht selten Proteste aus, der Ausbau von Stromleitungen ebenfalls, und auch die CO2-Bepreisung wird von vielen Menschen als eine Zumutung empfunden. Die Klimakrise ist aber Realität, und wir können das alles gemeinsam hinbekommen, wenn wir Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gemeinsam denken. Wenn wir Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Wenn wir politisch in die Verantwortung gehen.

    Robert Habeck mit dem Würzburger Bundestagskandidaten Sebastian Hansen (rechts) und dem Landtagsabgeordneten Patrick Friedl (Mitte).
    Robert Habeck mit dem Würzburger Bundestagskandidaten Sebastian Hansen (rechts) und dem Landtagsabgeordneten Patrick Friedl (Mitte). Foto: Daniel Peter

    Können Sie konkret sagen, wo es teurer wird?

    Habeck: Noch mal: Vor allem Zögern und Zaudern macht es insgesamt teurer, beschwerlicher, ungerechter. Je früher wir handeln, desto günstiger wird es gesamtgesellschaftlich. Wenn Sie auf die Debatte anspielen, dass das Schnitzel unerschwinglich werde und wir deshalb Klima- und Tierschutz lieber lassen sollten, dann würde ich gern feststellen: Immer noch geht Fleisch für Ramsch- und Dumpingpreise in den Supermärkten über die Theke. Gerade sinken die Preise für Schweinefleisch so drastisch, dass Schweinehaltern der Ruin droht – auch das ist eine soziale Frage. Die Landwirtschaftspolitik muss sich aus vielerlei Gründen ändern: Der Druck auf Klima und Umwelt ist enorm, die Tiere haben nun wirklich kein sehr großartiges Leben, die Landwirte schuften sich den Buckel krumm und müssen immer mehr immer billiger produzieren. Wenn wir die EU-Agrarmilliarden anders verteilen und einen Tierschutz-Cent einführen, damit Tiere ein besseres Leben haben, reden wir also über sehr moderate Entwicklungen und Cent-Beträge. Wenn wir dann noch einen Weg finden, weniger Lebensmittel wegzuschmeißen – derzeit reden wir da von Nahrungsmitteln im Wert von etlichen Milliarden Euro – dann gewinnen am Ende alle.

    Klimaschutz bedeutet Freiheit, sagen Sie. Klingt abstrakt. Hätten Sie ein Beispiel?

    Habeck: Ich war im Ahrtal – für die Menschen dort ist das überhaupt nicht abstrakt. Viele haben durch die Flut im Sommer ihr Leben, andere ihr Hab und Gut verloren. Und die gesamte Flutkatastrophe kostet uns als Gesellschaft rund 30 Milliarden Euro. Es lässt sich natürlich schwer sagen, inwiefern jedes einzelne Extremwetter unmittelbar mit der Klimakrise zusammenhängt, aber Experten sind sich einig, dass Überschwemmungen oder auch Dürrephasen durch die Erderwärmung häufiger oder heftiger werden. Das zeigt: Wir reden hier nicht von abstrakten Behauptungen. Gesundheitsbelastungen durch den Klimawandel, Unwetterschäden, aber auch wirtschaftliche Auswirkungen sind sehr konkret und drohen, das Land am Ende ärmer und damit auch unfreier zu machen. Es sei denn, wir gehen endlich voran.

    Gibt es einen Wunsch-Koalitionspartner, mit dem Sie ab Herbst ihre Ziele umsetzen möchten?

    Habeck: Ja, mit der SPD.

    "Es hat keinen Sinn, heute irgendeine Koalitionsaussage zu machen."

    Robert Habeck, Grünen-Vorsitzender

    Sind Sie sicher, dass sich in einer rot-grünen Koalition am meisten grüne Politik verwirklichen lässt?

    Habeck: Nicht automatisch, deshalb sind wir ja zwei unterschiedliche Parteien.

    Und gerade beim Kohleausstieg, der vorgezogen werden muss, oder auch beim Ausbau der Erneuerbaren hat sich die SPD nicht so mit Ruhm bekleckert. Ohnehin waren die Sozialdemokraten beim Klimaschutz häufig Bremser. Dennoch gibt es mit ihnen die größte programmatische Schnittmenge.

    Und wenn es für eine Zweier-Koalition nicht reicht, lieber dann mit der Linken oder der FDP?

    Habeck: Die Linke hat viel dafür getan, dass Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit bleiben. Die Partei hat sich nicht aufs Regieren vorbereitet. Das hat auch die jüngste Abstimmung im Bundestag zum Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan erneut gezeigt.

    Grünen-Vorsitzender Robert Habeck im Gespräch mit Main-Post-Redakteur Michael Czygan.
    Grünen-Vorsitzender Robert Habeck im Gespräch mit Main-Post-Redakteur Michael Czygan. Foto: Daniel Peter

    Und die FDP?

    Habeck: Die FDP hat sehr andere ordnungs- oder wirtschaftspolitische Vorstellungen als wir. Sie sehen also: Es hat keinen Sinn, heute irgendeine Koalitionsaussage zu machen. Koalitionen entstehen am Verhandlungstisch, wo man dann sehen muss, ob es gelingt, eine gemeinsame Idee für die Regierung zu schmieden, die über das Trennende hinausgeht. Bis dahin kämpfen wir für ein starkes grünes Ergebnis.

    Fürchten Sie, dass es am Ende auch eine Bundesregierung ohne die Grünen, Schwarz-Rot-Gelb, die sogenannte Deutschland-Koalition, geben könnte?

    Habeck: Das wäre jedenfalls für die Zukunft des Landes eine wirklich schlechte Nachricht. Diese Koalition würde an der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorbei gehen. Andererseits wird Politik nicht selten auch aus der Kraft der Bequemlichkeit gespeist. Das haben Union und SPD in den letzten Jahren immer wieder zelebriert. Ich kann nur davor warnen, diesen Modus fortzuführen.

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