Als wär's erst gestern gewesen – die Thüngersheimer Schanzbuben erinnern sich auch nach über 65 Jahren noch genau an jene Wochen, in denen sie im Saarland am Westwall im Saarland schwere Grabarbeit verrichten mussten. Auf Initiative von Reinhard Leibold, der sich der Thüngersheimer Geschichte verschrieben hat, trafen sich die früheren Schulkollegen des Geburtsjahrganges 1928/29 und tauschten beim Nachmittagsschoppen ihr Erinnerungen aus.
Seinerzeit waren aus dem Großraum Würzburg rund 3000 Jugendliche abkommandiert. „Auch Leinacher, Greußenheimer und Waldbüttelbrunner waren dabei“, erinnert sich ein Senior. Ebenso mussten an die 500 Würzburger arbeiten, erinnert sich Hermann Geisel, der jetzt in Randersacker lebt. Die Runde wurde komplettiert von Hans Beck aus Höchberg. Aus Thüngersheim waren Eberhard Urlaub, Helmar Gößwein, Luitpold Spahn, Michael Kraft und Günter Heusler zugegen.
Harte Zeiten war's, erinnern sie sich. In der Schule wurde Quartier gemacht untergebracht und früh um 6 Uhr mussten die Schanzbuben raus. Für 60 bis 70 gab es nur ein Waschbecken. Das kleine Geschäft wurde über Blechrinnen abgeleitet, von den zwei Toiletten mochten sie gar nicht reden. Nach dem Frühstück mit Kaffee und Kunsthonig ging's zum Abschnitt zwischen Wadgassen und Hülsweiler. Bei Fliegeralarm marschierten sie in zwei Reihen am Wegesrand in einem Abstand von zwei Meter.
„Eine Minute brauchen die Amis über den Graben und 60 Minuten lachen sie sich kaputt“.
Günter Heusler Thüngersheimer Schanzbube
Die Arbeit war hart. Mit kleinen Pickeln musste sie Panzergräben nach einem bestimmten System graben. Vorgegeben waren die Maße 4,50 auf 1,50 Meter. Die Seiten wurden abgeschrägt und danach musste nochmals zwei Meter senkrecht nach unten gebuddelt werden. Dazu kam der ständige Regen, erinnert sich Hermann Geisel.
Von der Hotelsuppe haben sie auch noch erzählt. Wer zuerst am vollen Topf war, hatte das Pech, dass seine Suppe dünn war. Nach unten wurde die Brühe immer dicker. Dafür ist das dunkle Bier noch in guter Erinnerung: „Des is' geloffe'“, schwärmte ein Thüngersheimer.
Als wäre das Leben nicht schon schwer genug gewesen, kam obendrein noch der unvermeidliche Drill dazu. War das Essbesteck einmal nicht hundertprozentig sauber, war eine Latrinenreinigung fällig.
Günter Heusler hat sogar einmal „Karzer“ bekommen. Einen Tag musste er wegen einer flapsigen Antwort im Keller verbringen. Ein so genannter Bannführer hatte ihn gefragt, wie lange wohl ein US-Panzer über einen Graben brauchen würde. „61 Minuten“, lautete Günter Heuslers prompte Antwort und lieferte die Begründung gleich nach:„Eine Minute brauchen die Amis über den Graben und 60 Minuten lachen sie sich kaputt“.
Von Mitte September bis zum Ende der ersten Dezemberwoche waren die Thüngersheimer Jugendlichen beim Schanzen. Jeder war natürlich froh, als es wieder heimwärts ging. Zu Hause ging's der Krieg allerdings weiter, denn sie wurden für den Volkssturm ausgebildet.
Reinhard Leibold hat als Initiator dieser Veranstaltung auch einen Bezug zu diesem Thema. Schließlich waren seine Brüder Walter und der mittlerweile verstorbene August beim Schanzen am Westwall eingesetzt. Leibold selbst forscht leidenschaftlich nach Ereignissen aus der Zeit vor 1945.
So machte er von sich reden, als er vor zwei Jahren den NS-Durchhaltefilm „Kamerad Hedwig“ in einem amerikanischen Archiv entdeckte und in seiner Heimatgemeinde aufführte. Teile des nie fertig gestellten Streifens wurde in Thüngersheim – das im Film den Namen Dollingen führt – und am Lokschuppen des Würzburger Bahnhofes gedreht. Auch zur 75-Jahr-Feier des Freibades förderte der gebürtige Thüngersheimer, der schon viele Jahre in Nürnberg lebt, unbekannte Dokumente und sonst noch Erstaunliches zutage.
Jahrgang 1928/29
Reinhard Leipold, Thüngersheimer Hobbyhistoriker, hat die Namen der Schanzbuben des Jahrganges 1928/29 zusammengetragen:.
Hans Beck, Robert Dürr (†), Helmar Gößwein, Willi Gößwein (†), Günter Heusler, Karl Heusler, Erhard Klüpfel (†), Theobald Klüpfel, Michael Kraft, August Leibold (†), Walter Leibold, Paul Leist (†), Paul Link (†), Ewald Schmitt (†), Karl-Heinz Schott (†), Luitpold Spahn, Eberhard Urlaub, Willi Urlaub (†), Emil Weth und Eduard Wittstadt.
Irmgard Kraft (†) und Ingeborg Heusler (geb. Zorn) waren als Küchenhilfen abkommandiert.