Wer im westlichen Landkreis Würzburg einen Hausarzt sucht, kennt das Problem: Die wenigen ortsnahen Praxen sind überlastet und müssen neue Patienten abweisen. Nicht selten müssen diese dann lange Wege und Wartezeiten in Kauf nehmen, um einen Arzt zu finden. Das medizinische Versorgungszentrum (MVZ), das am 2. Oktober am Ortsrand von Waldbrunn unter Trägerschaft des Landkreis-Kommunalunternehmens (KU) eröffnen wird, soll die hausärztliche Versorgung deutlich verbessern.
Noch ist davon nur ein schmuckloser Containerbau zu sehen. Aus Sicht der Verantwortlichen könnte daraus aber ein Modell dafür werden, wie der Hausärzte-Mangel auch in anderen ländlichen Gegenden Bayerns wirksam bekämpft werden kann.

Ende vergangenen Jahrzehnts schon hatte der damalige Bürgermeister Hans Fiederling den Stein ins Rollen gebracht. Ein Investor hatte sich damals bereit erklärt, ein Ärztehaus zu bauen und an eine Gemeinschaftspraxis oder ein privatwirtschaftliches MVZ zu verpachten, erzählt Fiederling. Der Plan scheiterte, weil keine Ärzte zu finden waren.
Ein Drittel der Hausärzte sind bereits über 60 Jahre alt
Seitdem hat sich der Hausärzte-Mangel in der Region weiter verschärft. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) geht in ihrer Bedarfsplanung davon aus, dass ein Hausarzt 1600 Einwohner versorgen kann. Im westlichen Landkreis kommen über 1800 Menschen auf eine Arztstelle. Der Versorgungsgrad liegt dort momentan bei 89 Prozent. Hinzu kommt, dass laut KVB mehr als ein Drittel der Ärzte über 60 Jahre alt sind.

Von den niedergelassenen Medizinern sei die Idee eines hausärztlichen Versorgungszentrums durchweg positiv aufgenommen worden, so Fiederling. "Den Ärzten tut es ja auch weh, wenn sie Patienten abweisen müssen", sagt er. Schließlich sei es gelungen, das Kommunalunternehmen des Landkreises als Träger des Hausärztezentrums zu gewinnen – ein in Bayern bislang einmaliger Fall, sagt Landrat Thomas Eberth. Unter Fiederlings Nachfolger, Bürgermeister Markus Haberstumpf, nahm das Pilotprojekt Gestalt an.

Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Praxis sind die Ärztinnen und Ärzte in einem MVZ angestellt, haben ein festes Gehalt und geregelte Arbeitszeiten. Außerdem werden sie von einem Großteil der Bürokratie entlastet, die niedergelassene Ärzte zunehmend beklagen. Die kaufmännische Leitung obliegt dem Kommunalunternehmen. "Mit der Main-Klinik Ochsenfurt ist das KU bereits ein wichtiger Pfeiler für die stationäre medizinische Versorgung im Landkreis Würzburg, mit dem MVZ gehen wir nun den Schritt in den ambulanten Bereich", sagt KU-Vorständin Eva von Vietinghoff-Scheel.
Landrat Eberth spricht von "Marktversagen in der ärztlichen Versorgung"
Die ärztlichen Verbände hätten dem Modell zugestimmt, betont Landrat Eberth. Lediglich das zuständige Staatsministerium habe Vorbehalte angemeldet, weil die ambulante hausärztliche Versorgung nicht in die Zuständigkeit der Landkreise falle. Eberth tritt den Bedenken entgegen: "Es ist nicht so, dass wir uns um neue Aufgaben reißen, aber wir haben es hier mit einem Marktversagen in der ärztlichen Versorgung zu tun, bei dem wir Verantwortung übernehmen müssen."

In dieser Verantwortung sieht sich auch die Gemeinde Waldbrunn, die sich verpflichtet hat, den provisorischen Containerbau zu finanzieren und einen Teil des wirtschaftlichen Risikos zu übernehmen, so Bürgermeister Haberstumpf. Dass es eines solchen Provisoriums überhaupt bedarf, wertet er als Zeichen des Erfolgs. Schneller als erwartet sei es nämlich gelungen, drei Hausärztinnen und vier medizinische Fachangestellte für das MVZ zu gewinnen. Das geplante Ärztehaus, das ein Investor auf dem benachbarten Grundstück bauen will, sei frühestens in zwei Jahren bezugsfertig. So lange bleibt das MVZ in der Containeranlage, die sich in ihrem Inneren kaum von einem festen Gebäude unterscheidet.
Martina Ebert-Kube ist eine der drei Hausärztinnen, die künftig im MVZ arbeiten werden. Ihre Entscheidung fiel nicht ganz freiwillig. Im vergangenen Jahr habe ihr Vermieter die Praxis in Heidingsfeld gekündigt, die sie von ihrem Vater übernommen und selbst 28 Jahre lang geführt hat. "Weil es mit Ende 50 keinen Sinn mehr hat, eine neue Praxis aufzubauen, habe ich meine Kassenzulassung zurückgegeben und arbeite künftig hier", sagt sie.
Trotzdem ist sie von dem Projekt überzeugt. "Das ist ein Modell mit Zukunft", sagt Martina Ebert-Kube. Ein Großteil der Bürokratie werde den Ärzten abgenommen. Gerade für jüngere Medizinerinnen und Mediziner sei das Modell attraktiv, weil es beispielsweise Teilzeitlösungen und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermögliche. Besonders schätze sie, dass mit dem KU kein gewinnorientierter Träger hinter dem MVZ stehe.
KVB-Vorsitzender Christian Pfeiffer begrüßt das MVZ in Waldbrunn
Landrat Thomas Eberth geht davon aus, dass das Waldbrunner Modell Schule machen wird. "Ich bin gespannt, wie viele Landratskollegen bei mir nachfragen werden", sagt er. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung teilt man diese Euphorie nur mit Abstrichen. Der KVB-Vorsitzende und Giebelstadter Hausarzt Christian Pfeiffer hält ein MVZ in Trägerschaft des Landkreises dort für sinnvoll, wo die Versorgung durch niedergelassene Praxen nicht sichergestellt werden kann. Bevor ein renditeorientierter Investor ein MVZ betreibe, sei ihm ein Landkreis lieber – "dem geht's um die gute Versorgung, nicht um den Gewinn." Aber: "Die ideale Form ist der selbstständige Arzt oder Ärztin", so Pfeiffer.