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Würzburg: Hexenverfolgung in Würzburg: 7 Orte, wo der Teufel auftauchte und Menschen grausam hingerichtet wurden

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Hexenverfolgung in Würzburg: 7 Orte, wo der Teufel auftauchte und Menschen grausam hingerichtet wurden

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    Historiker Robert Meier in Würzburg auf der Alten Mainbrücke, die in der Hexenforschung eine zentrale Rolle spielt. Im Hintergrund die Festung Marienberg. Dort war die letzte vermeintliche Hexe inhaftiert.
    Historiker Robert Meier in Würzburg auf der Alten Mainbrücke, die in der Hexenforschung eine zentrale Rolle spielt. Im Hintergrund die Festung Marienberg. Dort war die letzte vermeintliche Hexe inhaftiert. Foto: Christoph Weiss

    Es war die "die schlimmste Prozesswelle im Hochstift Würzburg", wie der Würzburger Archivar und Historiker Robert Meier sagt. "Sie startet im Mai 1627 und dauert bis in den Herbst 1629." Seit 1623 bis 1631 regierte Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg in Würzburg. Vor allem mit seinem Namen ist die Hexenverfolgung verbunden. Und mit dem seines Vorvorgängers Julius Echter, Fürstbischof von 1573 bis 1617. Insgesamt, sagt der Historiker, gab es im Hochstift zwischen 1600 und 1629 mindestens 750 Opfer. Andere gehen von weit mehr Menschen aus, die den Hexenwahn nicht überlebten.

    Seit vielen Jahren forscht Robert Meier über das Thema "Hexen". Für ihn "das Spannendste": 2014 spürte er im Wertheimer Staatsarchiv, das im Kloster Bronnbach (Main-Tauber-Kreis) beheimatet ist, bis dahin unbekannte Akten aus der Zeit Julius Echters auf.  Sie stammen aus dem Zentamt Remlingen (heute Landkreis Würzburg), viele Jahre lagerten die Dokumente unentdeckt in Archivkisten.

    Auf den Spuren der Hexenverfolgung im Hochstift Würzburg: Vor neun Jahren entdeckte Historiker Robert Meier im Archiv im Kloster Bronnbach bis dahin ungesichtete Dokumenten aus der Zeit Fürstbischof Julius Echters.  
    Auf den Spuren der Hexenverfolgung im Hochstift Würzburg: Vor neun Jahren entdeckte Historiker Robert Meier im Archiv im Kloster Bronnbach bis dahin ungesichtete Dokumenten aus der Zeit Fürstbischof Julius Echters.   Foto: Thomas Obermeier (Archivbild)

    Meier bringt anhand dieser Dokumente ein gängiges Bild ins Wanken: Echter war kein unerbittlicher "Hexenbrenner" wie Ehrenberg, ist sich der Historiker sicher. Das hätte die Auswertung der Akten ergeben, die Vorgänge im Dorf Neubrunn, das zu Remlingen gehörte, dokumentieren. Vielmehr habe er dort und generell von den Zentgrafen Indizien verlangt und sogar Hinrichtungen verhindert. "Meist wurden Männer und Frauen von ihren Nachbarn im Dorf denunziert. Sie forderten mit Nachdruck bei Echter eine Bestrafung ein", so Meier.

    Ein Auslöser für die Vorwürfe sei häufig das Wetter gewesen - und die "Kleine Eiszeit" zu Beginn des 17. Jahrhunderts. "Bei Wetterphänomenen, bei denen Wein und Korn erfroren sind, sollen 'zauberische Frauen' an den schlechten Ernten schuld gewesen sein", sagt Meier. Andere häufige Vorwürfe sind Gottesabsage, Teufelsbund, Hexentanz oder sexuelle und theologische Vergehen.

    Einblattdruck zu einer Hexenverbrennung in Derenburg in der Grafschaft Reinstein im Jahr 1555. Im Hochstift Würzburg gab es zwischen 1600 und 1629 etwa 750 Opfer des Hexenwahns.
    Einblattdruck zu einer Hexenverbrennung in Derenburg in der Grafschaft Reinstein im Jahr 1555. Im Hochstift Würzburg gab es zwischen 1600 und 1629 etwa 750 Opfer des Hexenwahns. Foto: Gemeinfrei

    Zu seinen Forschungen hat sich Robert Meier, Lehrbeauftragter an der Uni Würzburg und Dozent an der Archivschule Marburg, einen Rundgang durch die Stadt ausgedacht. Die fiktive Tour führt zu Schauplätzen und Orten in Würzburg, wo der Hexerei bezichtigte Menschen eingekerkert waren, Prozesse und Hinrichtungen stattfanden – und wo seiner Meinung nach ein guter Standpunkt für das in der Stadt geplante Hexendenkmal wäre.

    1. Der Rennweg: Wo der Teufel einem Geistlichen als Jungfrau erschienen sein soll

    Das Oeggtor am Rennweg in Würzburg . Heute führt der Rennweg an Residenz (links) und Rosenbachpalais vorbei, die zur Hochzeit der  Hexenverfolgung noch nicht errichtet waren.
    Das Oeggtor am Rennweg in Würzburg . Heute führt der Rennweg an Residenz (links) und Rosenbachpalais vorbei, die zur Hochzeit der  Hexenverfolgung noch nicht errichtet waren. Foto: Silvia Gralla

    Im Herbst 1628 sollen am Würzburger Rennweg seltsame Dinge geschehen sein. Der Kleriker Nikolaus Schwert berichtet unter Folter von großen Gelagen, bei denen die Hexen Unzucht treiben: Auf der Tafel liegen Speisen, die nach Schwefel schmecken. Der Teufel nähert sich in Gestalt einer Jungfrau und verspricht, dem Kleriker "allerlei wollust zu verschaffen". Im Würzburger Diözesanarchiv ist dieses erpresste "Geständnis" von Nikolaus Schwert aufbewahrt. 

    Nikodemus Hirsch, Stiftsherr von Neumünster, berichtet unter der Folter ebenfalls von Hexengelagen am Rennweg, beleuchtet von blauem Licht. Die vermeintlichen Hexen sollen anderen Aussagen zufolge nicht nur dort getanzt haben, sagt Robert Meier. Treffpunkte seien auch der Würzburger Markt, der Nikolausberg oder der damalige Sanderwasen gewesen.

    Die grausame Realität: Beiden Klerikern wird der Prozess gemacht. Schwert und Hirsch werden hingerichtet. Ihr Schicksal teilen sie mit rund 40 weiteren Geistlichen zwischen 1627 und 1629, sagt Historiker Robert Meier. Frauen, die bei den Klerikern arbeiteten, sollen diese denunzieren haben. Schwert habe zum Beispiel angegeben, seine Magd habe Geld von ihm verlangt.

    2. Stockhaus an der Alten Mainbrücke: Wo Volkacher Hexen Aufsehen erregten

    Blick von der Alten Mainbrücke Richtung Dom. Am Ende der Brücke geht es links hinab in die Karmelitenstraße, wo sich einst das Würzburger Stockhaus, das Gefängnis, befand. 
    Blick von der Alten Mainbrücke Richtung Dom. Am Ende der Brücke geht es links hinab in die Karmelitenstraße, wo sich einst das Würzburger Stockhaus, das Gefängnis, befand.  Foto: Silvia Gralla

    Wo die Karmelitenstraße auf die Alte Mainbrücke trifft, stand einst das Stockhaus. "Es war eines der Gefängnisse der Stadt und dasjenige, das in den Hexenprozessen am häufigsten genannt wird", so Meier. 1596 sind dort drei Frauen aus Volkach eingesperrt: Anna Binzing, die Müllerin Anna und ein Dienstmädchen, das die beiden Annas der Hexerei bezichtigt. So soll der Teufel durch den Schornstein der Müllerin geflogen sein und sie als feuerspeiender Drache besucht haben.

    Überliefert ist, dass die Volkacher Frauen Aufsehen erregten, als sie zum Stockhaus geführt werden. Ein Schuster, der sich dem Auflauf ansehen will, wird verprügelt. Die Stimmung ist am Kochen. Letztlich werden die vermeintlichen Hexen freigesprochen. Das Dienstmädchen wird des Landes verwiesen.

    Auch Frauen aus Iphofen, Hilders in der Rhön und Lauda kommen vor ihrem Prozess ins Würzburger Stockhaus. Eigentlich wären die örtlichen Zentgerichte mit der Aufklärung zuständig gewesen. Doch Fürstbischof Julius Echter holt die Verfahren nach Würzburg. Vielleicht ein Versuch, das dortige Gericht als zentrales Kriminalgericht im Hochstift durchzusetzen, vermutet Meier.

    3. Brückengericht im Mainviertel: Wo Würzburger Bürger als Schöffen urteilten

    Stadtplan Würzburgs von 1723: Links der Alten Mainbrücke stand das Stockhaus, auf der anderen Seite das Brückengericht. Rechts neben dem Dom (linker Bildrand)  ist der Querbau am Kürschnerhof zu sehen, in dem sich die Kanzlei befand. Aus: Accurate Vorstellung der Hoch-Fürstl[ichen] Bischöffl[ichen] Residenz- und Haupt-Stadt Würtzburg des Herzogthums Francken von Homann, Johann Baptist, 1723 Nürnberg, Buch, Kupferdruck, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00052059-8
    Stadtplan Würzburgs von 1723: Links der Alten Mainbrücke stand das Stockhaus, auf der anderen Seite das Brückengericht. Rechts neben dem Dom (linker Bildrand)  ist der Querbau am Kürschnerhof zu sehen, in dem sich die Kanzlei befand. Aus: Accurate Vorstellung der Hoch-Fürstl[ichen] Bischöffl[ichen] Residenz- und Haupt-Stadt Würtzburg des Herzogthums Francken von Homann, Johann Baptist, 1723 Nürnberg, Buch, Kupferdruck, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00052059-8 Foto: MDZ, Bayerische Staatsbibliothek

    Das Brückengericht blieb wie das Stockhaus nicht im Würzburger Stadtbild erhalten. Es lag auf der gegenüberliegenden Seite der Mainbrücke und war für alle Delikte in Würzburg zuständig. Würzburger Bürger seien vom Fürstbischof als Schöffen ernannt worden, darunter auch Stadträte, sagt Meier: "Die Hexenprozesse waren ein Phänomen der weltlichen Gerichtsbarkeit."

    In der Endphase der schweren Prozesswelle von 1626 bis 1629 scheint es nach Meiers Kenntnis in Würzburg auch ein besonderes Gericht für die Hexenprozesse gegeben zu haben. Dort hätten keine Bürger und Stadträte mehr, sondern ausschließlich fürstbischöfliche Hofräte geurteilt.

    4. Kanzlei am Kürschnerhof: Wo die Zentrale der Würzburger Hexenprozesse war

    Der Kürschnerhof 1891 mit dem Neumünster und dem Alten Landgericht. In die Domstraße führte ein Durchgang, den auch die Pferdebahn benutzte.
    Der Kürschnerhof 1891 mit dem Neumünster und dem Alten Landgericht. In die Domstraße führte ein Durchgang, den auch die Pferdebahn benutzte. Foto: Franz Albert

    Die Zentgerichte im Hofstift führten auf dem Land die Hexenprozesse durch, die Zentgrafen schrieben Berichte an die Kanzlei in Würzburg. Sie stand am Kürschnerhof, der damals die heutige Schönbornstraße von der Domstraße abriegelte. Davon hat sich nichts erhalten. Von der Kanzlei gab es im Namen des Fürstbischofs Anweisungen für die Zentgrafen, was zu tun sei.

    "Hier am Kürschnerhof lag also die Zentrale der Würzburger Hexenprozesse", beschreibt Hexenforscher Meier die Funktion. 1618 sei dort ein Gefängnis mit acht Räumen errichtet worden, "von denen zwei ausdrücklich für Hexen und Unholde vorgesehen waren". 

    Die ersten Opfer waren 1600 zwei Frauen aus Arnstein. 1603 folgten Hinrichtungen von drei Frauen aus der Zent Lauda. 1611 gab es sechs Hinrichtungen in der Zent Remlingen, darunter nun auch erstmals ein Mann. Im Jahr 1616 begann laut Meier "dann eine Prozesswelle, die bis 1618 andauerte und Opfer in neun der etwa 90 Würzburger Zenten forderte". Insgesamt gab es damals rund 300 Hinrichtungen in den Zenten des Hochstifts, die meisten in der Zent Gerolzhofen mit etwa 180.

    5. Sanderrasen: Wo Kleriker und vermeintliche Hexen hingerichtet wurden

    Der Sanderrasen während der Neugestaltung 1950. Heute Sportplatz, einst Hinrichtungsstätte für Männer und Frauen, die im Hochstift Würzburg der Hexerei bezichtigt und verurteilt wurden. 
    Der Sanderrasen während der Neugestaltung 1950. Heute Sportplatz, einst Hinrichtungsstätte für Männer und Frauen, die im Hochstift Würzburg der Hexerei bezichtigt und verurteilt wurden.  Foto: Walter Röder

    Als Ort für Hexenverbrennungen belegt ist der Sanderrasen, damals Sanderwasen genannt.  Dort war die Gefahr gebannt, dass die Funken benachbarte Gebäude ebenfalls in Brand setzten. "Auch in Klerikerprozessen wird der Sanderwasen als Hinrichtungsort erwähnt", so Meier. Die Hexen sollen dort einen Tanz während der Exekution veranstaltet haben. Als weiteren Ort nimmt Meier die Richtstätte am Galgenberg an der der Rottendorfer Straße an. Sie war 1618 ausgebaut worden.

    Die erste bekannte Frau, die in Würzburg wegen Zauberei hingerichtet und dann verbrannt wurde, hieß Elisabeth Mittelsdorf. Sie wohnte im Mainviertel. Ihren Kopf verlor sie im Juni 1618 "in der steuer", also in der Steuerstube, so Meier.

    6. Hexenturm: Wo für Historiker Robert Meier der geeignete Ort für ein Hexendenkmal wäre

    Der Hexenturm auf einem Foto, das um 1860 entstanden ist. Der Zwingergraben im Vordergrund ist heute verfüllt. Im Hintergrund ist die Festung Marienburg zu sehen. 
    Der Hexenturm auf einem Foto, das um 1860 entstanden ist. Der Zwingergraben im Vordergrund ist heute verfüllt. Im Hintergrund ist die Festung Marienburg zu sehen.  Foto: Gemeinfrei

    Der sogenannte Hexenturm am ehemaligen Zwinger in der Ottostraße war Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Seit dem 15. Jahrhundert ist er als Gefängnis und Folterstätte nachweisbar. Die Bezeichnung "Hexenturm" ist laut Meier erstmals 1733 belegt.

    Für den Historiker ist der Turm somit der "letztlich einzige authentische Ort in Würzburg aus der Zeit der Hexenprozesse, der wenigstens teilweise noch so aussieht wie damals". Er hält ihn deshalb für den geeigneten Platz für das geplante Hexendenkmal. Der Würzburger Stadtrat hat sich im September 2022 jedoch für einen anderen Standort entschieden: am Schottenanger.

    7. Hexenbruch: Wo im Hochstift die letzte "Hexe" verbrannt wurde

    Blick ins Refektorium des ehemaligen Klosters Unterzell vor dem Umbau in einer Aufnahme von 2018.  In diesem Kloster lebte 50 Jahre lang die Nonne Maria Renata Singer, bis sie der Hexerei bezichtigt wurde.
    Blick ins Refektorium des ehemaligen Klosters Unterzell vor dem Umbau in einer Aufnahme von 2018.  In diesem Kloster lebte 50 Jahre lang die Nonne Maria Renata Singer, bis sie der Hexerei bezichtigt wurde. Foto: Herbert Ehehalt

    Über ein Jahrhundert nach dem Ende der Hexenprozesse im Hofstift Würzburg gibt es einen brutalen Rückfall: Am Morgen des 21. Juni 1749 wird in einem Steinbruch oberhalb von Höchberg, damals auf Würzburger Gebiet gelegen, Maria Renata Singer von Mossau hingerichtet. Sie gilt als die letzte Frau, die in Würzburg öffentlich der Hexerei bezichtigt wird.

    50 Jahre lebt die Nonne bereits im Kloster Unterzell nördlich von Würzburg. Seit 1720 ist die Subpriorin, die stellvertretende Priorin des Klosters. Und nun erwartet die 69-Jährige nach geistlicher und weltlicher Untersuchung, nach Folter und Haft ihr Urteil wegen Zauberei – und ihre Hinrichtung. Zuerst wird ihr der Kopf auf der mittleren, gen Höchberg gelegenen Bastei der Festung Marienberg abgeschlagen. Danach wird ihre Leiche im nahe gelegenen Steinbruch, der seither Hexenbruch heißt, verbrannt. Ihr Kopf wird zur Abschreckung aufgespießt – mit dem Gesicht gen Unterzell.

    Tipps zum Nachlesen und Schauen: Über das Thema "Hexenverfolgung" schreibt Historiker Robert Meier auch in seinem Internet-Blog: www.hexen-in-wuerzburg.de. Im Museum im Kulturspeicher Würzburg ist noch bis 24. Januar die Ausstellung "Hexen! Über Körper, Wissen und Macht" zu sehen, Infos unter www.kulturspeicher.de. Im Katalog zur Ausstellung gibt es einen ausführlichen Beitrag von Robert Meier zu den Würzburger Schauplätzen und ihrem geschichtlichen Hintergrund.

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