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Würzburg: Hilfe für Angehörige von Narzissten: "Am Anfang wird man in den Himmel gehoben, dann Stück für Stück kleiner gemacht"

Würzburg

Hilfe für Angehörige von Narzissten: "Am Anfang wird man in den Himmel gehoben, dann Stück für Stück kleiner gemacht"

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    "Narzissten können einen glauben machen, dass man komplett defizitär ist": In der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Narzissmus in Würzburg sollen Betroffene Mut und Selbstvertrauen zurückerlangen.
    "Narzissten können einen glauben machen, dass man komplett defizitär ist": In der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Narzissmus in Würzburg sollen Betroffene Mut und Selbstvertrauen zurückerlangen. Foto: Ivana Biscan

    Wer einen Narzissten oder eine Narzisstin im näheren Umfeld hat oder gar mit ihm oder ihr zusammenlebt, leidet oft enorm. In der Würzburger Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit narzisstischer Persönlichkeit lernen Betroffene, die Mechanismen von Narzissten zu erkennen und zu verstehen, um selbst einen Neuanfang machen zu können. Geleitet wird die Gruppe von Jutta L. Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt die 65-jährige Sozialpädagogin, die ihren vollen Namen nicht nennen möchte, von ihren eigenen Erfahrungen mit Narzissmus, was die Mitglieder aus der Gruppe ziehen und was es braucht, um sich von Narzissten zu lösen.

    Frage: Frau L., seit wann gibt es Ihre Gruppe und an wen genau richtet sie sich?

    Jutta L.: Ich habe die Gruppe im Mai 2017 gegründet. Sie richtet sich an Männer und Frauen, die in einer Partnerschaft mit einer narzisstischen Persönlichkeit leben oder gelebt haben. Die Gruppe ist aber auch für Familienangehörige offen.

    Was kann die Gruppe für die Mitglieder leisten?

    L.: Es geht um Austausch, Verständnis und Trost. Wenn man es mit einem Narzissten zu tun hat, findet man in der Gesellschaft oft kein Verständnis. Viele wollen nicht hören oder verstehen, was man sagt, oder zweifeln es an. Das Erlebte wird bagatellisiert, kleingeredet oder ignoriert. In der Gruppe versteht jeder, was man sagt und erkennt es an. Das ist ein Hauptziel der Gruppe: dass die Mitglieder wissen, dass ihr Empfinden richtig ist.

    Warum zweifelt jemand sein eigenes Empfinden an?

    L.: Narzissten können einen glauben machen, dass man komplett defizitär ist; alle Schuld der Welt wird auf die andere Person projiziert. Wenn Betroffene in ihrem Umfeld dann auch noch kein Gehör finden, können sie daran zerbrechen.

    Woran merke ich, ob ich es mit einem Narzissten zu tun haben?

    L.: Zum Beispiel daran, dass ich im Kontakt mit der Person immer kleiner werde, mich immer schuldbewusster fühle und mein Selbstwert in den Keller rutscht. Dass ich wie auf Eierschalen laufe, weil ich nicht weiß, wann der nächste Wut- oder Gewaltausbruch kommt.

    Sie hatten selbst über viele Jahre einen narzisstischen Partner, der auch Vater Ihrer zwei Kinder ist. Wie kamen Sie auf die Diagnose Narzissmus?

    L.: Aufgrund der Lage zuhause bekam ich eine reaktive Depression. Als ich allein nicht mehr weiterwusste, habe ich meinen Hausarzt um Hilfe gefragt. Er hat mich zu einer Psychiaterin geschickt, die vermutet hat, dass mein Ex-Mann Narzisst ist. Nach Jahren voller Unverständnis in meinem Umfeld war es das erste Mal, dass jemand zu mir gesagt hat: "Sie sind normal. Ihr Partner ist nicht normal."

    Wie hat das mit Ihnen gemacht?

    L.: Das hat mich gerettet. Dieser eine Satz hat mich gerettet.

    Was hält Menschen zurück, sich von einem narzisstischen Partner zu trennen?

    L.: Oft ist es eine finanzielle Abhängigkeit, vor allem, wenn Kinder involviert sind. Oder das sogenannte "Trauma Bonding" – das lässt sich wie Zuckerbrot und Peitsche beschreiben. Eine narzisstische Beziehung verläuft typischerweise so: Am Anfang wird man in den Himmel gehoben, das nennt sich "Love Bombing". Dann wird man Stück für Stück kleiner gemacht, bis man ganz unten ist. Dieses Missbrauchsmuster, bei dem sich Belohnung und Bestrafung immer abwechseln, kann zu einer traumatischen Bindung führen.

    Warum vertrauen sich Betroffene oft niemandem an?

    L.: Oft steckt Scham dahinter, außerdem die Angst, nicht ernst genommen zu werden. Vieles geschieht im Verborgenen. Keiner merkt es, die Opfer leiden still und bekommen keine Hilfe. Das führt bei manchen bis hin zu Suizidgedanken.

    Gibt es in unserer Gesellschaft heute mehr Bewusstsein für das Thema Narzissmus als noch vor einigen Jahren?

    L.: Ich würde mir wünschen, dass es in der Öffentlichkeit noch bekannter wird; man trifft immer noch häufig auf Unverständnis. Fachleute wie Psychologen, Jugendamtsmitarbeiter, Rechtsanwälte, Therapeuten und die Mitarbeiter von Beratungsstellen sollten sich dieses Thema genau anschauen, um den Betroffenen helfen zu können. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie man Narzissten ein Wechselmodell zutrauen und ein Kind überlassen kann.

    Wie kann ich mich aus einer narzisstischen Beziehung lösen?

    L.: Man sollte vor allem bei sich bleiben und der eigenen Wahrnehmung trauen – auch wenn der Narzisst oder die Narzisstin sagt, dass man spinnt. Man sollte auch körperliche Anzeichen ernst nehmen, zum Beispiel, wenn einem die Stimme wegbleibt. Ich habe beim Kontakt mit narzisstischen Personen einmal Lähmungserscheinungen bekommen und konnte nicht mehr laufen. Manche bekommen vielleicht Allergien oder Herzrasen. Wer mit einem Narzissten zusammen ist, schaut meist nur, dass es dem anderen gut geht. Aber: Man muss es sich wert sein, dass es einem selbst gut geht. Dafür braucht man persönliche Grenzen und ein Maß an Eigenliebe.

    Kann an diesem Punkt Ihre Gruppe helfen?

    L.: Die Gruppe kann Erleichterung bringen, Mut und ein Stück Selbstvertrauen zurückgeben. Die intensive Arbeit muss man aber selbst machen, etwa in einer Therapie. Oft sind es Beziehungsmuster aus der Kindheit, die einen in eine Beziehung mit einem Narzissten bringen, in der man so geringgeschätzt wird. Ich zum Beispiel kenne aus meiner Kindheit das Muster "Ich werde nur geliebt, wenn ich anderen helfe". Ich habe damals nicht erfahren, dass ich sein darf, wer ich bin und dass ich dafür geliebt werde.

    Kann trotz aller Schwierigkeiten ein Neuanfang gelingen?

    L.: Jeder Mensch hat auch Resilienzen. Man kann es schaffen, sich aus einer Beziehung zu einem Narzissten loszueisen und sein Leben zu leben. Es ist ein langer Weg, aber es lohnt sich.

    Kontakt zur Selbsthilfegruppe über das Aktivbüro der Stadt Würzburg. E-Mail:
    aktivbuero@stadt.wuerzburg.de

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