Wer am Montagabend an der Katholischen Hochschulgemeinde in Würzburg vorbeikommt, kann die Klänge des Monteverdichor schon von Weitem hören. Von Aufregung oder gar Lampenfieber ist bei den rund 80 Sängerinnen und Sängern in der letzten Probe vor den Konzerten am 11. und 12. Februar nichts zu spüren. Gemeinsam mit Chorleiter Matthias Beckert gehen sie noch einmal alle Töne durch, damit am Wochenende nichts schiefgeht.
"Bei der letzten Probe ist es wichtig, dass das Gesamtverständnis für das Stück da ist, dass jeder weiß, in welche Rolle er schlüpft und welche Person und Situation er charakterisiert", erklärt Beckert, der den Chor seit rund 25 Jahren leitet. Deshalb wird kurz vor den großen Auftritten noch einmal an der Emotionalität und dem richtigen Ausdruck gefeilt, um das Publikum für Robert Schumanns "Szenen aus Goethes Faust" zu begeistern. Das Werk vereint Ausschnitte aus der bekannten Tragödie aus dem 18. Jahrhundert, die "farbig und gut verständlich" seien, so Beckert.
In der Probe kann sich keines der Chormitglieder verstecken
Bei der Auswahl der Stücke achtet der Dirigent darauf, dass es keine Wiederholung gibt. Immer wieder vertont der Chor auch klassische Werke. Das gefällt vor allem dem 19-jährigen Paul Korschinek, der bereits seit Kindertagen Klavier spielt und aufgrund seines Hobbys Fan klassischer Musik wurde. "Ich habe 'Szenen aus Goethes Faust' als Theateraufführung gesehen und fand das Stück musikalisch und musiktheoretisch interessant – vor allem wie Schumann die Themen mit vertont." Er ist gespannt zu hören, wie die düstere Stimme des Teufels Mephisto klingt, wenn beim Konzert dann das Orchester dazukommt.

Paul gehört als Mann zum Männerchor des Monteverdichor, der auch einen Frauenchor hat. Doch von der Aufteilung nach Geschlechtern ist bei der Probe nichts zu sehen. Soweit möglich, wechseln sich Männer und Frauen ab. Eine Sitzordnung, die vom Chorleiter bewusst gewählt wurde. "Keiner kann sich zurücknehmen oder in seiner Stimmgruppe mitschwimmen. Jeder muss seinen Ton richtig singen können, auch wenn die Sitznachbarn ihre eigenen Töne singen." Das sei die Schwierigkeit, sich dann nicht ablenken oder herausbringen zu lassen.
Die Mitglieder des Monteverdichor stammen aus musikalischen Elternhäusern
Während der Probe blicken alle konzentriert in ihre Notenblätter. Manche Chormitglieder gehen beim Singen aus sich heraus, sind laut und lassen sich auch körperlich auf die Musik ein, andere sind zurückhaltender und wirken nachdenklicher. Es sind verschiedene Charaktere, die aufeinandertreffen, trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb stimmt die Harmonie.

"Die Arbeit wird vorher gemacht, nicht in der letzten Probe", erklärt Matthias Beckert. Es handele sich um einen laufenden Prozess, der sich jedoch von kleineren Chören unterscheide. "Die normale Chorarbeit bedeutet, dass eine Stimme einzeln vorgesungen wird, dann übe ich das mit dieser Stimme, dann mit der nächsten." Anders im Monteverdichor: "Ich sage einfach, wir singen jetzt Nummer eins und dann singen wir gemeinsam los, da ist eigentlich schon viel da."
"Bei der letzten Probe ist es wichtig, dass das Gesamtverständnis für das Stück da ist, dass jeder weiß, in welche Rolle er schlüpft und welche Person und Situation er charakterisiert."
Matthias Beckert, Chorleiter und Dirigent des Monteverdichor Würzburg
Nicht überraschend, denn die Mehrheit kommt – so wie Minona Schäfer –, aus einem musikalischen Elternhaus und kann Noten lesen. Die 20-Jährige studiert Mathematik, spielt Geige und Klavier und singt seit der ersten Klasse. "Ich habe einen Chor gesucht, wo es Herausforderungen gibt und Literatur gesungen wird, die nicht so gewöhnlich ist." Sie wollte sich weiterentwickeln, das gelinge ihr im Monteverdichor. "Wir proben mit sehr viel Präzision, das habe ich so bei noch keinem anderen Chor mitbekommen", sagt sie.
Bei der Aufführung sind Emotionalität und Aussprache wichtig
Im Fokus stünden dabei immer Tonhöhe, Intonation, also die Harmonie der unterschiedlichen Stimmen untereinander, und die Aussprache. An letzterem hapert es in der Probe ab und an noch. "Wir sind wieder bei den Fischen", witzelt Matthias Beckert, als bei der Passage "Glücklich sind wir: Allen, Allen", das Wort "allen" wie "Aale" klingt. Und er erklärt: "Was in dieser Szene passiert, ist heimtückisch. Es geht nicht nur um die Beschreibung, sondern auch um Emotionen."

Es sind kurze Anweisungen wie diese oder lobende Worte, die den Gesang für kurze Zeit unterbrechen. Denn die Aufführung lebe am Ende von beidem – Emotionalität und Aussprache – nur so werde der Sinn eines Werkes transportiert und das Publikum erreicht, sagt der Dirigent. Ein Mitglied des Chores erklärt deshalb in jeder Probe Hintergründe zur Literatur, damit sich alle in ihre Figuren hineinversetzen können.
Nicht nur ein Chor, sondern auch eine Gemeinschaft
Das spiegelt sich im Klang des Chores wider. "Ich hab selten einen Chor erlebt, der so gut harmoniert", sagt Lara Streib. Sie ist eine von rund 15 Alumni und versucht neben der Arbeit an so vielen Projekten wie möglich teilzunehmen. Ein großer Zeitaufwand, den sie bereits während ihres Psychologiestudiums auf sich genommen hat, um andere Studierende kennenzulernen. "Es sind ganz viele Freundschaften durch den Monteverdichor entstanden, sogar Ehen. Ich habe durch den Chor meinen Mann kennengelernt und mit diesem mittlerweile Kinder, sozusagen Chorkinder. Der Chor verbindet."

Für andere ist der Chor ein Ausgleich zum Studium. Viele der Sängerinnen und Sänger sind in naturwissenschaftlichen Studiengängen eingeschrieben, studieren Medizin oder Mathematik. "Meine Wahrnehmung ist, dass sie sich ganz bewusst entscheiden, ein Hobby neben dem Studium auszuüben", sagt Matthias Beckert, "und ich glaube, die Studierenden möchten das auf hohem Niveau tun." Über einen Mangel an Interessenten kann er sich nicht beklagen, denn der Probesaal in der Katholischen Hochschulgemeinde ist voll ausgelastet.
Karten für die Konzerte am 11. und 12. Februar in der Neubaukirche können online, bei der Touristeninformation im Falkenhaus (Tel.: 0931-372398) sowie an der Abendkasse gekauft werden.