Diesen „fürchterlichen Samstag“ wird Heidenore G. (richtiger Name der Redaktion bekannt) aus Würzburg lange nicht vergessen: Mittags der Wasserschaden im Keller, nachmittags das stundenlange Warten auf die Rohrreinigungsfirma und am frühen Abend dann der Schock angesichts der präsentierten Rechnung. 841 Euro verlangen die zwei Mitarbeiter einer auswärtigen Rohrreinigungsfirma für rund eine Dreiviertelstunde Arbeit. In Bar sei der Betrag zu zahlen. Und zwar sofort, so die Firmenmitarbeiter. (Der Name der Firma ist der Redaktion bekannt, er darf aber aus rechtlichen Gründen in der Online-Version dieses Textes nicht genannt werden.)
Heidenore G., 81 Jahre alt, verwitwet, wenig erfahren im Umgang mit Handwerkern, zahlt. Im Nachhinein bereut sie das; im Nachhinein wird ihr klar, dass sie viel zu viel Geld bezahlt hat für die simple Behebung einer Verstopfung des Wasserrohrs von der Küchenspüle im Erdgeschoss zum drunterliegenden Keller.
Obermeistern ist Firma bekannt
„Ein Betrag zwischen 120 und 300 Euro wäre angemessen, selbst wenn Wochenend-Arbeit notwendig ist und damit ein Zuschlag fällig wird“, erklärt Michael Bissert, Obermeister der Kitzinger Heizungs- und Sanitärinnung, dessen Firma selbst Rohrreinigungen durchführt. Diese Einschätzung teilt Franz Fuchs, Obermeister der Würzburger Heizungs- und Sanitärinnung.
Beiden Obermeistern ist der auswärtige Kanaldienst bekannt. Bissert und Fuchs berichten von mindestens fünf Kunden aus der Region, der eben diese auswärtige Firma für die Behebung simpler Rohrverstopfungen ebenfalls Bar-Rechnungen bis zu 1300 Euro präsentierte.
Heidenore G. aus Würzburg könnte also kein Einzelfall sein. „Tatsächlich ist uns die Firma bereits aus unserer Beratungspraxis bekannt“, erklärt Esther Jontofsohn-Birnbaum, Fachberaterin Verbraucherfragen bei der Verbraucherzentrale Bayern. Unbestätigten Angaben zufolge solle die Firma „horrende Rechnungen“ zwischen 800 und 1300 Euro ihren Kunden präsentiert haben – in bar zu zahlen. „Ein Verbraucher berichtete uns, dass er von den Monteuren zum Bankautomaten geleitet wurde, da er über so viel Bargeld nicht im Haus verfügte“, so Jontofsohn-Birnbaum.
„Die überteuerten Rechnungen entstehen unserer Erfahrung nach durch unzulässige Doppelberechnungen und der Berechnung von Spezialgeräten, die möglicherweise nicht notwendig sind oder nicht eingesetzt werden“, heißt es aus der Verbraucherzentrale Bayern weiter. Beliebt sei das Vorgehen, die Rohrreinigung nach laufenden Metern, gleichzeitig aber auch noch die geleistete Arbeitszeit zu berechnen.
Genau diese Vorgehensweise haben die Monteure der auswärtigen Firma bei Heidenore G. Würzburg angewandt. Auf ihrer Rechnung sind einerseits die Kosten für die Monteurleistungen aufgeführt, zusätzlich aber auch die Kosten für die „elektromechanische Rohrreinigung“ von 15 Meter Rohr sowie eine Pauschale von 250 Euro für eine „Grundreinigung nach Beseitigung der Verstopfung“. Insbesondere der letzte Posten empört den Würzburger Obermeister Franz Fuchs. Eine „Grundreinigung“ zusätzlich zur Rohrreinigung sei innerhalb der Arbeitszeit von rund einer Dreiviertelstunde überhaupt nicht machbar, erklärt er.
Firma schien ortsansässig zu sein
Warum Heidenore G. überhaupt eine auswärtige Rohrreinigungsfirma beauftragt hat, wenn sie doch den Schaden in ihrem Würzburger Haus beheben wollte? „Weil ich doch annahm, dass es sich um eine ortsansässige Firma handele“, sagt alte Dame. Tatsächlich muss der Verbraucher angesichts der Werbung mit Ortsvorwahl, die die auswärtige Firma im Internet laufen lässt, annehmen, er wende sich an eine ortsansässige Firma.
Wie stehen nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Bayern die Chancen, dass die Würzburgerin einen Teil des Geldes zurückbekommt?„Wir gehen davon aus, dass sich unseriöse Firmen nur durch einen langwierigen Rechtsstreit dazu bewegen lassen, Geld an den Verbraucher zurückzuerstatten“, so Jontofsohn-Birnbaum.
Das auswärtige Unternehmen hat auf die mehrfachen Bitten der Redaktion, zum geschilderten Würzburger Fall Stellung zu nehmen, nicht geantwortet.