Mit gestresstem Blick greift der Rechtsanwalt an einem Vormittag im April zum Handy und verlässt den Saal. Er vertritt an diesem Tag die Gemeinde Höchberg. Im Prozess am Würzburger Verwaltungsgericht hat sich eine Unklarheit ergeben, die nur sein Auftraggeber klären kann. Die Uhr an der Wand tickt. Dann betritt der Rechtsanwalt erneut den Saal und nickt erleichtert: Die Gemeinde hat ihm das "Go" gegeben, der Prozess geht weiter.
Am anderen Ende der Telefonleitung sitzt an diesem Vormittag Gerd Waltinger, geschäftsleitender Beamter der Gemeinde Höchberg. Die Mission des höchsten Verwaltungsbeamten der Gemeinde: Die Ausweisdokumente eines Höchbergers einziehen zu lassen. Auf diesen trägt er den Ehrendoktortitel einer Universität. Zu Unrecht, findet Waltinger. Monate später wird er lachend über das Verfahren – ausgerechnet gegen einen Anti-Korruptions-Experten – sagen: "Da kann man sich schonmal festbeißen."
Mit seinen Grübchen, dem fröhlichen Grinsen und den Funktionsschuhen, die man eher bei einer Wanderung im Steinbachtal als im Höchberger Rathaus verorten würde, wirkt Waltinger eigentlich nicht wie jemand, für den gerichtliche Last-Minute-Telefonate zum Alltag gehören. Bei einem Gespräch erzählt der 62-Jährige, der nun im September nach 22 Dienstjahren als Geschäftsleiter in den Ruhestand geht, wieso ihn die Sache mit dem Ehrendoktor so gefuchst hat.
Ruhestand nach 22 Jahren für Höchberger Geschäftsleiter
400 Sitzungen des Gemeinderats hat der gebürtige Höchberger miterlebt. Seine Ausbildung begann er im Jahr 1979 im Würzburger Versorgungsamt. 1985 wechselte er zurück in seine Heimatgemeinde, wo er Standesbeamter und schließlich geschäftsleitender Beamter wurde.
"Ich mag Gesetze", sagt Waltinger, zu dessen Lieblingslektüre nach eigener Aussage die Bayerische Gemeindeordnung gehört: "Sie regelt die Keimzelle der Demokratie." Denn der wichtigste Anker für die Demokratie, ist Waltinger überzeugt, seien die Kommunen.

Nur wenn der Müll regelmäßig abgeholt werde, Regeln vor Ort transparent konsequent durchgesetzt würden und im Rathaus noch jemand mit "gesundem Pragmatismus" die Entscheidungen treffe, bleibe der demokratische Gedanke greifbar, sagt der Verwaltungsbeamte.
Auf diese Erfolge ist der Höchberger Verwaltungsbeamte stolz
Die Gemeinde Höchberg zahle ihren Vereinen verhältnismäßig hohe Zuschüsse, sagt Waltinger. Darauf sei er als Geschäftsleiter stolz. Und auch auf die Neutralität des Gemeindeblatts, das er persönlich betreue und das sich in Höchberg großer Beliebtheit erfreue: "Bei der Neutralität lasse ich nicht mit mir reden. Da war ich ein Wächter!"
Auch nicht mit sich reden lässt Waltinger, wenn gegen aus seiner Sicht vernünftige Regeln verstoßen wird. Der Titel des Höchberger Anti-Korruptions-Experten sei nicht haltbar, sagt der Beamte. Seine Recherche habe ergeben, dass die angebliche Universität eine Briefkastenfirma sei, die solche Titel gegen Geld vergebe. Und dies verstoße eben gegen Gesetze, die er vor Ort vertrete und den Menschen somit nachvollziehbar mache. Und tatsächlich: Das Verwaltungsgericht gibt Waltinger recht, seinen Titel ist der Experte inzwischen los. Das Urteil ist rechtskräftig.
Doch wie blickt der erfahrene Verwaltungsbeamte abseits von Recht und Ordnung auf die Zukunft seiner Gemeinde? Der Fachkräftemangel sei zunehmend spürbar, sagt er. Kommunen würden um die besten Köpfe konkurrieren. Höchberg seit dennoch aktuell gut aufgestellt. Das liege an vorausschauender Planung und der konstruktiven Stimmung im Rathaus und im Gemeinderat.
Was Waltinger jetzt vorhat und wer sein Nachfolger werden soll
Vorausschauend geplant hat Gerd Waltinger auch sein nächstes Kapitel, in dem er auf den Spuren seines Vorbilds wandeln will: Vor knapp einem Jahr ist Würzburgs wohl bekanntester Pfarrer, Werner Schindelin, gestorben. Er hatte den Verein für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung am Heuchelhof mitbegründet. Zu dem gehört neben einer Schule unter anderem auch die Stiftung Wohnstätten für Menschen mit Behinderung.

Gerd Waltingers Tochter besucht die Schule des Vereins. Er selbst sitzt seit vergangenem Jahr im Stiftungsvorstand für die Wohnstätten. "Ich bin dankbar für die Geborgenheit und die Möglichkeit zum individuellen Lernen, die meine Tochter in der Schule bekommt", sagt der Diplomverwaltungswirt. In seinem "Ruhestand" wolle er jetzt sein Wissen einbringen, um die Stiftung weiter voranzubringen: "Wir sind gerade auf der Suche nach dem nächsten Objekt, da hilft mir meine Erfahrung."
Die wichtigsten Eigenschaften eines guten Verwaltungsbeamten seien Pragmatismus und Empathie, sagt Waltinger. Seinem Nachfolger, Mark Laudenbacher, wünsche er viel Erfolg und alles Gute. Laudenbacher indes hat in den vergangenen Jahren für die Stadt Würzburg das Kiliani-Volksfest verantwortet. Pragmatismus und Empathie im Sinne der Höchberger hat er da sicherlich gelernt.