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REGION OCHSENFURT: Im Gau sind viele Bräuche zu den Raunächten noch lebendig

REGION OCHSENFURT

Im Gau sind viele Bräuche zu den Raunächten noch lebendig

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    Wetter-Orakel: Ria Götz aus Bolzhausen stellt jedes Jahr in der Heiligen Nacht zwölf mit etwas Salz gefüllte Zwiebelschalen auf. Das Wetter in den zwölf Monaten des kommenden Jahrs lässt sich daraus ableiten, sagt der Brauch.
    Wetter-Orakel: Ria Götz aus Bolzhausen stellt jedes Jahr in der Heiligen Nacht zwölf mit etwas Salz gefüllte Zwiebelschalen auf. Das Wetter in den zwölf Monaten des kommenden Jahrs lässt sich daraus ableiten, sagt der Brauch. Foto: Foto: Gerhard Meissner

    Unsere Vorfahren begegneten dieser wilden Jagd mit verschiedenen Ritualen. Oder sie suchten nach Vorzeichen auf das nahende Jahr. Gerade im Ochsenfurter Gau ist von diesem Brauchtum einiges noch heute lebendig.

    „Bei dieser wilden Jagd kommen die germanischen Götter auf die Erde, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist“, erklärt Gesine Kleinwächter aus Würzburg den alten Glauben. Zu ihnen gehörte auch Frau Berchta, eine gute Fee oder Göttin, die man je nach Region auch Percht, Frau Hulda oder Frau Holle nennt. „Sie stellt die Heimchen, die ungetauften Kinderseelen, unter ihren mütterlichen Schutz, denn die Kirche sagt ja, dass nur getaufte Seelen in den Himmel kommen“, weiß die Kunsthistorikerin und Märchenerzählerin.

    „Die zwölf Raunächte, die eigentlich 13 Nächte sind, waren auch die so genannten toten Tage, eine Zeit, die bei der Umstellung vom keltischen Mondkalender auf den christlichen Kalender übrig blieb und mit der man nichts anzufangen wusste“, sagt die Museumspädagogin. Also füllte man sie mit allerlei Bräuchen und Ritualen, die teilweise heute noch lebendig sind. „Man durfte keine Haare schneiden, keine Wäsche waschen, nicht spinnen, nicht klöppeln und in der Dunkelheit nicht rausgehen“, berichtet sie.

    Stattdessen wollte man die nichtmenschlichen Wesen gnädig stimmen und stellte Speisen und Getränke hinaus ins Freie, meist in die Nähe eines Holunderbusches. Wer dies nicht tat, bei dem würde die Ernte schlecht ausfallen, glaubte man. „Die stillen Tage wurden aber auch genutzt, um mit den Ahnen, den Geist- und Naturwesen in Kontakt zu treten. Dafür hielten die Menschen von der Last des Alltags inne“, erläutert Andrea Ortegel von der Rhöner Heilpflanzenschule in Poppenhausen.

    Respekt für Naturwesen

    Zwei Bräuche sind für sie heute noch wichtig. „In jeder dieser Raunächte, die für uns bereits am 21. Dezember beginnen, stellen wir ein Schälchen Essen und sehr viele Lichter raus, um den Naturwesen unseren Respekt zu zeigen“, erzählt ihre Kollegin Gertrud Beusch. Zudem wird zur Reinigung das gesamte Haus mit Beifuß und Salbei ausgeräuchert, berichtet die gebürtige Würzburgerin, die bis Juni 2011 in Kirchheim lebte.

    Geräuchert wird auch bei Manuela Großmann aus Oberickelsheim. Für sie und ihre Familie beginnt die magische Zeit bereits am 21. Dezember, dem Tag der Wintersonnenwende. „Da zünden wir ein Feuer an und räuchern vor allem mit Lichtkräutern wie Johanniskraut, Wacholder, Schafgarbe und Holunderblüten um das Licht des Sommers in die Dunkelheit zu bringen“, sagt die Kräuterführerin. Aber nicht nur Licht bringen die Kräuter, ganz nebenbei stärken sie auch noch das Immunsystem – in der kalten Jahreszeit besonders wichtig.

    Damit im kommenden Jahr niemand in der Familie stirbt, muss bis zum heiligen Abend die Wäsche von der Leine sein, weiß auch Christa Thorwarth, die 15 Jahre Ortsbäuerin in Fuchsstadt war. „Das war in Fuchsstadt weit verbreitet und ich halte mich heute noch dran“, erzählt sie. Schließlich hat es ja auch was Gutes – sie muss zwei Wochen keine Wäsche waschen.

    Obwohl sie heidnischen Ursprungs sind, wurden viele Bräuche später förmlich christianisiert. Bei Rita Götz aus Bolzhausen sind einige davon noch lebendig. „In der Christnacht um 24 Uhr gehe ich durch Haus und Stall und besprenge alles mit Weihwasser und sage dazu: Gott segne dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus“, berichtet sie. Mit trockenen Kräutern, die zu Mariä Himmelfahrt im Sommer gesegnet wurden, hatten ihre Großeltern noch den Stall ausgeräuchert um so Krankheiten vom Vieh fernzuhalten.

    Ihr Zwiebel-Orakel pflege Ria Götz noch heute. Eine Zwiebel wird gehäutet, geviertelt und in ihre Schalen zerteilt. Zwölf dieser Zwiebelschalen-Viertel werden am heiligen Abend mit je einem halben Teelöffel Salz gefüllt – jede Schale steht für einen Monat des neuen Jahres. Hat sich am nächsten Morgen Wasser in den Schalen gebildet, heißt das: Dieser Monat wird verregnet. Und wer genau acht gibt, erfährt sogar, ob sich der Regen am Anfang oder am Ende des Monats einstellt. Und das trifft zu? „Ja, meistens jedenfalls“, sagt die frühere Ortsbäuerin.

    Besonders auf das Wetter an den Raunächten (auch Lostage genannt) achtet Maria Gabel aus Stalldorf. „So wie an diesen Tagen das Wetter ist, so ist es im kommenden Jahr; jede Nacht steht für einen Monat“, erklärt sie. Aber in letzter Zeit stimme das alles nicht mehr so ganz. „Die ganze Welt ist doch verdreht“, meint die 82-Jährige, die ebenfalls 20 Jahre Ortsbäuerin ihrer Gemeinde war.

    Das Alte loslassen

    Gar nichts am Hut mit den Raunächten hat Maria Weiser vom Verein Kräutervielfalt Franken. „Meine Mutter hat daran geglaubt, dass Träume, die in den Raunächten geträumt werden, im neuen Jahr wahr werden, das hat mir schon als Kind Angst gemacht“, sagt sie. Und Brauchtum hin oder her, für Kräuterbäuerin Manuela Großmann bedeutet diese Zeit vor allem eines: Das Alte loslassen, um wieder frei zu sein für Neues. Nur wer die von der Natur vorgegebenen Lebensrhythmen einhält, kann auf Dauer etwas leisten, glaubt sie.

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