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Würzburg: Immer mehr Hass im Netz: Warum Würzburgs Oberstaatsanwalt Hubert Stühler den Hetzern die Handys abnehmen lässt

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Immer mehr Hass im Netz: Warum Würzburgs Oberstaatsanwalt Hubert Stühler den Hetzern die Handys abnehmen lässt

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    Oberstaatsanwalt Hubert Stühler ist Hate-Speech- und Antisemitismus-Beauftragter der Staatsanwaltschaft Würzburg.
    Oberstaatsanwalt Hubert Stühler ist Hate-Speech- und Antisemitismus-Beauftragter der Staatsanwaltschaft Würzburg. Foto: Thomas Obermeier

    Eine Mitarbeiterin trägt einen Stapel Akten in Hubert Stühlers Büro. "Die Arbeit geht nicht aus", sagt der Oberstaatsanwalt trocken. Gerade hat der Sonderdezernent für die Bekämpfung von Hate-Speech die Statistik der Staatsanwaltschaft Würzburg erläutert: 74 Verfahren, die als Hasskriminalität einzustufen sind, haben Stühler und seine Kolleginnen und Kollegen im Jahr 2023 angestrengt.

    Bayernweit ermittelte die Justiz in über 3100 Fällen. Dass die Zahlen zuletzt stiegen, ist für Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) ein Zeichen dafür, dass der Kampf gegen strafbaren Hass und Hetze im Internet konsequent geführt werde. Unter den 76 Beschuldigten, die die Staatsanwaltschaft Würzburg ins Visier nahm, waren laut Stühler 60 Erwachsene, fünf Jugendliche und zwei Verdächtige zwischen 18 und 21 Jahren.

    Hate-Speech ist in vielen Fällen antisemitisch motiviert

    Als "Brandbeschleuniger" erweist sich der Israel-Gaza-Krieg. Laut Hubert Stühler ist fast ein Drittel aller mutmaßlichen Hate-Speech-Taten im Raum Würzburg antisemitisch motiviert. Dazu kommen Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und die sexuelle Orientierung von Menschen. Frauenfeindliche Hetze, für die die Statistik bayernweit einen starken Anstieg verzeichnet, war bei der Staatsanwaltschaft in Würzburg 2023 kein Thema.

    Stühler, der stellvertretender Leiter der Würzburger Staatsanwaltschaft ist, zeigt eine "typische Akte": Eine 26-jährige Studentin hat auf der Plattform X einen Post verbreitet, in dem bezweifelt wird, dass der Hamas-Überfall vom 7. Oktober ein terroristischer Akt war. Der Vorwurf der Justiz lautet: "Billigung einer Straftat". 

    Aufmerksame Zivilgesellschaft: Viele Anzeigen von Recherche- und Meldestellen

    Anzeige erstattet habe in diesem Fall "eine Privatperson aus dem pro-israelischen Lager", sagt Stühler. Oft seien es aber zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Meldestelle "REspect", getragen von der Jugendstiftung Baden-Württemberg, die Hetze im Netz aufspüren und, je nach Wohnort des Absenders, den zuständigen Staatsanwaltschaften zuleiten. "Die Verantwortlichen bei ,REspect' oder auch bei 'RIAS Bayern', der Recherche- und Meldestelle Antisemitismus, machen eine sehr gute Arbeit", sagt der Oberstaatsanwalt. 

    Dazu recherchieren laut Stühler Beamte in den Landeskriminalämtern und beim Bundeskriminalamt auf einschlägigen Internet-Seiten - und spüren Straftaten wie Volksverhetzung, Bedrohung oder Werbung für terroristische Vereinigungen im Netz auf. Als Hate-Speech werden strafbare Postings bezeichnet, wenn es über die bilaterale Kommunikation hinausgeht. "Das kann auch schon bei Beiträgen in einer WhatsApp-Gruppe der Fall sein", sagt Stühler.   

    Staatsanwaltschaft lässt "Tatwerkzeuge" wie Handys und Laptops beschlagnahmen

    In Fällen wie dem der Studentin bewertet der Staatsanwalt dann, ob ein Anfangsverdacht vorliegt - und wie die Kriminalpolizei bei der konkreten Ermittlungsarbeit unterstützt werden kann. Sobald mutmaßliche Urheberin oder mutmaßlicher Urheber eines beanstandeten Hass-Postings - oder auch deren Verbreiter - bekannt sind, beantrage er in den meisten Fällen beim Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss, sagt Stühler. Damit könne die Polizei mutmaßliche "Tatmittel" wie Computer, Laptops oder Handys zeitnah beschlagnahmen. Auch die Würzburger Studentin bekam "Besuch" von der Polizei. 

    Die Auswertung der Daten auf den Geräten durch IT-Forensiker dauert dann meist mehrere Monate. "Die Kapazitäten bei der Polizei sind hier leider begrenzt", sagt Stühler. Er und die 21 weiteren Hate-Speech-Sonderdezernenten in Bayern wünschten sich zusätzliches Fachpersonal für die Polizei, um Straftaten im Netz möglichst zeitnah zur Anklage zu bringen.

    Smartphones sind ein häufiges "Tatwerkzeug" in Fällen von Hass und Hetze im Netz (Symbolbild).
    Smartphones sind ein häufiges "Tatwerkzeug" in Fällen von Hass und Hetze im Netz (Symbolbild). Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Kommt ein Fall vor Gericht, plädiert der Oberstaatsanwalt als Vertreter der Anklage in aller Regel dafür, dass der Autor oder die Autorin der Hass-Botschaft das Tatwerkzeug, häufig ein hochwertiges Smartphone, für immer abgeben muss. "Das trifft viele Menschen härter noch als eine Geldstrafe", sagt der 54-Jährige aus Erfahrung.

    In Würzburg gab es im vergangenen Jahr 18 Verurteilungen wegen Hate-Speech. 17 Mal verhängte das Gericht eine Geldstrafe, einmal eine Freiheitsstrafe auf Bewährung. Und meist kassierten die Richterinnen und Richter die Tat-Handys gleich mit ein.

    Oberstaatsanwalt Stühler: "Kein Pardon bei Antisemitismus"

    "Davon versprechen wir uns einen präventiven Effekt", sagt Hubert Stühler. Selbst in keinem Online-Netzwerk vertreten, verteidigt den strengen Kurs, den sich die bayerische Justiz gegen Hate-Speech auferlegt hat. "Gerade bei Antisemitismus darf es kein Pardon geben: Wehret den Anfängen."   

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