"Ich habe noch nie schon im Mai Kirschen geerntet", sagt Günter Hassold und begutachtet die Früchte an einem seiner Bäume. Die haben schon eine deutliche rote Färbung und sind damit einige Wochen früher dran als sonst. Eine Folge des Klimawandels, sagt Hassold. Und eine von vielen Veränderungen, denen sich die Branche stellen müsse.
Der 53-Jährige ist einer der zwei verbliebenen Obstbauern in Sommerhausen, die im Vollerwerb Kirschen, Zwetschgen, Äpfel und Co. anbauen. Dabei habe Obstbau in der Gemeinde eine lange Tradition, betont Hassold. Schon etwa 600 Jahre reiche die zurück in die Vergangenheit. Und bis vor wenigen Jahrzehnten sei es gut gelaufen, sagt er.
Steinobst-Ernte stark zurückgegangen
In den 1950er Jahren taten sich die Obstbauern in Sommerhausen in einer Absatzgenossenschaft zusammen, um ihr Steinobst – also Zwetschgen, Kirschen und Mirabellen – gemeinsam zu vermarkten. Doch es hat sich viel verändert seitdem.
"Zu den Glanzzeiten in den 80er und 90er Jahren kamen da 1000 Tonnen Sauerkirschen, 1500 Tonnen Zwetschgen, 500 Tonnen Süßkirschen zusammen", sagt Hassold, der vor vier Jahren den Vorsitz der Genossenschaft übernommen hat. "Heute sind es, wenn es gut läuft, noch 400 Tonnen insgesamt."

Von einst 180 aktiven Mitgliedern sei die Zahl der zugehörigen Obstbauern auf etwa 40 gesunken. Längst stehe die Frage im Raum, wie viel Zukunft die Genossenschaft, die heuer seit 70 Jahren besteht, noch hat, sagt Hassold. "Wenn kein Obst da ist, ist auch kein Umsatz da."
Der Rückgang im heimischen Obstanbau ist keine lokale Entwicklung. Deutschlandweit schließen immer mehr Betriebe. Das zeigen Zahlen, die die Bundesregierung im Herbst 2023 auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hin veröffentlichte: Waren es 2012 noch 11.200 Betriebe im Marktobstanbau, lag die Zahl 2022 bei nur noch 9700. Das ist ein Rückgang um etwa 13 Prozent.
Hohe Auflagen und steigende Kosten im Obstbau
Die Gründe dafür sieht Günter Hassold in einer ganzen Reihe von Herausforderungen, mit denen die Branche zu kämpfen habe. Der Sommerhäuser nennt hier etwa einen immer höheren bürokratischen Aufwand und umfangreiche Vorgaben. Vom Düngen über das Spritzen bis hin zur Bodenqualität, müsse alles dokumentiert werden, sagt Hassold. Hinzukämen regelmäßige Schulungen für Obstbauern, die mit Kosten und Aufwand verbunden seien. Gerade für Bauern im Nebenerwerb sei das oft nicht machbar. "Da lässt es dann der ein oder andere lieber."
"Mein Sohn ist 18 und wollte einsteigen. Aber wir haben ihn gebremst."
Günter Hassold, Obstbauer aus Sommerhausen
Ein weiteres Problem sieht er im Bereich Pflanzenschutz. "Wir haben immer weniger Pflanzenschutzmittel zur Verfügung und die, die wir nutzen dürfen, wirken zum Teil nicht richtig", kritisiert Hassold. An der Entwicklung neuer Mittel hätten Hersteller allerdings wenig Interesse, da der Obstbau nur eine kleine Sparte in der Landwirtschaft sei und so auch nur ein kleiner Absatzmarkt. Hassold betreibt auf 28 Hektar sogenannten integrierten Anbau, der als Mittelweg zwischen der ökologischen und konventioneller Landwirtschaft gilt.

Insgesamt werde die Bewirtschaftung immer teurer, sagt Hassold. Das Problem: Der Preis, den Obstbauern für Äpfel, Kirschen oder Zwetschgen bekommen, steige nicht in dem Maß wie die Herstellungskosten.
Aufhören ist für Günter Hassold keine Option
"Mein Sohn ist 18 und wollte einsteigen", sagt Hassold. "Aber wir haben ihn gebremst. Er soll erstmal was anderes lernen." Gleichzeitig betont der Sommerhäuser, aufhören sei für ihn keine Option. "Ich will noch 20 Jahre weitermachen, wenn es die Gesundheit zulässt", sagt er und läuft durch eine Reihe junger Mirabellenbäume. Die werden erst in einigen Jahren ihre volle Größe erreichen und können bei maschineller Ernte bis zu 25 Jahre stehen, erklärt Hassold.
Mit den Aussichten für dieses Jahr ist er zufrieden. An seinen Bäumen habe der Frost nicht allzu großen Schaden angerichtet. Bleiben nun etwa extreme Gewitter oder Hagel aus, rechne er mit einer Durchschnittsernte, sagt der Sommerhäuser.
Der Obstanbau und die Vermarktung heimischer Lebensmittel seien für ihn mehr als nur ein Job, sagt Hassold. Als gelernter Maschinenschlosser ist der Sommerhäuser vor 30 Jahren im Quereinstieg in die Branche gewechselt. "Das hat mich einfach schon immer interessiert." Und bis heute habe er Spaß an der Arbeit in der Natur.
Direktvermarktung ist immer noch eine Nische
Stolz erzählt er von Schnapsbrennern, die mit dem aus seinen Birnen gebrannten Hochprozentigen Medaillen abgeräumt hätten, und von neuen Produkten im Hofladen, den er gemeinsam mit seiner Frau betreibt.
Zwar sei ein Großteil seiner Ware für die Verarbeitung bestimmt und gehe etwa an Konservenfabriken. Trotzdem sei ihm gerade die Direktvermarktung ein besonderes Anliegen, sagt Hassold. Erst vor zwei Jahren hat er gemeinsam mit drei anderen Direktvermarktern den Automatenladen im Zollhäusle gegründet, wo Kundinnen und Kunden 24 Stunden am Tag lokale Lebensmittel kaufen können. Ein Konzept, das gut angenommen werde.

Auch seine Äpfel vermarktet komplett Hassold selbst – fährt, "so wie früher der Eiermann", im Gau von Ort zu Ort und beliefert zusätzlich Dorfläden. "Direktvermarktung funktioniert im kleinen Stil schon, aber nicht für die Masse", schildert Hassold seine Erfahrungen.
Dafür fehle oft die Wertschätzung für regionale Produkte, sagt er. "Wir brauchen einfach mehr Unterstützung." Dann sehe er auch für den heimischen Obstbau eine positive Zukunft.
