Alles steht still am Montag in Würzburg. Die Gewerkschaften Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben zum bundesweiten Großstreik aufgerufen. In Würzburg sind diesem Aufruf vor allem die Straßenbahnfahrerinnen und Straßenbahnfahrer gefolgt. Einer von ihnen ist Michael Brand aus Geroldshausen (Lkr. Würzburg).
Den 52-Jährigen sieht man regelmäßig in den Fahrerkabinen der Würzburger Straßenbahnen. Nur an diesem Montag nicht, da wird er seine Arbeit niederlegen. Denn er wünscht sich mehr Lohn - so wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen. Der frühere Metzger, der seit vier Jahren für die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) arbeitet, erzählt im Interview, was er ganz persönlich über die aktuelle Situation denkt.

Frage: Herr Brand, am Montag stehen in Würzburg die Strabas still, weil Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen sich mit dem Angebot von 5 Prozent mehr Lohn nicht zufriedengeben wollen, sondern 10,5 Prozent fordern. Das klingt schon sehr hoch, oder?
Michael Brand: Es geht immer ein bisschen unter, dass es uns primär gar nicht um die 10,5 Prozent mehr Lohn geht, sondern eigentlich um das Festgeld von 500 Euro. Gerade in den unteren Lohngruppen wäre das deutlich besser als die prozentuale Lohnerhöhung. Die Festzahlung macht sich auch bei niedrigem Lohn auf dem Konto bemerkbar. Wenn es dann am Ende 450 oder 400 Euro werden, dann wäre das natürlich auch okay. Bei der Forderung kommen auch die Arbeitgeber besser weg, weil sie den höheren Lohngruppen weniger zahlen müssen. Für die sind dann die 500 Euro deutlich weniger, als wenn es 10,5 Prozent geben würde. Man muss in Deutschland schon sehen, dass das Geld nicht mit der großen Gießkanne verteilt wird, sondern auch die unteren Lohngruppen gestärkt werden.
Ein Argument der Gewerkschaft für die Lohnforderungen ist die Inflation. Merken Sie die im Gelbeutel?
Brand: Ja, natürlich. Das fängt schon beim Tanken an. Ich wohne auf dem Land und brauche mein Auto, um zur Arbeit zu kommen. Ich gehe auch gern mal in die Gastronomie und da merke ich auch, dass die Preise gestiegen sind. Ich muss aber auch sagen, dass ich Single bin und keine Kinder habe. Da habe ich es klar einfacher, trotzdem merke ich, wenn es auf das Monatsende zugeht, dass nicht mehr so viel Geld übrig ist wie vor der Inflation. Vor ein paar Jahren war das nicht so gravierend.
Nun arbeiten Sie im öffentlichen Dienst. So schlecht verdient man da doch eigentlich nicht, oder?
Brand: Klar, viele, die aus kleinen Familienunternehmen kommen, verdienen deutlich weniger als wir Straßenbahnfahrer. Ich will auch nicht auf die Tränendrüse drücken, denn für meine Verhältnisse verdiene ich gut. Im Bereich des öffentlichen Dienstes sind wir aber im Niedriglohnbereich unterwegs und da spüren wir die Inflation natürlich auch. Alle Kolleginnen und Kollegen, die Familien mit Kindern haben oder in den letzten Jahren gebaut haben, die haben durch die Inflation natürlich zu knabbern. Andere Berufe dann natürlich erst recht.

Sie sagen, sie verdienen gut und sprechen dennoch von niedrigen Lohngruppen. Wer sind denn dann die höheren Lohngruppen bei den Straßenbahnfahrern?
Brand: Das ist wie in jedem anderen Betrieb auch. Wir als normale Straßenbahnfahrer sind da ganz unten angesiedelt. Wir haben auch Führungspositionen für die Bereiche Werkstatt, Verwaltung und Technik oder Ingenieure, die die Baustellen planen. Da sprechen wir natürlich von ganz anderen Gehaltsklassen.
Aber wenn Sie selbst sagen, dass es Ihnen noch besser geht als ihren Kolleginnen und Kollegen, warum streiken Sie dann am Montag?
Brand: Ich gehe als Teil des Protestes auf die Straße. Je mehr wir sind, desto deutlicher wird unser Protest. Es soll ja ein Gemeinschaftsstreik sein und da sitzen wir alle im selben Boot. Deshalb streikt man dann auch für alle Kolleginnen und Kollegen mit. Wir verstehen uns in der Kollegenschaft auch alle sehr gut miteinander.
Es gibt auch immer wieder einige kritische Stimmen, die den Streik im öffentlichen Dienst nicht nachvollziehen können, eben aufgrund der relativ guten Arbeitsbedingungen. Verstehen sie das?
Brand: Ich verstehe das vollkommen. Ich war vor vier Jahren selbst noch als Metzger tätig. Da gibt es genau wie bei den Bäckern, Handwerkern und anderen mittelständischen Betrieben viele Leute, die arbeiten hart, sind dann gewerkschaftlich nicht so gut organisiert oder stark aufgestellt. Das ist sehr schade. Die müssten natürlich auch mehr Lohn bekommen und auch streiken können. Klar, wäre es schön, wenn alle unteren Lohngruppen einen Inflationsausgleich bekommen – auch in der freien Wirtschaft.

Und genau diese müssen dann am Montag von ihrem ohnehin knappen Gehalt noch ein Taxi zahlen, weil der öffentliche Dienst die Arbeit niederlegt...
Brand: Dass da der Unmut groß ist, verstehe ich. Gerade die Frauen, die nur halbtags an der Kasse sitzen, weil sie die Kinder betreuen, sind da besonders betroffen. Wenn die uns dann streiken sehen und nicht auf die Arbeit kommen, ist das natürlich bitter und äußerst unschön. Ich kann da nur sorry sagen und um Verständnis bitten. Aber wir wollen die Möglichkeit zum Streik nutzen. Normalerweise haben wir zwischen den Streiks auch längere Pausen – letztes Mal 14 Tage. Klar, diesmal ist der letzte Streik nur ein paar Tage her, aber wir müssen es für den Arbeitgeber unbequem machen.