Die Innenstadt Würzburgs verändert sich gerade. Im Gespräch mit der Redaktion sagt Würzburgs Baureferent Benjamin Schneider, wie die Innenstadt attraktiver werden soll, welche Zukunft der Einzelhandel hat und wie er die langfristigen Chancen von Galeria Kaufhof in Würzburg einschätzt.
Frage: Eine Krise des Einzelhandels sieht man in Würzburg vor allem am Leerstand in der Kaiserstraße. Trotz des millionenteuren Umbaus stehen hier aktuell neun Geschäfte leer. Was sagen Sie zur Kritik an der "sterilen und baumlosen" Kaiserstraße, die vor Ihrer Zeit als Baureferent geplant wurde?
Benjamin Schneider: Ich glaube zum einen, dass die Erwartungen an den Umbau so hoch waren, dass sie kaum erfüllt werden konnten. Zum anderen wurde bei früheren Planungen die Notwendigkeit von Begrünung im städtischen Raum noch etwas anders gewertet als heute. Inzwischen scheut man, wenn irgendwie möglich, den Mehraufwand, der damit verbunden ist, nicht so kategorisch, um Platz im Untergrund für Bäume zu schaffen.

In der Kaiserstraße stehen nicht nur Geschäfte, sondern ganze Häuser leer. Mitten in der Innenstadt werden Wohnungen und Praxisräume nicht vermietet. Kann die Stadt da nichts machen?
Schneider: Direkt auf diese Hauseigentümer einzuwirken, ist schwierig. Wir können aber für ein attraktives Umfeld sorgen, der das Wohnen dort attraktiver macht. Aktuell versuchen wir zum Beispiel in der Umgebung der Kaiserstraße einen Supermarkt anzusiedeln. Ich möchte zudem demnächst Hauseigentümer und Geschäftsleute der Kaiserstraße sowie Immobilienmakler an einen Tisch bringen, um zu besprechen, woran es ihrer Meinung nach fehlt und was insbesondere die Stadt beitragen kann, die derzeitige Abwärtsentwicklung in der Kaiserstraße aufzuhalten.
Dass der Einzelhandel zurückgeht, sieht man auch daran, dass immer mehr leer stehende Geschäftsräume von Gastronomie genutzt werden. Eine gute Entwicklung?
Schneider: Das kommt darauf an, wen man fragt. Ich persönlich freue mich über einen lebendigen stationären Einzelhandel und halte ihn für die Lebensqualität in einer Stadt wie Würzburg für wichtig. Aber für jüngere Menschen, die bequemer und schneller online einkaufen, sind Geschäfte in der Innenstadt offenbar entbehrlicher. Dennoch sollte man den Einzelhandel unbedingt unterstützen. Auch weil eine Monostruktur gefährlich werden kann – wenn zum Beispiel die Gastronomie irgendwann nicht mehr so gut funktionieren sollte. Die Zukunft der Innenstadt muss wieder vielfältiger werden.
Wie soll sich diese Vielfalt entwickeln?
Schneider: Zum Beispiel gibt es wieder mehr Unternehmen, die uns ansprechen und sich gezielt in der Innenstadt ansiedeln wollen, weil sie ihren Mitarbeitern ein urbanes Umfeld bieten wollen, dass es in Gewerbegebieten vor den Toren der Stadt so nicht gibt. Eine gute Erreichbarkeit mit ÖPNV und Fahrrad ist heute manchmal wichtiger als die mit dem Auto. Aber auch durch mehr Wohnungen, bestehende Kultur-, Bildungs- und zusätzliche Freizeitangebote wird der Nutzungsmix in der Innenstadt größer werden müssen.
Dazu müssten sich aber Kultur- oder Bildungseinrichtungen auch die Mieten in der Innenstadt leisten können. Glauben Sie, dass diese sinken, wenn der Einzelhandel weniger wird?
Schneider: So richtig glaube ich daran nicht. Aber vielleicht werden sie stagnieren. Ich denke, dass Gastronomie und Handel die beiden wichtigen Säulen bleiben werden, die wir in der Innenstadt weiterhin brauchen. Allerdings wird das aus meiner Sicht vor allem eher der beratungsintensive, hochwertige Einzelhandel sein, den der Onlinehandel nicht bieten kann.
Das hieße, Juweliere und Boutiquen bleiben, Galeria Kaufhof verschwindet ...
Schneider: Wir sind natürlich sehr froh, dass unser Standort aktuell nicht von der Schließung betroffen ist.

Aber langfristig ist das wohl zu befürchten, oder?
Schneider: Ja. Die Befürchtungen sind da, weil das Geschäftsmodell der Kaufhäuser seit Jahren in Frage gestellt wird und die Betreiber noch eine Antwort finden müssen, wie sie sich zukunftsorientiert aufstellen können.
Wenn Warenhäuser leer stehen, leiden auch die Geschäfte im Umfeld. Um das zu verhindern, haben einzelne Kommunen aufgegebene Kaufhäuser gekauft und zu Wohnungen, Büros und kleinteiligen Laden- und Gastronomieeinheiten umgebaut. Eine gute Idee?
Schneider: Das ist schon ein enormer Kraftakt für eine Kommune. Ich würde eher dem Mechanismus des Marktes zutrauen, dass da etwas Neues entsteht. Als Stadt können wir das beeinflussen, indem wir Ideen für Bedarf und Angebote beisteuern und bei der Planung helfen. Das Problem solcher Kaufhäuser ist ihre enorme Gebäudetiefe und damit eine Menge nicht belichteter Flächen. Diese umzubauen, ist ein Millionenaufwand, gleichzeitig wird durch Mieter wie Start-Ups oder Kunstgalerien, wie einige Nachnutzungskonzepte zeigen, weniger erlöst als vorher. Daher sollten in so einem Fall gute Projektentwickler mit der Kommune Hand in Hand arbeiten.

Haben Sie angesichts solcher Veränderungen Angst um die Innenstadt?
Schneider: Nein. Solche Umwandlungen sind zwar im Einzelfall schmerzhaft, aber sie bieten auch eine Chance. Die Innenstadt hat sich in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder neu erfunden. Zuletzt war es eine Entflechtung: Handel und Gastronomie drinnen und Wohnen und produktive Unternehmen und viele Dienstleister vor den Toren der Stadt. Heute kommt das wieder mehr zusammen, weil Monostrukturen nicht mehr zukunftsfähig sind. Dadurch können Innenstädte lebendiger und vielfältiger werden.
Bürger wünschen sich in der Innenstadt mehr Grün und Plätze, wo man sich aufhalten kann, ohne etwas zu konsumieren. Kommt das in Würzburg?
Schneider: Die in manchen Teilen autogerechte Würzburger Innenstadt verändert sich. Der Stadtrat hat beschlossen, Oberflächenparkplätze zu Spiel- und konsumfreien Verweilangeboten oder andere Nutzungen umzubauen.

Wann geht es los?
Schneider: Wir fangen heuer am Grafeneckart an. Wo heute die Taxen stehen, wird eine Aufenthaltsfläche mit Bäumen, Bänken und einem Trinkwasserbrunnen geschaffen, der allen zur Verfügung steht. Mit einem erheblichen technischen und finanziellen Aufwand verändern wir damit den Vorplatz des Rathauses und den Eingang in die Karmelitenstraße. Deren Umgestaltung ist dann der nächste Schritt.
Und dann wird der Paradeplatz autofrei?
Schneider: Das neue Hotel mit zwei Gastronomiebetrieben wendet sich mit seiner Fassade dem Platz mehr zu. Dadurch steigt auch die Notwendigkeit, perspektivisch etwas zu verändern. Allerdings kommt wohl erst zusammen mit dem Bau der Linie 6 die Neugestaltung von Barbarossa- und Kardinal-Faulhaber-Platz. Als weitere städtische Begleitmaßnahmen der Strabalinie folgen Josef-Stangl-Platz an der Balthasar-Neumann-Promenade und Geschwister-Scholl-Platz an der Neuen Universität. Wie diese vier Plätze umgestaltet werden, zeigen wir Anfang Mai bei der Vorstellung des Siegerentwurfs des Ideen- und Realisierungswettbewerbs. Wenn diese, wie gewünscht, in etwa fünf Jahren fertig sind, ist ein Meilenstein zur Aufenthaltsverbesserung in der Innenstadt erreicht.
Gleichzeitig werden Parkplätze wegfallen und die Linie 6 wird den Autoverkehr einschränken – was vor allem dem Einzelhandel nicht gefallen wird. Was sagen Sie den Geschäftsleuten?
Schneider: Natürlich ist die Erreichbarkeit mit dem Auto wichtig. Aber für die Attraktivität der Innenstadt ist noch mehr wichtig: zentrale Abstellmöglichkeiten für Pkw, am besten verknüpft mit einer Straßenbahnlinie, um eine gute Erreichbarkeit zu gewährleisten. Darüber hinaus konsumfreie, öffentliche Verweilräume, an denen man sich gerne und gut aufhalten möchte. Nachweislich sorgen auch solche Plätze für eine Attraktivitätssteigerung und Belebung der Innenstadt, die dann allen, auch dem Einzelhandel, zugute kommt.