Der englische Popmusiker Chris Norman, 73, Ex-Frontmann von Smokie, war Dauer-Titelstar der "Bravo" und hat mit Songs wie "Midnight Lady", "Stumblin' In" oder "Living Next Door to Alice" in den 70er und 80er Jahren Generationen von Teenagern die Ohrwürmer geliefert. Ein Gespräch darüber, wie fundamental sich das Musikbusiness seither verändert hat, und warum eine oft wiederholte Geschichte über seine markante Stimme frei erfunden ist. Am Samstag, 2. November, spielt Chris Norman mit Band in der tectake-Arena in Würzburg.
Ich habe meiner Frau gerade gesagt, dass ich mit Ihnen sprechen werde, und sie hat gesagt: Na super, jetzt habe ich für den Rest des Tages "Midnight Lady" im Kopf. Ist Ihnen bewusst, dass Sie Ohrwürmer produziert haben, die sehr viele Menschen schon fast ihr ganzes Leben begleiten?
Chris Norman: Ja, das höre ich ziemlich oft. Menschen, die zum Beispiel erzählen, den und den Song haben sie auf ihrer Hochzeit gespielt. Mir ging es ja mit den Songs der Stones, der Beatles oder der Kinks auch so. Ich habe die schreckliche Angewohnheit, dass ich, wenn ich etwa bei einer TV-Show jemand Berühmtes treffe, beim Weggehen dessen Songs vor mich hinpfeife. Die Leute müssen mich für völlig bescheuert halten.
"Wenn du dich das erste Mal auf dem Titel siehst, ist das schon sehr aufregend."
Chris Norman, ehemaliger "Bravo"-Titelstar
Wie fühlt sich das an, wenn man so tief verankert ist bei den Leuten, die in den 70er und 80er Jahren jung waren?
Norman: Das ist großartig. Weil es das ist, was du dir ja erträumt hast, als du angefangen hast. Und ich hatte mit 15 meine erste Band. Es war das Ziel, einen Hit zu landen, bekannt zu werden. Mit der Zeit gewöhnt man sich natürlich dran. Aber es freut mich immer noch sehr.
In Deutschland gibt es die Jugendzeitschrift "Bravo"...
Norman: ... gibt's die immer noch?

Ja, tatsächlich. Sie waren damals mit Smokie immer wieder auf dem Cover. Es gab auch einen Starschnitt, das heißt, man musste viele Einzelteile sammeln und konnte sich dann ein Riesenposter zusammenkleben. Haben Sie das mal gesehen?
Norman: Ja, ich erinnere mich gut. Das war in jedem Land das Gleiche. Überall gab es diese Magazine. Wir wurden ja als Teenybopper wahrgenommen, obwohl wir uns selbst nicht so sahen. Wir machten ständig Fotosessions und gaben Interviews, das war ein großer Teil unseres Lebens damals. Um ehrlich zu sein: Wenn du dich das erste Mal auf dem Titel siehst, ist das schon sehr aufregend.
"Wenn man die Stimme jeden Abend jahrelang so überanstrengt, bricht sie irgendwann."
Chris Norman, seit 55 Jahren Popmusiker
Es heißt, Sie hätten Ihre berühmte Reibeisenstimme erst dank einer schlimmen Kehlkopfentzündung bekommen. Stimmt das?
Norman: Nein, das stimmt nicht. Das wird immer wieder geschrieben, aber das ist frei erfunden. Meine Stimme hat ihr Timbre bekommen, weil wir anfangs in Pubs und Clubs gespielt haben, und ich sehr laut Songs zum Beispiel von Little Richard gesungen habe, die zu hoch für mich waren. Wenn man die Stimme jeden Abend jahrelang so überanstrengt, bricht sie irgendwann. Als ich ein Kind war, hatte ich einen glockenreinen Sopran und war Solist im Schulchor
Sie haben unglaublich viele bekannte Songs geschrieben - wollen Ihre Fans immer nur die gleichen hören?
Norman: Klar, in dem Moment, wo ich auf die Bühne komme, schreien sie schon, welche Songs sie hören wollen. Und ich spiele sie dann auch - aber erst, nachdem ich die neueren Sachen gespielt habe. In Russland ist etwas Kurioses passiert: Da wollten die Leute immer "What Can I Do" hören, einen eher unbekannten Song von einem Smokie-Album, den noch nicht mal ich gesungen hatte. Man hat uns dann erklärt, dass der Titel auf Russisch klingt wie "Ich will Wodka". Also spielen wir bis heute den Song immer, wenn wir in Russland oder im Baltikum spielen. Aber nur dort.
Sie haben die fundamentale Veränderung des Popbusiness selbst miterlebt - früher waren Hit-Singles wichtig, heute wird gestreamt. Und manche Karrieren sind Milliarden wert. Hätten Sie sich das am Anfang vorstellen können?
Norman: Nein. Niemand ahnte, dass es mal sowas wie das Internet geben würde. Früher schrieb man Songs, brachte Singles heraus und ging auf Tour, um die Alben zu promoten. Aber der Markt ist weg. Heute macht man Alben, um die Tour zu bewerben, denn damit wird heute das Geld verdient. Fürs Streaming gibt es ja so gut wie kein Geld. Ich habe keine Ahnung, wie junge Bands heute durchstarten, das muss viel schwieriger sein als früher. Offensichtlich brauchen sie erstmal unglaublich viele Follower auf Youtube oder Facebook. Und dann Millionen und Abermillionen von Streams. Ich glaube nicht, dass ich darauf Lust hätte, wenn ich heute 20 wäre.
Chris Norman & Band: "Junction 55"-Tour. Special Guest: Münchner Freiheit. Sa., 2. November, 20 Uhr, tectake-Arena, Würzburg. Tickets bei den bekannten Online-Portalen und Vorverkaufsstellen.