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WÜRZBURG: Intime Einblicke in bedrohte Kultur

WÜRZBURG

Intime Einblicke in bedrohte Kultur

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    Beim Volk der Hamer wird der Eintritt junger Männer ins Mannesalter auch musikalisch gefeiert.
    Beim Volk der Hamer wird der Eintritt junger Männer ins Mannesalter auch musikalisch gefeiert. Foto: FOTO Hans Silvester

    Überall in der Würzburger Innenstadt blickt derzeit ein großes bemaltes afrikanisches Gesicht von den Plakatständern – es ist eines der imposanten Motive des 71-jährigen Fotografen, dessen Bilder in Würzburg erstmals in einer Ausstellung gezeigt werden. Allein das ist ob ihrer Einmaligkeit schon erstaunlich. Wer die Ausstellung verpasst hat bzw. tiefer in ihr Thema eintauchen möchte, dem bietet sich in zwei umfangreichen und farbenprächtigen Bildbänden, die im Münchner Knesebeck-Verlag erschienen sind, die Möglichkeit dazu. Denn eines machen die beiden Bände ganz schnell klar: Was im Spitäle zu sehen ist, ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was Hans Silvester in seinen Bildern dokumentiert hat.

    Im einleitenden Text beschreibt er, wie er auf die Idee kam, ausgerechnet die Nomadenvölker im des Flusses Omo am Rande Äthiopiens, Kenias und des Sudan zu besuchen. „Schuld“ war Lucy, jenes etwa 3,5 Millionen Jahre alte weibliche Skelett, das 1974 bei Ausgrabungen im Süden Äthiopiens entdeckt wurde. Als er von diesem Fund hörte, wurde in Hans Silvester die Lust geweckt, diese Wiege der Menschheit kennenzulernen und zu verstehen, warum ausgerechnet dort alles angefangen hat, schreibt er in der Einleitung zum Buch. Und so machte er sich auf den Weg dorthin.

    Was er im Omo-Tal, einer mehr oder minder unzugänglichen Gegend, vorfand, waren Nomaden oder Halbnomaden, die 15 verschiedenen ethnischen Gruppen angehören. Sie teilen sich eine Fläche, die doppelt so groß ist wie Belgien. Die größte dieser Ethnien umfasst etwa 70 000, die kleinste knapp 1000 Personen.

    Hans Silvester: „Diese Nomadenvölker hätten bisher kaum Kontakt zur modernen Zivilisation gehabt, wäre da nicht der schreckliche Bürgerkrieg im nahen Sudan: Der Waffenhandel in der Region brachte es mit sich, dass viele von ihnen zwar Bekanntschaft mit der Kalaschnikow gemacht haben, einem Weißen jedoch noch nie begegnet sind...“

    Was der Fotograf hier mit Worten beschriebt, hat er auch in seinen Bildern festgehalten. Nahezu nackte oder nur mit einem Leopardenfell bekleidete Nomaden, in deren Händen man eher Speer oder Pfeil und Bogen vermuten würde, tragen auf Silvesters Fotografien stolz das russische Gewehr. Silvester ist es aber auch gelungen, die Jäger und Krieger des Omo-Tals mit ihren traditionellen Jagdwaffen zu fotografieren, auch wenn es „nur“ bei traditionellen Ritualen ist. Diese Bilder sind möglicherweise die letzten Zeugnisse einer Kultur, die mehr und mehr vom Aussterben bedroht ist – wegen des in der Nachbarschaft tobenden Krieges, aber auch weil der Tourismus mit all seinen negativen Begleiterscheinungen in die entlegensten Winkel der Welt vordringt.

    Silvester hat die Menschen des Omo-Tals aber auch mit seiner Kamera so porträtiert, dass der Stolz jedes einzelnen deutlich zum Ausdruck kommt. Junge Frauen oder alte Männer, Hirten und Jäger – in jeder einzelnen Fotografie wird ein Individuum ins Bild gerückt.

    Daneben bestechen Hans Silvesters Aufnahmen aber auch durch den Blick aufs Detail. Besonders die Körperbemalungen der Omo-Völker, die oft Werken zeitgenössischer westlicher Künstler gleichen, werden in den beiden Büchern ausführlich und detailliert dokumentiert. Diesem Thema ist der zweite der beiden Bände gewidmet, der beim Durchblättern auch als Kunstbuch mit Malereien durchgehen könnte.

    Die beiden Bände mit fast 400 Farbabbildungen sind die perfekte Ergänzung bzw. Erweiterung der im Spitäle zu sehenden Ausstellung. Sie bieten einen Einblick in eine Welt, die den meisten wohl für immer verschlossen bleiben wird und die wahrscheinlich in wenigen Jahren ohnehin nur noch in diesen Bildern existieren wird. Auch wenn die Anschaffung der beiden Bände nicht ganz billig ist, sie lohnt sich für jeden, der sich für Afrika und sein Kultur interessiert.

    Hans Silvester, Im Tal des Omo, Knesebeck Verlag München, 2006, zwei Bände im Schuber, 304 und 160 Seiten, 395 farbige Abbildungen, Preis 130 Euro, ISBN-10: 3-89660-404-X, ISBN-13: 978-3-89660-404-0

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