Es sind verstörende Erzählungen und Bilder, die in #Männerwelten zu sehen sind. In dem 15-minütigen TV-Beitrag, den das TV-Moderatorenduo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf am vergangenen Mittwochabend auf Pro7 ausgestrahlt hatte, geht es um Sexismus und sexuelle Belästigung. Autorin Sophie Passmann führt darin durch eine Ausstellung, in der Penisbilder, anzügliche Nachrichten und Kleidungsstücke von Vergewaltigungsopfern zu sehen sind.
Die erschütternden Eindrücke davon, was Frauen über sich ergehen lassen müssen, haben in den sozialen Medien eingeschlagen. Das Video wurde auf YouTube bereits über 3,5 Millionen mal angesehen, auf Instagram hat es über 19 Millionen Klicks.
Auch Anna Christina Schwartz, Model aus Höchberg (Lkr. Würzburg), hat sich auf ihrem Instagramkanal an ihre über 230 000 Follower gewandt und das Video dort weiter verbreitet. Sie stand bereits für Marken, wie Dior, Kenzo, Maybelline, Adidas, BMW oder Mercedes vor der Kamera. Warum sie das Thema so wichtig findet und welche Erfahrungen sie mit Sexismus und sexueller Belästigung gemacht hat, erzählt sie im Interview.
Frage: Wie ging es Ihnen, als Sie den Beitrag zum ersten Mal gesehen haben?
Anna Christina Schwartz: Das Video ist natürlich total schockierend, jedoch ist diese Art Sexismus nichts Unbekanntes für mich. Ich war sehr verärgert und zum Ende sehr emotional, als das Thema Vergewaltigung angesprochen wurde.
Waren Sie überrascht, dass das Video auf so großes Interesse gestoßen ist?
Schwartz: Nicht wirklich. Zahlreiche Frauen haben schon jegliche Arten von sexueller Belästigung erlebt. Das Ausmaß der Schamlosigkeit vieler Männer hat dann aber wohl doch viele überrascht, was letztendlich zu einer viralen Verbreitung des Beitrages geführt hat. Zu Recht!
Sie machen öffentlich, welche Nachrichten Sie von Männern bekommen. Auch wenn Sie nur etwas auf eBay verkaufen wollen, erhalten Sie anzügliche Anfragen. Welche Erfahrungen mit sexueller Belästigung haben Sie bereits gemacht?
Schwartz: Unglücklicherweise sehr weitgreifende Erfahrungen. Ich habe notgedrungen gelernt, damit umzugehen und bin dadurch abgehärtet worden. Aber die Verhaltensweisen, die dieser Beitrag zeigt, kann ich aus eigener Erfahrung absolut bestätigen. Oftmals bekomme ich über meine Social Media Accounts unangebrachte, respektlose Nachrichten. Wie die Frauen in dem Video, bekomme auch ich öfters Penisbilder von fremden Männern zugeschickt.
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Solche Belästigungen sind gerade in der Modebranche ein Problem. Wie läuft dies ab?
Schwartz: Auch im Modelbusiness hatte ich schon einige schlechte Erfahrungen mit Fotografen, die sich unprofessionell verhalten haben. Leider stützt sich gerade diese Branche auf Strukturen, die solche Verhaltensweisen kaum verhindern. Um so bekannter Fotografen, mit denen man zusammenarbeitet, sind, desto eher wird oft ein sexuell aufdringliches Verhalten geduldet. Als ich zum Beispiel das erste Mal zum Arbeiten in Paris war, hatte ich ein von meiner damaligen Agentur organisiertes Shooting mit einem Star-Fotografen, der mich während des Shootings aus heiterem Himmel versucht hat zu küssen. Als ich nicht darauf eingegangen bin, hat er mir schamlos suggeriert, dass er meiner Karriere helfen würde, wenn ich mich auf ein 'Stell-dich-ein' mit ihm einlassen würde.
Wie reagieren Sie auf solche Belästigungen?
Schwartz: Ich habe mich in solchen Situationen auch schon als junges Mädchen gewehrt, aber mich nicht getraut, es öffentlich zu machen. Vor allem vor den MeToo-Enthüllungen hätte ich auch von Agenturen und der Öffentlichkeit wenig Gehör geschenkt bekommen. Das war natürlich sehr frustrierend, da zu der Zeit die Agenturen mir sogar solche 'Affären' empfohlen haben, um an die großen Jobs zu gelangen. Man darf nicht vergessen, dass man als Model nicht nur wegen seines Aussehens und seiner Fähigkeiten gebucht wird. Das Hochschlafen wurde groß in der MeToo-Bewegung thematisiert.

Hatten Sie überhaupt die Möglichkeit sich zu wehren?
Schwartz: Gott sei Dank kam es nie soweit, dass ich mich nicht wehren konnte. Jedoch gab es die ein oder andere Situation, in der ich die Person wegschubsen und den Raum schnellstmöglichst verlassen musste.
Hat sich Ihre Reaktion auf solche anzüglichen Chats oder Übergriffe mit der Zeit verändert?
Schwartz: Nachrichten habe ich meistens ignoriert. Man gibt es auf und legt sich eine dicke Haut zu. Bei besonders schlimmen Fällen stelle ich die Person bloß und veröffentliche die Nachricht, um den Verantwortlichen zu entlarven. Bei persönlichen Übergriffen hätte ich mittlerweile den Mut, Anzeige zu erstatten und nicht mehr nur zu flüchten.
Wird das Problem Ihrer Meinung nach ernst genommen?
Schwartz: Seit der MeToo-Bewegung hat sich in meinen Augen schon etwas getan. Mit Social Media-Plattformen macht man sich zwar angreifbar, hat aber gleichzeitig die Möglichkeit, anzügliche oder beleidigende Nachrichten zu veröffentlichen und diese Nutzer bloßzustellen.
Kennen Sie andere Frauen, die ähnliche Übergriffe erlebt haben?
Schwartz: Ja, fast alle meiner Modelfreundinnen haben diesbezüglich ein paar Geschichten zu erzählen.
Wie reagieren Ihre Freunde und Familie darauf?
Schwartz: Das ist natürlich nicht schön, solche Geschichten von der Tochter, Schwester, Freundin zu hören. Meine Mutter hat sich anfangs große Sorgen gemacht. Ich hatte jedoch schon in jungen Jahren ein gesundes Selbstbewusstsein und einen klaren Kopf, um in solchen Situation richtig und rabiat zu handeln.
Wie wichtig ist es für Sie, über solche Übergriffe zu sprechen?
Schwartz: Ich finde es sehr gut, dass man in der heutigen Zeit als Frau bei diesem heiklen Thema ernst genommen wird und mittlerweile viele Frauen an die Öffentlichkeit gehen. Trotzdem kommen auch heute die Verantwortlichen in den meisten Fällen ungeschoren davon- wir haben also noch einen weiten Weg vor uns. Ich persönlich finde es super, dass zwei Männer dieses Thema aufgreifen und sich dafür öffentlich einsetzen.
Frauen, die von sexueller Belästigung oder Gewalt betroffen sind, finden hier Hilfe: Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen Tel.: 08000 116 016 und Hilfsangebote in der Nähe sind unter www.frauen-gegen-gewalt.de zu finden.
MeToo-Bewegung#MeToo wird vor allem seit Oktober 2017 als Hashtag in den sozialen Medien verwendet. Im Zuge des Weinstein-Skandals erfuhr die Bewegung große Popularität. Mit der Phrase Me too (zu deutsch: Ich auch) machen betroffene Frauen auf das Ausmaß sexueller Belästigung und Übergriffe aufmerksam. Quelle: jsc